Unterricht für Senioren Nachhilfe am Smartphone: Digitale Aha-Erlebnisse im Gymnasium in Wilthen
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06. Juni 2023, 16:16 Uhr
Mit einem Smartphone geht vieles schneller und einfacher. Auch bei den Senioren steht das Computerhandy hoch im Kurs. Doch sie sind nicht mit der Technik aufgewachsen und handhaben sie nicht so intuitiv wie die Jugend. Im Gymnasium in Wilthen gab es jetzt eine digitale, kostenfreie Nachhilfestunde. Dabei drehten sich die Fragen um viel mehr als um das bloße Verschicken einer Textnachricht.
- Am Gymnasium in Wilthen haben Elftklässler Nachhilfe bei der Handhabe des Smartphones gegeben.
- Die Idee für den Kurs hatte eine Seniorin, die sich selbst lange gegen ein eigenes Handy sträubte.
- Bei Kaffee und Kuchen wurden die Basics aber auch komplexe Probleme erörtert.
Einen Busfahrplan zu lesen, braucht Übung. Das gilt auch für die Fahrplan-App auf dem Handy. Während man beim Papierausdruck nicht in der Zeile verrutschen sollte, gilt es in der digitalen Variante, die richtigen Häkchen zu setzen, um die gewünschte Route zu erhalten. Moritz Marschner gleitet mit einer Selbstverständlichkeit durch das Menü. Aufmerksam sieht Inge Wildenhain dem 18-Jährigen zu. Dabei jagt ein Aha-Erlebnis das nächste und es wird viel gelacht.
Viele Fragen mitgebracht
Während die Senioren vor wenigen Minuten noch zögerlich vor dem Immanuel-Kant-Gymnasium in Wilthen standen, haben sie nun einen Schwall an Fragen in den Klassenraum mitgebracht. Es geht laut an den Tischen zu, an denen sieben Schüler der elften Klassenstufe Handynachhilfe geben.
Die Probleme, die erörtert werden, sind sehr unterschiedlich und haben es durchaus in sich. Es geht um Onlinebestellungen, um das Installieren und Löschen von Apps oder auch um die Frage, wie das Guthaben auf das Handy kommt.
Senioren halten Notizhefte und Stifte bereit
So scrollt Erika Hübner, seit zwei Jahren Smartphone-Nutzerin, auf der Oberfläche ihres Handys hoch und runter. "Ich finde auf der App von Wilthen die Veranstaltungen nicht mehr", sagt die 82-Jährige. Sie und William Schneider stecken die Köpfe zusammen und durchforsten die städtische App.
Der Schüler ist mit Elan bei der Sache. "Es ist wichtig, den Älteren zu helfen", sagt der 17-Jährige, für den die Bedienung des Smartphones eine Selbstverständlichkeit ist. Normalerweise müsse er die Handyprobleme seiner Eltern lösen. Oft sei dann irgendetwas falsch eingestellt, sagt er.
Es ist wichtig, den Älteren zu helfen.
Während die Schüler die einzelnen Schritte erklären, schreiben die Rentnerinnen in ihren Notizbüchern mit. "Die Jugend hat das Handy ja immer in den Händen", sagt Rita Klar. Aber wenn sie am Abend Bilder verschicken wolle, habe sie sonst wieder vergessen, wie es geht. "Ja, man muss es mehr machen", so die 79-Jährige, die ganz frisch seit einem Jahr ein Smartphone besitzt.
Für Anfänger und Fortgeschrittene
Einen Tisch weiter erklärt gerade Jonas Schletze einem Pärchen, wie man sich bei unbekannten englischen Begriffen mit einem Übersetzungsprogramm behelfen kann. "Ich komme mit diesen englischen Ausdrücken nicht zurecht und will aber auch nichts kaputt machen", sagt die 85 Jahre alte Gisela Stronzik.
Ich komme mit diesen englischen Ausdrücken nicht zurecht.
Seit fünf Jahren habe das Ehepaar ein Smartphone und bisher habe sie es immer bedient. Jetzt wagt sich auch ihr Mann Elmar Stronzik ans Gerät. Interessiert folgt der 80-Jährige den Erklärungen des Schülers. "Sonst muss ich meinen Großeltern helfen, zum Beispiel beim Einrichten der Smartwatch", sagt der 18-jährige Jonas Schletze.
Seniorin machte den Vorschlag für den Handykurs
Angeschoben hat Inge Wildenhain den Kurs, die sich lange gegen ein eigenes Smartphone gesträubt hatte. "Meine Kinder und Enkel haben immer gesagt, du brauchst ein Handy. Ich wollte nicht, ich habe doch Festnetz". Nun besitzt die 81-Jährige seit einem halben Jahr doch so ein Gerät und freut sich über die schönen Fotos, die sie von ihren Verwandten bekommt.
Ich wollte erst kein Handy, ich habe doch Festnetz.
Als sie in der Zeitung las, dass es Schulen gibt, in denen Schüler den Senioren bei der Bedienung der Geräte helfen, wünschte sich Inge Wildenhain so etwas auch für Wilthen. Schließlich gebe es hier viele alte Menschen, die da Unterstützung bräuchten. "Und wir haben doch schlaue Schüler hier", sagt die Seniorin und lacht herzlich. Mit dem Zeitungsausschnitt sei sie zur Stadtverwaltung gegangen und es habe nicht lange gedauert, bis der Kurs stand.
Tipps und Tricks bei Kaffee und Kuchen
Die Organisation hatten Katja Wagner aus der Stadtverwaltung und die Schulsozialarbeiterin Laura Heckert in die Hand genommen. "Es ist mal etwas anderes und etwas sehr Schönes", findet Heckert, die für den Nachmittag mit ihrer Mitstreiterin extra Kuchen gebacken und Wasser und Kaffee besorgt hat. Sie kann sich durchaus eine weitere Auflage des Kurses vorstellen. "Ich denke, die Nachfrage ist ziemlich groß", sagt sie und ihr Blick geht dabei zu den Tischen, an denen elf Rentnerinnen und ein Rentner Platz genommen haben.
An den Tisch zu Erika Hübner ist inzwischen Katja Wagner von der Wilthener Verwaltung getreten. Die Stadt-App will einfach nicht den Veranstaltungskalender ausspucken. Schließlich stellt sich heraus, dass die Seniorin eine Testversion heruntergeladen hatte. Diese wird nicht mehr aktualisiert. Na, so etwas kann selbst Profis passieren!
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 06. Juni 2023 | 14:30 Uhr