Handwerk Pulsnitzer Pfefferküchler: Wenn im Sommer schon Weihnachten ist
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05. August 2023, 16:20 Uhr
In den Wochen vor Weihnachten strömen jedes Jahr viele Menschen ins sächsische Pfefferkuchen-Mekka Pulsnitz. Jetzt im Sommer ist es in dem Städtchen noch entspannt und beschaulich. Doch die Ruhe trügt. In den Pfefferküchlereien läuft der Weihnachtscountdown längst. MDR SACHSEN hat einmal hinter die Kulissen geschaut.
- Wenn die heiße Phase für die Pfefferkuchenproduktion ab September anläuft, gibt es in der Pfefferküchlerei Löschner eine Urlaubssperre.
- Der Lagerteig für die Pfefferkuchenproduktion muss er über einen längeren Zeitraum heranreifen, damit er die optimale Qualität hat.
- Neben dem Geschäft in der Region und in Deutschland exportieren die Pulsnitzer Pfefferküchlereien ihre Produkte auch.
Wer dieser Tage einen Blick in die Pulsnitzer Pfefferküchlereien wirft und wem dann ein süßer und würziger Duft in die Nase steigt, dem kommt unweigerlich der Satz von Fußballikone Franz Beckenbauer aus einem Werbespot in den Sinn: "Ja ist denn heut scho' Weihnachten?" Der Grund ist einfach: Während sich der Großteil der Bevölkerung fragt: "Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?", beginnt für die Pfefferküchlermeister bereits in der warmen Jahreszeit der Weihnachtscountdown.
Pfefferküchlerei verhängt Urlaubssperre ab September
"Im August geht es so langsam los und im September läuft dann bei der Pfefferkuchenproduktion die heiße Phase an. Ab diesem Zeitpunkt gibt es bei uns in der Firma eine Urlaubssperre", sagt Pfefferküchlermeister Martin Kotzsch von der 210 Jahre alten Pfefferküchlerei Löschner, der ältesten im Ort. Gegenwärtig führe er die Geschäfte, da sein Vater im Urlaub sei. Er werde den traditionsreichen Betrieb mit insgesamt acht Mitarbeitern einmal in siebenter Generation übernehmen, sagt der 25-Jährige.
Lagerteig braucht Zeit, um heranzureifen
Doch warum muss die Produktion der süßen Weihnachtsware schon so zeitig beginnen? "Das hängt mit dem Lagerteig zusammen, der aus Zucker und Mehl besteht. Dieser wird in großen Holzgefäßen eingelagert, wo dann die Milchsäuregärung stattfindet." Der Teig müsse bis zu sechs Monate, mindestens aber sechs Wochen, in den Holztruhen oder Holzfässern bleiben, um die optimale Backqualität zu haben, erklärt der Pfefferküchlermeister. Hat der Lagerteig schließlich die richtige Konsistenz, wird er mit frischem Teig vermischt. Das sei wichtig, damit die Pfefferkuchen genügend Volumen hätten und sich beim Backen auch ausdehnten und in die Breite liefen, sagt Martin Kotzsch.
Damit der Teig die optimale Backqualität hat, muss er bis zu sechs Monate, mindestens aber sechs Wochen, in den Holzgefäßen bleiben.
Bevor es jedoch ans Backen geht, kommen an den Teig noch Gewürze, Orangenschalenpaste und ein Backtriebmittel dran. "Dann wird das Ganze fünf Minuten verknetet und von uns weiterverarbeitet. Wir backen jeweils mehrere lange Streifen des Teigs, die später noch abgekehrt, aufgeschnitten und händisch mit Marmelade gefüllt werden", sagt Martin Kotzsch und fügt an: "Zum Schluss werden die Teigspitzen in die Überzieherei gebracht, wo sie in die typischen kleinen Streifen geschnitten und mit Schokolade überzogen werden."
Die gefüllte Spitze mit Marmelade ist das Hauptprodukt der Firma Löschner. Es ist laut der Pfefferküchlerei nicht nur in der Region und zahlreichen deutschen Städten, sondern in der ganzen Welt nachgefragt.
Pulsnitzer Pfefferkuchen international gefragt
"Neben dem Geschäft in der Region verkaufen wir über unseren Online-Shop beispielsweise auch nach China und in die USA." Innerhalb Deutschlands gebe es unter anderem Bestellungen aus Hamburg oder Köln. Obwohl Weihnachten der Höhepunkt für die Pulsnitzer Pfefferküchlereien ist, will sich Martin Kotzsch nicht auf eine Jahreszeit festlegen lassen: "Wir verkaufen auch gegenwärtig schon Pfefferkuchen. Pfefferkuchen kann man eigentlich das ganze Jahr essen", sagt der Pfefferküchlermeister, der schon seit seiner Kindheit im elterlichen Betrieb mithilft und zeitig den Wunsch entwickelte, in die Fußstapfen seines Vaters treten zu wollen.
Ähnlich traditionell geht es bei der ebenfalls in Pulsnitz beheimateten Pfefferküchlerei E.C. Groschky zu. Sie ist zwar ein wenig jünger als die Pfefferküchlerei Löschner, begeht in zwei Jahren aber auch schon ihr 200. Jubiläum. Viele Gedanken darüber kann sich Inhaber Jens Förster aktuell aber noch nicht machen, denn auch für ihn dreht sich erst einmal alles um das kommende Weihnachtsgeschäft.
Arbeitspensum nur mit Aushilfskräften zu bewältigen
"Ab Mitte August bereiten wir die Saison vor. Zunächst werden die Maschinen überprüft und eine Planung für die benötigten Rohstoffe und Verpackungen erstellt“, sagt Förster. Ab September stelle er dann Aushilfskräfte ein, um das Arbeitspensum auf zusätzliche Schultern zu verteilen. Aus sonst 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern würden so für einige Monate 25, teilt der Unternehmer mit.
Dreh- und Angelpunkt bei der Pfefferkuchenproduktion ist auch in der Pfefferküchlerei E.C. Groschky der Teig, der dort ebenfalls für mehrere Wochen bis mehrere Monate fermentiert wird. "Nur so entsteht der gewohnte Pfefferkuchen-Geschmack der Vorweihnachtszeit, den die Leute bei uns schätzen", sagt Förster.
Traditionsgeschäft ohne Veränderungen
Trotz des Aufwands geht es im Pfefferkuchen-Business nicht um Neuerungen oder Innovationen, sondern jedes Jahr aufs Neue darum, dass alles so bleibt wie es ist. "Unser Geschäft läuft eigentlich immer ähnlich ab. Große Veränderungen gab es in den vergangenen Jahren nicht." Lediglich in der Corona-Zeit seien nicht so viele Menschen persönlich vorbeigekommen. "Wir haben dann aber mehr über unseren Online-Shop verkauft", sagt Förster. Wer jetzt Appetit bekommen hat, kann entweder persönlich in den Pfefferküchlereien vorbeischauen oder die Pfefferkuchen in den Online-Shops der verschiedenen Betriebe bestellen.
MDR (sth)