Ein LKW überholt einen anderen auf der Autobahn, mit Behinderungen für PKW.
Wenn Lastwagen einander überholen, ist mitunter Geduld gefragt. Bildrechte: IMAGO / Harry Koerber

Ärger auf der Autobahn "Elefantenrennen" auf A4 nerven Autofahrer und Polizei

16. Oktober 2024, 17:46 Uhr

Wenn sich Lastwagen auf Autobahnen gegenseitig überholen, brauchen alle Autofahrer gute Nerven. Weil die Brummis zumindest offiziell nur maximal 80 Stundenkilometer schnell sein dürfen, ziehen sich die Überholvorgänge kilometerweit und minutenlang hin. Die Polizei kann wenig dagegen tun und selbst Spediteure sind genervt, wenn Brummis ihre Kollegen beim Wiedereinscheren nach dem Überholen ausbremsen.

Für Autofahrer sind sie der Horror: Die endlosen Lkw-Überholvorgänge auf den Autobahnen - umgangssprachlich auch als Elefantenrennen bekannt. Da schieben sich Brummis mit 95 Kilometer pro Stunde an anderen vorbei, blockieren kilometerlang die linke Spur. Dazu fahren sie auch noch deutlich zu schneller als die erlaubten 80 Stundenkilometer. Was treibt die Fahrer an? Warum kontrolliert das keiner?

Dienstbeginn für Henrik Kimmling und Florian Hahn vom Autobahnpolizeirevier der Polizeidirektion Dresden. Sie sollen den Verkehr auf insgesamt 130 Autobahnkilometern rund um die Landeshauptstadt überwachen, sich besonders um Unfälle und die Beräumung von Gefahrenstellen kümmern. Und wann immer es die Zeit erlaubt, sollen sie ein Auge auf den Lkw-Verkehr haben.

Am Rastplatz "Dresdner Tor" auf der Autobahn 4 ziehen sie einen polnischen Lkw heraus, obwohl der sich an die Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometer gehalten hatte. Polizeikommissar Henrik Kimmling sagt: "Die Besonderheit auf der Autobahn ist, dass wir nur sehr wenige sichere Kontrollmöglichkeiten haben. Manchmal müssen wir ein Fahrzeug bis zu 15 Kilometer bis zur nächsten Raststätte begleiten, um einen sicheren Abstellort zu finden."

Fahrtenschreiber entlarven Fehlverhalten

Beim Auslesen des Fahrtenschreibers des polnischen Lastwagens stellen die Beamten fest, dass der ukrainische Fahrer am Vortag für einige Minuten 100 Stundenkilometer schnell gefahren war. Ihm droht ein Bußgeld von rund 80 Euro. Viele Fahrer ahnten nicht, wie präzise die Fahrtenschreiber aufzeichnen, sagt Polizeimeister Florian Hahn.

Vielen Fahrern ist nicht bewusst, wie präzise wir die Fahrtenschreiber auslesen können.

Florian Hahn Polizeimeister

Durch die Fahrtenschreiber kann die Polizei Geschwindigkeitsübertretungen oder Lenkzeitüberschreitungen bis zu 28 Tagen zurückverfolgen.

Polizist kontrolliert einen Fahrtenschreiber
Über die Fahrtenschreiber können Polizisten noch Tage später Geschwindigkeitsverstöße feststellen. Bildrechte: IMAGO / Horst Rudel

Kein grundsätzliches Überholverbot für Brummis

Zurück auf der Autobahn: Der Lkw-Verkehr ist dichter geworden, immer wieder überholen die Brummis einander, sind weit schneller als die erlaubten 80 Stundenkilometer. Wenn keine entsprechenden Schilder aufgestellt sind, gibt es auf Autobahnen grundsätzlich kein Überholverbot für Lastwagen. Aber der Überholende muss mindestens 10 Stundenkilometer schneller fahren, als der Überholte - und darf das Tempolimit nicht überschreiten.

Polizisten vor LKW
Polizeistreifen müssen nicht selten Strecken von 130 Kilometern überwachen. Bildrechte: MDR/Steffen Hengst

Gerichte haben entschieden, dass der Überholvorgang nicht länger als 45 Sekunden dauern darf, einschließlich Ein- und Ausscheren. Für Überholen mit zu geringer Geschwindigkeit, also mit weniger als zehn Stundenkilometer Unterschied, droht ein Bußgeld von 80 Euro, sowie ein Punkt in Flensburg.

Elefantenrennen Sogenannte Elefantenrennen sind in Deutschland nicht gestattet. Nach den Vorgaben der Straßenverkehrsordnung handelt es sich bei einem Lkw-Elefantenrennen um 'Überholen mit zu geringer Differenzgeschwindigkeit'. Bußgeldkatalog

Lastwagen mit Tempodrossler ausgerüstet

In der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) §57c ist gefordert, dass Brummis mit einem Geschwindigkeitsbegrenzer ausgestattet sein müssen, der die Fahrgeschwindigkeit auf maximal 90 Stundenkilometer inklusive aller Toleranzen begrenzt.

Es ist aus technischer Sicht auch gar nicht möglich, den Lkw auf mehr als 90 Stundenkilometer zu beschleunigen. Die für diesen Regler erforderlichen Sensoren sind verplombt und die Software einbruchssicher. Die Geschwindigkeitsbegrenzer auszutricksen, erfordert also eine gehörige Portion kriminelle Energie.

Polizist vor LKW
Auch Ladungskontrollen gehören zu den Aufgaben der Beamten. Bildrechte: MDR/Steffen Hengst

Spediteur: Zeitdruck kein Grund für ständiges Überholen

Für den Spediteur Karl Kipping aus Hartha bei Döbeln ist es nicht der oft vermutete Zeitdruck, der die Brummifahrer zum Rennfahren antreibt. Das würden die streng vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten verhindern. Es sei neben Langeweile am Steuer bei vielen Fahrern das Gefühl, sie würden schneller ans Ziel kommen, wenn sie dauernd auf der linken Spur fahren. Aber bei 500 Kilometer am Tag bringe das vielleicht zehn Minuten Zeitgewinn.

In Internetforen schreiben Lkw-Fahrer, dass ihnen langweilig sei, deshalb würden sie überholen. Sie brauchten die Abwechslung, um munter zu bleiben. Seine eigenen Fahrer würden sich an die Höchstgeschwindigkeit halten, seien aber genervt von den Rasern. 

Meine Lkw-Fahrer sind durch die Überholer total genervt, weil die beim Einscheren in ihren Sicherheitsabstand fahren. Denn dann müssen sie ihre Lkw jedes Mal wieder abbremsen und kommen immer weiter nach hinten und irgendwann sagen sie sich – jetzt überhole ich halt auch!

Karl Kipping Spediteur

Für Spediteur Karl Kipping, der selbst 54 Lkw rollen lässt, sind es vor allem ungeschulte Fahrer, die die Regeln in Deutschland häufig nicht kennen. "Da sind viele nicht qualifiziert genug. Denn die spielen mit ihrem Leben, wenn sie mit zu hoher Geschwindigkeit und ohne Sicherheitsabstand fahren. Wenn da plötzlich ein Stau kommt, bringen sie die Lkw nicht mehr zum Stehen."

Mehr Kontrollen gefordert

Nach Ansischt des Spediteurs sollte deshalb mehr kontrolliert werden. Aber die Mittel der Polizei sind begrenzt. Die Autobahnpolizei hat bei ihren Kontrollfahrten ein umfangreiches Aufgabengebiet. Gut beschäftigt sind sie mit fehlendem Sicherheitsabstand, Geschwindigkeitsübertretungen, Ablenkung am Steuer, Missachten von Überholverboten und technischen Mängeln an den Fahrzeugen.

Die Kontrollen sind sehr viel zeitaufwändiger als bei einem Pkw. Wenn wir nur Lkw-Kontrollen machen, kommen wir gerade mal auf fünf bis sechs in unserer Schicht.

Henrik Kimmling Polizeikommissar

Dazu kommt: Der Lkw-Verkehr steigt seit Jahren an. Bis zum Jahr 2030 ist davon auszugehen, dass noch mal 30 Prozent mehr Lkw auf unseren Autobahnen fahren. Die Zahl der Verkehrskontrollen kann schon lange nicht mehr mithalten.

Polizeifahrzeug vor Polizisten vor LKW
Mit Kontrolldruck versucht die Polizei Brummifahrer von Verkehrsverstößen abzuhalten. Bildrechte: MDR/Steffen Hengst

Keine Entlastung durch die Bahn in Sicht

Eine Entlastung der Autobahnen in Sachsen ist indes nicht in Sicht. Zwischenzeitliche Pläne für die Einrichtung einer Rollenden Landstraße (RoLa) zwischen Sachsen und Polen sind nach Prüfung der Wirtschaftlichkeit wieder in der Schublade verschwunden.

Mit der RoLa, bei der komplette Lastwagen auf Züge verladen werden, hätte die hochbelastete A4 zwischen Dresden und Polen entlastet werden sollen. In den 1990er-Jahren gab es ein solches Projekt zwischen Dresden und dem tschechischen Lovosice, weil Lastwagen die B170 verstopft hatten. Mit Eröffnung der neuen A17 wurde das Angebot immer weniger genutzt und ersatzlos eingestellt.

MDR (lam)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

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