Start für den ersten Zug der Rollenden Landstraße am 25.09.1994 auf dem Terminal Dresden-Friedrichstadt.
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Rückblick 2017 Güterverkehr auf die Schiene - ist das realistisch?

07. November 2017, 16:22 Uhr

Der Schwerlastverkehr auf der Autobahn A4 zwischen Görlitz und Dresden hat massiv zugenommen. Die Folge: Unfälle, Staus, "Elefantenrennen", überfüllte Rastplätze. Jetzt haben sich Politiker aus der Region zusammengeschlossen und fordern nicht nur den Ausbau der A4, sondern auch die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke Dresden-Bautzen-Görlitz, um Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Und sie verlangen eine ernsthafte Prüfung des Konzeptes "Rollende Landstraße" zwischen Polen und der Stadt Nossen. Doch die Bahn winkt ab.

Die Deutsche Bahn stuft die von Oberlausitzer Kommunalpolitikern geforderte "Rollende Landstraße" als unwirtschaftlich ein. Der Aufwand sei relativ hoch, so ein Sprecher der Bahn. Man brauche spezielle Terminals und Spezialwagen, auf die die Laster hochfahren können. Dazu komme eine geringe Ausnutzung der Zuglänge. Denn neben den Waren werden auch die Zugmaschinen der Lkw mit Huckepack genommen. Außerdem braucht man für die Kraftfahrer ebenfalls einen Waggon. Denn sie dürfen während der Reise nicht im Laster sitzen bleiben.

Was ist eigentlich eine "Rollende Landstraße"? Als "Rollende Landstraßen" werden Strecken bezeichnet, auf denen Züge ganze Lkw von A nach B tranportieren. Die gab es beispielsweise in den 1990er- Jahren zwischen Dresden und dem tschechischen Lovosice. Das Projekt ist damals wegen Unwirtschaftlichkeit wieder eingestellt worden.

Nur die Ladung transportieren

Eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative wären laut Bahn sogenannte Railports. Dort wird allein die Ladung vom Laster auf den Eisenbahnwaggon umgeschlagen, dann über eine lange Strecke über die Schiene transportiert, um sie am Zielort wieder mit einem Fahrzeug zu verteilen.

In Deutschland gibt es derzeit 32 Railports, in der Nähe der A4 in Glauchau, Zwickau, Chemnitz und Halle. Eine noch günstigere und zeitsparende Alternative ist laut Bahn der kombinierte Verkehr. Hier wird nicht nur die Ware auf den Güterzug verladen, sondern gleich der Ladebehälter mit, zum Beispiel der Container oder Sattelauflieger. Bundesweit gibt es 58 solcher KV-Terminals, unter anderem in Dresden.

Marktanteil Schiene ist gesunken

Doch der Gütertransport via Schiene kommt nicht ins Rollen. Wie die Deutsche Bahn MDR SACHSEN mitteilte, sank der Marktanteil der Schiene von 18,1 Prozent im Jahr 2011 auf 17,6 Prozent im Jahr 2016. Diese Entwicklung liege auch an teils ungleichen Rahmenbedingungen gegenüber dem Lkw als Hauptwettbewerber.

Railports können das Autobahnnetz nicht ersetzen, sagt Sven Köcke, Unternehmenssprecher des Transportunternehmens "Finsterwalder" im Gespräch mit MDR SACHSEN. Sie würden nur Sinn machen, wenn die Güter sehr weit transportiert werden müssen, etwa nach Russland. Das Unternehmen betreibt selbst einen Railport in Halle. Ein Prozent der Transporte wird darüber abgewickelt. Das Gros der Waren fahrend jedoch die 250 Lkw-Fahrer des Betriebs mit ihren Sattelschleppern an die Bestimmungsorte.

Masterplan für Güterbahnen

Aktuell wollen das Bundesverkehrsministerium und die Schienenbranche mit einem Masterplan den Anteil der Güterbahnen steigern. Dieser umfasst laut Deutscher Bahn unter anderem folgende Ziele: Für den Schienengüterverkehr soll eine leistungsfähige Infrastruktur bereitgestellt werden, die Digitalisierung will man vorantreiben, den Eisenbahnbetrieb stärker automatisieren, technische Innovationen forcieren.

So haben Wissenschaftler der TU Dresden mit dem sogenannten "Bahn-City-Portal" ein neues logistisches Konzept entwickelt: Danach fahren Güterzüge die Waren auf der Schiene bis zu einem Umschlagplatz in die Stadt hinein, wodurch die Autobahn von Schwerlastverkehr befreit wird. Ab dem "Bahn-City-Portal" werden die Lieferungen mit umweltfreundlichen Elektroautos sozusagen gestreut. Wie der Verkehrswissenschaftler Rainer König MDR SACHSEN berichtet, soll ein ähnliches Konzept demnächst in Paris in Betrieb gehen. Dort werden Waren im "Logistik Hotel" von der Schiene auf die Straße umgeschlagen. Nachdem die Schiene mit dem Transport von Menge auf langer Strecke punkten konnte, übernehmen schadstoffarme Autos vom "Logistik Hotel" aus die Feinverteilung der Produkte in der Innenstadt von Paris.

Auch an die Berufspendler denken

Nicht nur für den Güterverkehr, auch für die vielen Tausend Berufspendler in der Oberlausitz müsse eine echte Alternative zur Straße geboten werden. "40.000 Pendler aus der Region brauchen dringend bessere und leistungsfähigere Verkehrsadern" , fordert Marko Schiemann. Deshalb müsse neben dem Ausbau der A4 auch die Elektrifizierung der Bahnstrecke Görlitz-Dresden endlich kommen. Weil auf der Strecke Oberleitungen fehlen, können hier die E-Loks nicht weiterfahren. Stattdessen müssen Züge mit teuren und umweltschädlichen Dieselmotoren angetrieben werden. Laut der Allianz pro Schiene sind nur 60 Prozent des bundesweiten Schienennetzes elektrifiziert. Damit liege Deutschland weit hinter seinen europäischen Nachbarn zurück.

Quelle: MDR/ma

Über dieses Thema berichtet MDR SACHSEN auch im Radio: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 02.11.2017 | ab 09:00 Uhr in den Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen

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