Arno Bausemer
Zieht für die AfD ins Europa-Parlament: Arno Bausemer aus Stendal. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Erfolgreicher AfD-Kandidat Arno Bausemer: Vom Geflügelhof ins EU-Parlament

14. Juni 2024, 10:35 Uhr

Wie es ist, knapp zu scheitern, das hat Arno Bausemer 2021 bei der Bundestagswahl erlebt. Damals stand der heute 41-Jährige aussichtsreich auf der Landesliste der AfD. Doch für ein Mandat reichte es am Ende nicht. Auch bei der Landratswahl 2019 im Landkreis Stendal trat er vergeblich an. Nun klappt es bei der Europawahl mit einem Mandat im Parlament. Was wird von ihm dort zu erwarten sein? Eine Analyse.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
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Schon mit der ersten Wahl-Prognose am Sonntag um kurz nach 18 Uhr nahm Arno Bausemer in Stendal die ersten Glückwünsche entgegen. Handschläge und Schulterklopfen waren schon mit den ersten Meldungen über ein voraussichtliches Wahlergebnis der AfD angesagt, die in Sachsen-Anhalt vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Die erste Prognose versprach bundesweit 16,5 Prozent für die Partei. Der 41-jährige Bausemer, der aus dem kleinen Elbdorf Hohengöhren stammt, konnte sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eines EU-Mandates sicher sein. Er war auf Platz zehn der Bundesliste seiner Partei angetreten. Am Ende schafften es 15 Kandidaten der AfD ins Europarlament. Deutschland stellt insgesamt 96 Vertreter in dem 720 Mitglieder großen Parlament.

Mutmaßliche Zwischenfälle bei der AfD in Stendal nach der Wahl

In der Kreisgeschäftsstelle der AfD in Stendal sollte es an diesem Abend noch einige weitere Ergebnisse zu feiern geben, schließlich gab es auch noch Kommunalwahlen. In der Feierlaune soll der Anstand zeitweise auf der Strecke geblieben sein. Durch lautes "AfD"-Gegröle während einer Live-Schalte entstand der Eindruck einer bewussten Störung. Nachbarn wollen später auch das Abspielen des umstrittenen Liedes "L'Amour Toujours" von Gigi D'Agostino vernommen haben. Außerdem sei auf dem Balkon der AfD-Geschäftsstelle jemand mit rechtem, ausgestreckten Arm gesehen worden. Bei der Polizei Stendal ist eine Anzeige wegen des "Zeigens des Hitlergrußes" eingegangen. Es sei auch jemand namentlich erfasst worden, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Allerdings habe diese Person nicht zur AfD-Veranstaltung selbst gehört.

Die AfD bestätigt auf Anfrage von MDR Sachsen-Anhalt das Abspielen des Liedes "im Original", was keine strafrechtlich relevante Handlung ist. Es seien zeitweise 60 bis 70 Menschen in der Geschäftsstelle gewesen, wobei ein "nicht unerheblicher Teil nicht Mitglieder des AfD Kreisverbandes" gewesen seien, teilt der Kreisvorsitzende Dietrich Gehlhar mit. "Angefragte Tatbestände" – also der Hitlergruß – seien nicht festgestellt worden.

Geschönter Lebenslauf: AfD streitet vor der Wahl über EU-Kandidaten

Arno Bausemer erklärte am Wahlabend, er werde selbstverständlich sein EU-Mandat annehmen. Die Diskussion um seinen geschönten Lebenslauf habe ihn "überhaupt nicht tangiert. Punkt." Beim Listenparteitag der Bundes-AfD im August 2023 in Magdeburg hatte der 41-Jährige eine journalistische Berufsausbildung angegeben, die es nie gegeben hat. Ein Praktikum wurde zum Volontariat hochgeschraubt. Seine angegebene 15-jährige Berufserfahrung bei der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs bezog sich auf einen kleinen Geflügelhof.

Innerparteilich gab es wegen der Hochstapler-Vorwürfe die Forderung an die Parteiführung ihn – und auch die brandenburgische Kandidatin Mary Khan-Hohloch wegen ähnlicher Vorwürfe – von der Liste zu streichen. Am Ende kam es lediglich zu einer Streichung der Parteiämter bei beiden. Aber das wird sie wenig stören, wenn sie nun beide in Brüssel agieren. Arno Bausemer wurde von seiner Kreispartei in Stendal ohnehin umgehend zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Eine Bestrafung à la AfD.

Europawahl in Stendal: Jede dritte Stimme geht an Bausemer

Viele Wählerinnen und Wähler zumindest im Landkreis Stendal hat das Gebaren von Arno Bausemer offensichtlich nicht sonderlich gestört. 33,05 Prozent machten bei der Europawahl für die AfD das Kreuz. Dies Ergebnis lag sogar noch über dem Landesschnitt von 30,5 Prozent und kann als gewisses Votum für Bausemer gewertet werden. Zumal dieser gleichzeitig auch ein gutes Ergebnis bei der Stendaler Stadtratswahl und der Kreistagswahl verbuchen konnte. Im Stadtrat, wo er bisher durchaus hemdsärmelig die AfD-Fraktion anführte, erhielt er 5.641 Stimmen – so viele wie kein anderer Kandidat für das Gremium. Bei der Kreistagswahl gab es 4.334 Stimmen – das achtbeste Ergebnis der 48 künftigen Mandatsträger.

Bausemer will sich im Euroaparlament gegen Einfluss der EU einsetzen

Nun will Bausemer, der mit seinem kleinen Geflügelhof auch schon von EU-Förderungen profitiert hat, den Einfluss der EU zurückdrängen, wie er sagt. Eine komplette Abschaffung stehe für ihn noch nicht zur Debatte: "Eine Auflösung der EU wäre die Ultima Ratio. Wir versuchen erst einmal, Reformen einzuleiten. Das bedeutet, mehr Kompetenzen an die Nationalstaaten zurückzugeben." Er werde dort nicht "als Abnicker" hingehen. Er werde sich dafür einsetzen, dass es ein Initiativrecht des Parlamentes geben wird und dieses damit gestärkt werde. Zu viele Entscheidungen würden jetzt von der Kommission getroffen.

Er werde auch künftig zu jeder Sitzung des Stadtrates und auch des Kreistags kommen, sagte Bausemer dem MDR – wohlgemerkt neben seiner Tätigkeit als EU-Parlamentarier. Die Latte hängt hoch. Er verkniff sich dabei nicht einen Seitenhieb auf den Stendaler FDP-Bundestagsabgeordneten Marcus Faber, der "bloß zu jeder dritten Sitzung" komme.

Arno Bausemer AfD 1 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Fr 14.06.2024 10:42Uhr 00:54 min

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Ein Faktencheck dieser Aussage ergab im Übrigen, dass Faber bei 21 von 42 Kreistagssitzungen in den vergangenen fünf Jahren dabei gewesen ist – also bei der Hälfte. Bausemer und Faber hatten einst bei der FDP in Stendal ihre politische Laufbahn begonnen. Bausemer trat 2016 in die AfD ein. Marcus Faber wurde diese Woche zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag gewählt und tritt die Nachfolge von Agnes Strack-Zimmermann (FDP) an, die nun ebenfalls in Brüssel ein EU-Mandat wahrnimmt.

Höheres Mandat für Bausemer erst nach acht Jahren in der AfD

Obwohl Bausemer bereits seit acht Jahren der AfD angehört und früh Ansprüche für höhere Ämter und Mandate anmeldete, sind bisherige Kandidaturen erfolglos verlaufen. Während der 33-jährige Ulrich Siegmund aus Tangermünde bereits seit 2016 im Landtag vertreten ist und auch der eher unscheinbar auftretende Matthias Büttner aus Stendal bereits eine Legislatur im Bundestag war und nun im Landtag sitzt, ging Arno Bausemer bisher leer aus. 2021 hatte er sich mit Listenplatz vier der Landespartei mit einem Bein im Bundestag gesehen. Doch durch ein Direktmandat eines Parteikollegen, der in der Liste hinter ihm stand, ging ihm der sicher geglaubte Platz in Berlin allerdings noch verloren. Auch bei der Landratswahl 2019 scheiterte er und belegte Platz drei hinter dem SPD- und dem CDU-Kandidaten.   

Etwas Zeit zum Koffer packen für Brüssel bleibt Arno Bausemer noch. Die konstituierende Sitzung ist für den 16. Juli geplant. Neben ihm wird die Magdeburgerin Alexandra Mehnert (CDU) als zweite Vertreterin aus Sachsen-Anhalt dem künftigen EU-Parlament angehören.

Mehr zur Europawahl und Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt

MDR (Bernd-Volker Brahms, Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 09. Juni 2024 | 19:00 Uhr

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