Wegen Zusatzstunde Fristlos gekündigte Lehrerin lehnt Vergleich ab
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29. April 2024, 09:32 Uhr
Die gekündigte altmärkische Grundschullehrerin lehnt den Vergleich mit dem Landesschulamt, der vor dem Arbeitsgericht Stendal getroffen worden war, ab. Das sagte Birgit Pitschmann MDR SACHSEN-ANHALT. Ihr Anwalt bestätigte die Entscheidung. Die Frau hätte wieder arbeiten können – aber mit der zusätzlichen Arbeitsstunde, gegen die sie vorgegangen war.
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- Eine fristlos gekündigte Lehrerin hat den angebotenen Vergleich vom Arbeitsgericht Stendal abgelehnt.
- Die Lehrerin hätte wieder arbeiten dürfen, hätte aber die sogenannte Vorgriffstunde leisten müssen.
- Genau gegen diese vom Bildungsministerium festgelegte zusätzliche Arbeitsstunde hatte sich die Lehrerin öffentlich gewehrt.
Die Stendaler Grundschullehrerin Birgit Pitschmann hat den vorgeschlagenen Vergleich vom Arbeitsgericht Stendal abgelehnt. Demnach hätte sie wieder in ihrem Beruf arbeiten können, sollte aber die sogenannte Vorgriffstunde leisten.
2023 war sie vom Land fristlos entlassen worden, weil sie sich geweigert hatte, die vom Land verfügte zusätzliche Wochenstunde zu geben. Im April dieses Jahres hat sie vor dem Arbeitsgericht Stendal auf Wiedereinstellung geklagt.
Widerrufsfrist für Vergleich endet
Mit seinem Vorschlag eines Vergleichs hat der Stendaler Arbeitsrichter vor einer Woche alle Prozessbeteiligten verblüfft: Birgit Pitschmann sollte wieder unbefristet als Grundschullehrerin in Sachsen-Anhalt arbeiten können, ihre 30 Dienstjahre sollten anerkannt werden. Sie hätte aber ab Mai die sogenannte Vorgriffstunde leisten müssen. Pitschmann sollte im Gegenzug auf alle etwaigen finanziellen Ansprüche an das Land verzichten.
Diesem Vergleich hatten sowohl das Landesschulamt als auch Birgit Pitschmann vorbehaltlich eines Widerrufs zugestimmt. Die Frist zu widerrufen, endete offiziell am Freitagmittag (26. April).
Lehrerin will auf Entschädigung klagen
Nach einer Woche Bedenkzeit hat Pitschmann nun aber die Entscheidung getroffen, den Vergleich doch zu widerrufen. Dabei geht es ihr darum, dass ihre jahrzehntelange Arbeit als Lehrerin vom Land aus ihrer Sicht nicht genügend wertgeschätzt wird. Das sagte Pitschmann MDR SACHSEN-ANHALT. Sie bezog sich auf ein ihrer Meinung nach teilweise überhebliches Auftreten der Vertreter des Landesschulamtes in Personalgesprächen und vor Gericht.
Außerdem wäre es vom Arbeitgeber fair gewesen, ihr eine angemessene Entschädigung für das entgangene Gehalt zu zahlen, so die Altmärkerin. Der Arbeitsrichter in Stendal hatte anklingen lassen, dass seine Kammer die fristlose Kündigung, die Pitschmann im Sommer erhalten hatte, möglicherweise als "unverhältnismäßig" ansehe. Die vom Land nachgeschobene ordentliche Kündigung aber sei rechtens.
Das endgültige Urteil in dem Arbeitsgerichtsprozess wird laut Pitschmann am 23. Mai in Stendal verkündet. Danach will die Lehrerin das Land auf Entschädigung verklagen.
Lehrerin arbeitet zwischenzeitlich ohne Geld in Niedersachsen
Sie hatte nach der Entlassung unentgeltlich an einer Montessori-Schule in Niedersachsen mitgeholfen, um – so ihre Begründung – den Kontakt zu Kindern und Kollegen nicht zu verlieren. Pitschmanns Wohnort Dähre liegt dicht an der Grenze zum Nachbar-Bundesland. In Niedersachsen darf die Lehrerin auch rechtlich offiziell arbeiten. An ihrer Heimatschule in Henningen hatte sie zuletzt Hausverbot.
Gerade arbeitet sie intensiv mit einem Verein von Eltern und Unterstützern am Aufbau der "Freien Schule Boldecker Land". Das Konzept berücksichtige die individuellen Lern-Wege jedes Kindes, schwärmt Birgit Pitschmann, und sehe Lehrer nicht als Pauker, sondern als Impulsgeber für die Schüler. Ihre Erfahrungen in Niedersachsen hätten sie verblüfft, auf welch kreativen Wegen man Kindern Unterrichtsstoff vermitteln könne, sagte die Lehrerin MDR SACHSEN-ANHALT. In diesen Konzepten sehe sie ihre berufliche Zukunft.
Das ist – mit 60 Jahren und nach 30 Jahren an staatlichen Schulen – ein Neuanfang für Birgit Pitschmann, aber einer mit dem sie sich wohl fühlt. Den Vergleich vor dem Arbeitsgericht zu widerrufen, betrachtet sie als richtige Entscheidung. Andernfalls hätte sie ihr Gesicht verloren, ihre Prinzipien verraten müssen, sagen sie und ihr Anwalt Marco Slotta.
Vorgriffstunde gegen Lehrermangel: Pitschmann hatte sich gewehrt
Monatelang hatte Pitschmann – auch medienwirksam – gegen die Vorgriffstunde des Landes gekämpft, hatte sich unter anderem mit selbst gemalten Plakaten versucht, der Bildungsministerin in den Weg zu stellen; die nahm in Dähre zum Beispiel den Hinterausgang beim Besuch der dortigen Schule.
Dieser Darstellung widerspricht das Bildungsministerium nach Veröffentlichung des Artikels ausdrücklich. "Die Ministerin hat nicht, wie teilweise auch in anderen Medien suggeriert, das Gebäude über einen speziellen Ausgang verlassen, um einem Zusammentreffen mit Frau Pitschmann aus dem Wege zu gehen. Vielmehr handelte es sich um den Zugang, über den die Ministerin auch zu Beginn des Termins das Gebäude betreten hatte, vor dem der Dienstwagen parken konnte und dem Raum, in dem die Besprechungen stattfanden, am nächsten lag", so ein Sprecher des Ministeriums.
Hätte Pitschmann den Vergleich angenommen, die zusätzliche Wochenstunde leisten zu müssen, wäre die gesamte Anstrengung umsonst gewesen, sagt die Lehrerin heute.
Das Landesschulamt hatte dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Stendal zufrieden zugestimmt. Vertreter Olaf Gregull hatte MDR SACHSEN-ANHALT gesagt, das Land sei daran interessiert, so viele Lehrer wie möglich zu beschäftigen – auch Birgit Pitschmann unter den genannten Bedingungen, also mit der Ableistung der wöchentlichen Zusatzstunde.
Mit dieser Vorgriffstunde für Lehrer wollte das Landesbildungsministerium den Lehrermangel eindämmen. Pitschmann hatte sie verweigert, weil sie auch ohne die Zusatzstunde am Rande ihrer Kapazitäten gewesen sei, wie sie MDR SACHSEN-ANHALT damals begründete.
MDR (Katharina Häckl, Julia Heundorf) | Erstmals veröffentlicht am 26.04.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. April 2024 | 08:30 Uhr
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