Projekt Viethoga Warum ein Hotel in Arendsee vietnamesische Fachkräfte ausbildet

22. Juni 2023, 09:05 Uhr

In der Gastronomie fehlen deutschlandweit Fachkräfte. In Arendsee beschäftigt das "Flair Hotel Deutsches Haus" seit 2018 Azubis aus Vietnam. Dazu hat der Hotelchef mit dem "Viethoga-Projekt" extra eine betreute Kooperation aufgebaut. Trotz einiger Hürden funktioniert das Konzept.

Eine blonde Frau mit Brille
Bildrechte: Carina Emig

Hotelier Burghard Bannier ist zufrieden. In seinem Hotel "Flair Hotel Deutsches Haus" in Arendsee herrscht kein Mangel an jungen Auszubildenden – im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben in der Gastrobranche. 16 angehende Köche, Restaurant- und Hotelfachleute wuseln durch Küche, Restaurant und Zimmer, empfangen Gäste und geben Auskunft, denn Hotelier Burghard Bannier bildet sie aus. Die Hälfte der Lehrlinge stammt aus Vietnam.

Der Hotelchef hat gemeinsam mit Kollegen aus dem Hotel- und Gastronomiegewerbe vor sechs Jahren ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem er Azubis aus Vietnam nach Sachsen-Anhalt holt. "Viethoga – Auszubildende aus Vietnam" heißt das Projekt, dessen Konzept für Bannier aufgeht.

Viethoga – Auszubildende aus Vietnam Der Unternehmerverband Dehoga Sachsen-Anhalt e.V. engagiert sich seit 2018 durch das Viethoga-Projekt für die Berufsausbildung in
gastwirtschaftlichen Berufen. Ziel ist es, jungen vietnamesischen
Menschen eine Berufsausbildung zu geben und Gästen auch zukünftig guten Service und tolle Speisen anbieten zu können.

Spracherwerb für Erfolg entscheidend

Die deutsche Sprache ist für Bannier dabei ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. "Die jungen Vietnamesen, die kommen, verpflichten sich in den ersten sieben Monaten einen Sprachkurs zu absolvieren, das sind rund 400 Stunden. Danach sprechen sie super Deutsch auf B2-Level."

Parallel dazu drücken die vietnamesischen Auszubildenden ganz normal die Berufsschulbank. "Doch die jungen Leute können nur verstehen, was unterrichtet wird, wenn sie vernünftig Deutsch können", so Bannier weiter.

Enge Begleitung und persönliche Vorbereitung

Auch Ngoc Anh Hoang kann inzwischen super Deutsch. Die 24-Jährige kam vor drei Jahren nach Arendsee, den Ausbildungsvertrag überreichte ihr Burghard Bannier vorher höchstpersönlich in Vietnam. Die angehende Restaurantfachfrau wusste durch den persönlichen Kontakt und ein umfangreiches Briefing vor Ort ganz genau, worauf sie sich in Arendsee einlässt. Denn für die Viethoga- Azubis stehen Landes- und Betriebskunde bereits in Vietnam auf dem Stundenplan.

Das sei sehr wichtig, damit es keinen Kulturschock gäbe, weiß Bannier und nennt ein Beispiel. "Anh erzählte mir in Vietnam, dass sie aus einem Dorf stamme. Dieses Dorf habe 'nur' 100.000 Einwohner." In Deutschland gilt Arendsee hingegen mit gerade mal 2.500 Einwohnern als Stadt. "Es ist also sehr wichtig, dass unsere Azubis genau wissen, worauf sie sich einlassen, damit sie sich auch wohlfühlen und im besten Fall auch nach der Ausbildung weiter im Betrieb bleiben", weiß der Hotelier. Dazu gehöre auch ein möglichst umfangreiches Wissen über Land und Leute sowie den Ausbildungsbetrieb.

Anh wiederum hörte von Verwandten, dass die Ausbildung in Deutschland sehr gut sei. "Arendsee gefällt mir, weil es nicht langweilig wird und sehr gemütlich ist. Außerdem habe ich hier viele Freunde gefunden und sehr nette Kollegen", sagt Ngoc Anh Hoang.

Erfolg bei den Landesmeisterschaften

Ngoc Anh Hoangs Ausbildung trägt bereits Früchte. Anfang Juni 2023 landete die angehende Restaurantfachfrau bei den Landesmeisterschaften der gastgewerblichen Ausbildungsberufe auf dem zweiten Platz. Das imponiert auch Azubi-Kollege Max Hundt, der ebenfalls im "Flair Hotel Deutsches Haus" in Arendsee im dritten Lehrjahr ist und aus der Altmark stammt.

"Anh ist so gut und hätte nach meinem Dafürhalten bei den Landesmeisterschaften auch auf dem ersten Platz landen können. Sie ist einfach super in ihrem Bereich, auf jeden Fall eine der besten in unserem Betrieb", lobt Max Hundt seine Kollegin.

Vergütet werden Max und Anh übrigens gleich. Ob Deutsch oder Vietnamesisch: Die Azubis erhalten zum Einstieg ins erste Lehrjahr 950 Euro und 25 Tage Urlaub. Das rentiert sich für Anh, denn in Vietnam bekäme sie kein Geld, sondern ganz im Gegenteil müsste sie für die gleiche Ausbildung sogar bezahlen.

Zahl der Viethoga-Ausbildungsstellen wächst

Das Viethoga-Projekt betreuen Unternehmer Burghard Bannier und seine Kollegen ehrenamtlich und auf eigene Kosten. Er und seine Mitstreiter fliegen zwei Mal im Jahr nach Vietnam, um die Kooperationen auszubauen. Konkret heißt das, Sprachschulen, Sprach-Institute und Politiker treffen. Dann reist auch DEHOGA-Präsident Michael Schmidt mit, der auf das Viethoga-Projekt seines Unternehmerverbandes sehr stolz ist: "Seit 2018 haben wir in 60 sachsen-anhaltischen Betrieben mehr als 500 junge Vietnamesen ausgebildet. In diesem Jahr sind es alleine bis zu 180 Azubis. Im nächsten Jahr sollen es 250 werden."

Dazu ergänzt Burghard Bannier, dass der seither schlechteste Facharbeiterabschluss im Rahmen des Viethoga-Projektes eine drei gewesen sei. "Alle jungen Leute, die aus Vietnam kommen, haben Abitur. Sie bringen eine andere Kultur mit und andere Erfahrungen, die uns bereichern. Was sie anfänglich nicht können, das ist Deutsch, aber dafür sind wir dann da", sagt Bannier.

95 Prozent bleiben in Deutschland

Wenn die Koch, Restaurantfach- oder Hotelfachlehren abgeschlossen sind, bleiben 95 Prozent der jungen Vietnamesen zumindest in Deutschland, 60 Prozent sogar ihrem Ausbildungsbetrieb treu – auch das sei ein großer Erfolg für die hiesige Gastwirtschaftsbranche.

Auch Anh will nach der Ausbildung in Arendsee bleiben. Dafür fehlt der jungen Vietnamesin nur noch die Abschlussprüfung zur Restaurantfachfrau in dieser Woche. Fundiert ausgebildet und sehr gut Deutsch sprechend, sollte das für sie allerdings ein Klacks sein.

MDR (Carina Emig, Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. Juni 2023 | 19:00 Uhr

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