Zwei Männer blättern in einem Buch
Maik und Christian Matthies recherchieren zur Geschichte von Jävenitz. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Heimatforschung Wie zwei Brüder die Geschichte des Dorfes Jävenitz bewahren

09. September 2023, 08:15 Uhr

Seit 25 Jahren forschen die Brüder Maik und Christian Matthies in ihrer Freizeit zur Geschichte ihres Heimatortes Jävenitz in der Altmark. Dabei sind ein Bildband und eine Chronik der Dorfkirche entstanden. Für sein Hobby hat Maik Matthies auch einen Kurs des Landesheimatbundes absolviert, in dem die Erarbeitung von Ortschroniken und Heimatgeschichte behandelt wurde – und eine Auszeichnung bekommen.

Eine blonde Frau mit Brille
Bildrechte: Carina Emig

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Seit 25 Jahren beschäftigen sich Maik und Christian Matthies mit der Geschichte ihres Dorfes Jävenitz. Wie die rund 650 Ortschronisten, die es allein in Sachsen-Anhalt gibt, arbeiten beide ehrenamtlich. Meistens von Hamburg und Paris aus, denn Maik ist als kaufmännischer Angestellter in der Hansestadt tätig, Christian als Buchhalter in Frankreichs Hauptstadt.

Doch die Historie ihres Heimatdorfes Jävenitz zieht beide regelmäßig zurück in ihr altmärkisches Dorf. "Es ist ein Ausgleich zum Arbeitsleben, weil man auf komplett andere Gedanken kommt. Man taucht in eine andere Welt ein und das macht Spaß", sagt Maik Matthies.

Zwei Männer laufen durch einen Park
Maik und Christian Matthies in Jävenitz Bildrechte: MDR/Carina Emig

"Heimatforschung ist wie ein Puzzle der Geschichte"

Sein Zwillingsbruder Christian ergänzt: "Heimatforschung ist wie ein Puzzle der Geschichte. Überall findet man ein Stück und setzt die Geschichte dann zusammen und freut sich, wenn man wieder etwas verbinden konnte." Das gelingt auch von Paris aus, wo Christian lebt und arbeitet.

Die 41-Jährigen tauschen sich ganz viel über E-Mail, Messengerdienste, Telefon oder Videotelefonie aus. So schicken sie sich zum Beispiel Fotos und Dokumente hin und her. Außerdem sei Paris nicht am anderen Ende der Welt, sondern in Europa und wenn es drauf ankäme, sei Christian auch ganz schnell zurück in Jävenitz.

Bildband und Chronik der Dorfkirche

Einen ersten Bildband über Jävenitz hat Maik zusammengestellt, die Chronik der Dorfkirche haben die beiden gemeinsam erarbeitet. Die Jävenitzer Kirche ist für beide Hobbyhistoriker etwas Besonderes, denn sie wurde während des Ersten Weltkrieges gebaut und geweiht. Das sei ein gewaltiger Kraftakt gewesen in einer schwierigen Zeit.

Zwei Männer stehen in einer Kirche
Maik und Christian Matthies in der Dorfkirche. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Auch die riesigen Findlinge des Kriegerdenkmales vor der Kirche setzen Maik und Christian in Erstaunen, denn die Steine wurden ohne Baukran und schweres Gerät, also mit einfachen Mitteln von Jävenitzern aufeinandergesetzt. An diesem Ort wird die Geschichte ihres Dorfes erlebbar und berührt die beiden.

Aufwendige Recherche

Das alles zu recherchieren und zu dokumentieren ist sehr zeitaufwendig. Schließlich wohnen ehemalige Jävenitzer überall verstreut in Deutschland. "Da muss man einen Termin vereinbaren, hinfahren, sich vorab vorbereiten. Da ist schnell ein Tag Urlaub weg. Aber es lohnt sich und es macht Spaß", sagt Maik Matthies.

Schließlich ist er immer auf der Suche nach Fotos, Dokumenten, Zeichnungen und Erfahrungsberichten zu Jävenitz und bittet alle, die etwas beisteuern können, sich bei ihm oder seinem Bruder zu melden.

Ein Mann zeigt ein aufgeschlagenes Buch
Maik Matthies zeigt das Fotobuch, das er zusammengestellt hat. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Grundlagenkurs Heimatforschung

Jüngst hat Maik den Grundlagenkurs Heimatforschung beim Landesheimatbund, der online und in Präsenz stattfand, erfolgreich abgeschlossen und ganz viel dazu gelernt. Dafür wird er nun sogar ausgezeichnet.

"Es ist eine Anerkennung für das, was man tut. Es gibt ganz viele Gleichgesinnte, die auch ganz viel Herzblut in die Heimatforschung stecken, sich viel Arbeit machen, um Details herauszufinden. Daher ist es eine große Freude, jetzt so ein Zertifikat in einem solch einem Rahmen zu bekommen", freut sich Maik Matthies. Zudem spornt ihn die Auszeichnung an, noch tiefer in die Jävenitzer Heimatgeschichte einzutauchen.

Der Grundlagenkurs des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt e. V. (LHB) fand an mehreren Samstagen in Präsenzveranstaltungen in wechselnden Städten Sachsen-Anhalts, in Online-Kursen, als Führungen durch beteiligte Institutionen und als Exkursion statt. Das Kursziel war dabei, die Teilnehmer zur selbstständigen Erarbeitung von Ortschroniken und Heimatgeschichte zu befähigen.

Geschichte der Heimatforschung

  • Seit dem späten Mittelalter: In den aufstrebenden Städten entstehen vielfach Chroniken, die die Geschichte der eigenen Stadt und des Umlandes in den Blick nehmen.
  • 1814: Nach dem Sieg über Napoleon erstarkt der Patriotismus in vielen deutschen Ländern und das Interesse an der eigenen Geschichte steigt. Dem Zeitgeist entsprechend entstehen überall in Deutschland geschichtliche Vereine, Museen und Institutionen, die lokal, regional und überregional die Vergangenheit erforschen. Viele wichtige Quellensammlungen werden publiziert.
  • Ende des 19. Jahrhunderts: Preußen hält seine Ortschaften dazu an, Ortschroniken abzufassen. Diese Aufgabe wurde zumeist von den örtlichen Klerikern oder Lehrern übernommen. Noch heute stammt ein Großteil der Bücher über Ortsgeschichte aus der dieser Zeit.
  • 1920er-Jahre: Erste Heimatstuben entstehen in Oberschlesien und Österreich. Spätestens unter dem Nazi-Regime ab 1933 wird diese Museumsform auch in kleineren Ortschaften des heutigen Deutschlands stark gefördert.
  • 1945: Das Ende des Nationalsozialismus bedeutet eine Zäsur, die in der durchaus kontroversen Wahrnehmung der Heimatforschung noch lange nachwirkt: Nach 1945 richten Landmannschaften und Heimatvertriebenenverbände in der BRD weitere Heimatstuben ein, die sich ihren Herkunftsregionen jenseits der Oder-Neiße-Linie widmen. Die (Laien-)Geschichtsforschung und die Arbeit der Geschichtsvereine und Museen bleibt zunächst stark von der Blut-und-Boden-Ideologie der NS-Diktatur beeinflusst und ist daher bis heute Gegenstand kritischer Betrachtung.
  • 1949: Die Heimatforschung in DDR und BRD entwickelt sich unterschiedlich. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Heimatforschung der NS-Zeit setzt in der BRD ab den späten 1960er-Jahren ein. 1975 verkündet die Volkskammer der DDR einen Erlass, wonach Ortschroniken zu führen seien.
  • 1990: Nach der Wende ist das Verfassen und die Pflege von Ortschroniken in den ostdeutschen Bundesländern oftmals der Aufgabenbereich von ABM-Kräften.

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MDR (Carina Emig, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. September 2023 | 19:00 Uhr

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