Richtungsstreit SPD-Vorstandskandidatin: Partei ist "zu links"
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09. August 2024, 18:50 Uhr
Ein offener Brief von 16 Mitgliedern fordert einen Wechsel im Landesvorstand und einen neuen Kurs. Auf einer Regionalkonferenz wurde lebhaft, aber ergebnislos diskutiert. Doch schon einen Tag später sorgen Personalvorschläge und inhaltliche Neuakzentuierungen für frischen Wind. Besonders Elrid Pasbrig, bislang eher in der zweiten Reihe der Landtagsfraktion, tritt ins Rampenlicht und fordert einen Kurswechsel zur Mitte hin.
- Elrid Pasbrig fordert Kurswechsel zur Mitte: Die Partei wäre zu weit nach Links gedriftet.
- Kritik der Jusos an Pasbrigs Positionen insbesondere beim Bürgergeld und dem Krieg in der Ukraine.
- Rückdeckung aus Gardelegen von einer weiteren Kandidatin für den Vorstand.
Nach einem offenen Brief von 16 SPD-Mitgliedern mit dem Ruf nach einem neuen Landesvorstand und einem Richtungswechsel hat sich am Mittwochabend die Partei zu einer ersten internen Regionalkonferenz getroffen. Einige Teilnehmende berichten von einer lebhaften Debatte, am Ende wie geplant: Kein Ergebnis, sondern nur der Austausch. Einen Tag später überraschen jedoch die Verfasserinnen und Verfasser des offenen Briefes mit Personalvorschlägen und neuen inhaltlichen Schwerpunkten.
SPD zu links?
Elrid Pasbrig ist in der aktuellen SPD-Landtagsfraktion eher in der zweiten Reihe, auch wenn die Fraktion mit neun Sitzen insgesamt nicht die größte ist. Im Fokus stand die 1974 geborene Zerbsterin bis jetzt nicht. Als ehemalige Referentin von Wissenschaftsminister Armin Willingmann ist sie seit 2021 Mitglied des Landtags und will nun sogar als Landesvorsitzende der Partei Juliane Kleemann ablösen.
Und sie macht sich gleich mit Bundesthemen einen Namen: "Mir ist die SPD zu weit nach links gerückt, wir gehören mehr in die Mitte," sagt sie im MDR SACHSEN-ANHALT-Interview. Diese Kurskorrektur untermauert sie auch inhaltlich: "Wir haben einen Zustand in der Gesellschaft, wo der Wohlstand schon da ist, wir haben aber Angst, dass wir ihn verlieren. Aber wir verloddern auch ein Stück weit. Viele haben gar nicht mehr vor Augen, was ihr Beitrag zur Gesellschaft sein kann."
Pasbrig spielt damit auf Sanktionen beim Bürgergeld an. Aber auch beim Krieg in der Ukraine wünscht sie sich wieder offenere Diskussionen. "Uns ist klar, der Krieg muss enden. Aber wir werden natürlich das Problem hier in Sachsen-Anhalt nicht lösen. Wir müssen jedoch dieses Meinungsspektrum auch zulassen."
Jusos im Land kritisieren Pasbrig
Den Rückhalt der eher linksorientierten Jusos kann Pasbrig inhaltlich nicht hinter sich vereinen: "Ich glaube fest, dass eine SPD 4.0 nicht aus einer Personaldebatte entsteht, sondern aus neuen Ideen und neuen Perspektiven," sagt Juso-Landeschef Niklas Gerlach gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT.
Deutlicher wird er in einem Schreiben, das dem MDR vorliegt und an den Landesvorstand gerichtet ist: "Im Zusammenhang des Briefs von Unterstützer:innen wird die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg infrage gestellt. Auch hier erkennen wir eine Anbiederung an einen Diskurs wieder, der von AfD und BSW geprägt wird. Deshalb wollen wir auch an dieser Stelle festhalten: Wir stehen an der Seite der Ukraine in ihrem Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit."
Dies weist Pasbrig jedoch zurück. Sie habe mit ihren Stellungnahmen klargemacht, dass sie zum einen ihre Meinung hier vertritt und zum anderen wisse sie, dass Russland der Aggressor ist. Ebenso will sich die Kandidatin für den Landesvorstand nicht in die inhaltliche Nähe zum Bündnis Sahra Wagenknecht rücken lassen.
Rückendeckung aus Gardelegen
Ebenfalls für den Landesvorstand kandidieren will Mandy Schumacher, Bürgermeisterin aus Gardelegen. Für sie war die Kommunalwahl ausschlaggebend, den offenen Brief zu unterschreiben: "Für alle, die unterschrieben haben, war die Kommunalwahl quasi noch mal eine Zäsur. Also ich war auch tief erschüttert und emotional richtig berührt."
Für sie gibt sich die SPD zu sehr in der Koalition auf, setzt zu wenig eigene Akzente: "Ich finde nicht, dass man eine Koalition unbedingt immer unter allen Umständen aufrechterhalten muss. Es gibt einfach Punkte, da könnte man sagen, bis hierher und nicht weiter. Klare Kante zu Themen zu haben, auch wenn es mal wehtut."
Mit ihr sind weitere Kandidaten im Gespräch, wie der ehemalige Wirtschaftsminister Jörg Felgner, Kreisvorsitzende Alexandra Hansen aus der Börde, Kay Gericke – Kreisvorsitzender im Jerichower Land – und Alexander Kleine aus Klötze.
SPD diskutiert am Montag erneut über Inhalte
Die zweite sogenannte Regionalkonferenz soll am Montag in Halle den Mitgliedern die Gelegenheit geben, die brennenden Themen der Partei weiter zu diskutieren. Für Igor Matviyets aus Halle ein Grund mit seiner Partei zu streiten: "Leider ist aber auch das Führungsduo in den vergangenen Jahren nicht durch Sichtbarkeit nach außen aufgefallen. Den Menschen in Sachsen-Anhalt bewusst machen, dass die SPD dieses Land mit eigenen Ideen und klaren Werten gestalten will, muss offensichtlich die Basis übernehmen."
Aber auch für Pasbrig gibt es keine warmen Worte: "Inhaltlich fehlt mir auch bei Elrid der Bezug zur Landespolitik und damit sich konkret zu den Menschen vor Ort. Nach 'oben' schimpfen und mit dem Finger auf Berlin zeigen, können wir der AfD und dem BSW überlassen. Die sind nämlich an echten Verbesserungen für die Menschen nicht interessiert", meint Matviyets.
Für Pasbrig hingegen geht jetzt über die Regionalkonferenzen hinweg die Arbeit erst los. Sie weiß um ihren Bekanntheitsgrad in der Partei und will sich nun quer durch Sachsen-Anhalt bei den Ortsvereinen der Partei vorstellen.
MDR (Lars Frohmüller, Doreen Jonas)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. August 2024 | 13:00 Uhr
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