Trinkwasser in Sachsen-Anhalt Wasserwerk Wienrode: Neue Herausforderungen durch Klimawandel
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25. Juli 2023, 10:33 Uhr
Mit Wasser aus der Rappbodetalsperre werden Millionen Menschen in Mitteldeutschland versorgt. Durch den Klimawandel ist die Arbeit im Wasserwerk Wienrode beeinträchtigt. Es gibt neue Ansätze, das Problem zu bewältigen.
- Der Harz ist das größte Trinkwassereinzugsgebiet Deutschlands.
- Die Klimakrise ist auch für Trinkwasser eine Bedrohung: Seit 2007 hat das Wasserwerk Wienrode Probleme mit verschmutztem Wasser.
- Was tun in Zukunft? Wasserexperten stehen vor großen Herausforderungen, sind aber zuversichtlich.
Das frische Wasser aus dem Wasserhahn in der Küche, das Wasser aus der Dusche, das den Start in den Tag erleichtert und das Wasser in der Toilette: In allen Beispielen handelt es sich um Trinkwasser.
Bevor das Wasser zu Hause aus der Leitung kommt, hat es aber einen langen Weg hinter sich. Ein riesiges Trinkwasserreservoir liegt quasi vor unserer Haustür: Im Harz befindet sich das größte Trinkwassereinzugsgebiet Deutschlands.
Blaues Gold vor der Haustür
Nur acht Grad, blaues Licht und jede Menge Wasser: Das beschreibt das Innere eines der wichtigsten Wasserwerke in Ostdeutschland. Das Wasserwerk in Wienrode versorgt halb Mitteldeutschland mit Trinkwasser. Dieses wird hier sorgfältig gereinigt und gefiltert. Es kommt direkt aus der benachbarten Rappbodetalsperre.
In meterdicken Sandfiltern wird zusammen mit komplizierter Chemie aus dem Rohwasser alles herausgefiltert, was man nicht in seinem Wasserglas haben möchte: Algen, Tierreste, Bakterien, Giftstoffe. Je verschmutzter das Wasser, desto schwieriger und teurer wird die Aufarbeitung. An dieser komplizierten Reinigung des Wassers führt kein Weg vorbei, denn Trinkwasser unterliegt strengen Auflagen und Kontrollen.
Trinkwasser für Millionen Menschen
Seit 1965 liefert das Wasserwerk Wienrode Trinkwasser für Millionen von Menschen. Damit das so bleibt, muss wegen der Klimakrise ein immer größerer Aufwand betrieben werden. Im Wasserwerk Wienrode sind dafür Marco Matthes und sein Team im Einsatz.
Aber wir sind weit davon entfernt, nur eine Krise zu haben, sondern wir machen einen richtigen Wechsel.
Marco Matthes, der Leiter des Wasserwerks Wienrode erklärt: "Man spricht immer von einer Klimakrise, aber wenn man das genau auseinander klamüsert, dann ist es keine Krise: 'Krise' ist ein vorübergehender Zustand. Aber wir sind weit davon entfernt, nur eine Krise zu haben, sondern wir machen einen richtigen Wechsel. Wir springen jetzt in ein System rein, wo das Klima sich viel, viel schneller wandelt, als wir uns daran anpassen können."
Dürre, Orkan, Baumsterben – Klimawandel bedroht Trinkwasserqualität
Früher bestand das Einzugsgebiet des Wasserwerks zu 80 Prozent aus Wald. Heute sind es nur noch um die zehn Prozent. Das Baumsterben im Harz wirkt sich auch auf die Qualität des Trinkwassers aus. Das Ausmaß dieser Einflüsse haben selbst Experten unterschätzt.
Dazu erklärt der für das Klima-Monitoringprogramm verantwortliche Wissenschaftler Karsten Rinke: "Mir haben schon vor zehn Jahren Kollegen aus der Türkei erzählt, dass bei denen die Flüsse austrocknen und die Seen verschwinden, aber ich habe gedacht: 'Das wird bei uns nicht passieren.' Aber das stimmt nicht."
Huminstoffe verunreinigen das Wasser
Von einem auf den anderen Tag standen die Wasserexperten im Oktober 2007 plötzlich vor einem Problem: Die Aufbereitung des Wassers funktionierte nicht mehr wie gewohnt. Erst nach Tagen konnte das Team überhaupt die Ursache feststellen und entsprechende Lösungen einleiten.
Orkan Kyrill, der im Januar 2007 ganz Deutschland verwüstete, hatte auch das Biosystem im Harz verändert. Der Regen spülte eine Art Bioschlamm in das Talsperrensystem. In der Talsperre befand sich nicht mehr nur Rohwasser, sondern waren auch Reste von toten Bäumen, vermoderte Blätter und alte Wurzeln. Das sind sogenannte Huminstoffe – und diese machen das Wasser braun, gelb und dreckig. Durch die Braunstoffe ist der Desinfektionsprozess des Wassers gestört. Sie müssen entfernt werden. Ein Problem über Nacht, welches aber auch die Zukunft prägen wird.
Marco Matthes und Forscher Karsten Rinke erinnern sich an diese schwierigen Tage und erzählen in der MDR-Reportage "Toter Wald, blaues Gold – Die Wasserretter im Harz" von ihrem Kampf um gutes Trinkwasser.
Monitoringprogramme und Frühwarnsysteme
Um sich an den Klimawandel anzupassen und eine optimale Wasserqualität zu garantieren, verfügt das Wasserwerk schon jetzt über verschiedene Stellschrauben. Bereits vor zehn Jahren begann Umweltforscher Karsten Rinke im Rahmen eines europäischen Klima-Monitoringprogramms ein Netz von Messstationen im Harz einzurichten. So können Huminstoffe im Wasser frühzeitig erkannt werden und das Wasserwerk kann sich vorbereiten. Frühwarnsysteme sind auch in der Elbe Mittel, um auf die Wasserverschmutzung zu reagieren. "Es hilft ja manchmal schon, einfach nur zu wissen, was kommt. Selbst wenn man es nicht verhindern kann, hilft es trotzdem, eine Vorwarnzeit zu haben", sagte Rinke.
Es hilft ja manchmal schon, einfach nur zu wissen, was kommt.
Zudem soll ein neues System an der Staumauer auf der Wasserseite installiert werden – eine Art riesiger Rüssel. Dieser soll helfen, unreines Wasser gezielt aus dem Becken zu entnehmen. So könnten mit Huminstoffen verseuchte Schichten aus der Rappbodetalsperre abgesaugt werden.
Es braucht einen intakten Wald für gutes Wasser
Zuletzt sollte eines nicht vergessen werden: Eine gesunde Umgebung ist essenziell für eine gute Wasserqualität. Das Team von Marco Matthes hilft deshalb auch bei der Aufforstung des Harzes.
Die Trockenheit macht das Anpflanzen neuer Bäume jedoch schwer. Laut Matthes muss der Wald im Harz mindestens eineinhalb Mal aufgestockt werden, um auch die neuen Verluste auszugleichen.
Es ist extrem unwahrscheinlich, dass wir unter den jetzigen Voraussetzungen nicht mehr in der Lage sind, Wasser zu liefern.
Sorge, dass in naher Zukunft kein Wasser mehr aus dem Harz kommt, muss aber niemand haben. Matthes blickt zuversichtlich in die Zukunft und beruhigt: Wir haben auf jeden Fall genug Wasser. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass wir unter den jetzigen Voraussetzungen nicht mehr in der Lage sind, Wasser zu liefern.
MDR (Dirk Schneider, Christin Rüdebusch) | Erstmals veröffentlicht am 18.07.2023
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke wo du lebst | 25. Juli 2023 | 21:00 Uhr