Jubiläum Die Rappbodetalsperre: 65 Jahre Ingenieurskunst und Geschichte
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16. September 2024, 11:15 Uhr
Die Rappbodetalsperre, seit 65 Jahren ein technisches Meisterwerk, spielt eine Schlüsselrolle in der Trinkwasserversorgung, dem Hochwasserschutz und der Energiegewinnung in Mitteldeutschland. Seit ihrer Einweihung am 3. Oktober 1959 hat sie sich als unverzichtbare Infrastruktur bewährt. Zum Jubiläum erstrahlt sie mit beeindruckenden Schmetterlings-Grafitti des Künstlers Klaus Dauven.
Die Rappbodetalsperre ist keine gewöhnliche Staumauer. Sie bildet das gigantische Herz eines ganzen Systems. Mit den Hassel- und Rappbode-Vorsperren sowie dem Hochwasser-Schutzwall bei Mandelholz und der Überleitungssperre Königshütte sind der Rappbodetalsperre vier Stauseen vorgelagert. Überleitungssperre deshalb, weil sie über einen zwei Kilometer langen Stollen direkt mit der Rappbodetalsperre verbunden ist. Ihr nachgelagert schließt sich die Wendefurther Talsperre an.
Ein feierlicher Start: Die Übergabe der Talsperre
Dieser Tage feiert die Rappbodetalsperre ihren 65. Geburtstag. Am 3. Oktober 1959 wurde sie feierlich ihrer Bestimmung übergeben. Als Mitarbeiterin in der Oberbauleitung Bodewerk hat Bärbel Weigelt diesen Tag miterlebt. "Bei wunderschönem Wetter war die Mauer schon am frühen Morgen voller Menschen, es spielte Musik und alle waren fröhlich", erinnert sich die Blankenburgerin. Und es sei zu jener Zeit schon eine gewaltige Menge Wasser angestaut worden, erzählt die rüstige Dame mit begeisternder Stimme. Auch heute noch empfindet sie Freude darüber, dass für die Flutung des Tals "keine Dörfer geopfert werden mussten. Da gab es nichts, außer einer Straße von Rübeland nach Hasselfelde." Und die führe ja nun direkt über die Staumauer.
Frühe Pläne und Hindernisse
Erste Pläne für eine Bode-Talsperre gibt es bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts – etwa für den Bau einer Staumauer bei Thale. Diese Idee wird jedoch verworfen, hätten doch die Orte Treseburg und Altenbrak überflutet werden müssen. Und das einzigartige Bodetal – heute ein Tourismusmagnet – wäre auch unwiederbringlich verloren.
Der Bau der Rappbodetalsperre: Ein Mammutprojekt
Konkrete Pläne für die heutige Staumauer der Rappbodetalsperre reifen dann in den 1930er-Jahren, die schließlich in bauvorbereitende Maßnahmen münden wie Erdaushub, das Einrichten von großen Kränen und Betonier-Anlagen sowie eines Steinbruchs und Unterkünften für Bauarbeiter. Kriegswirtschaftliche Gründe erzwingen 1942 einen Baustopp.
Nachkriegszeit und DDR: Wiederaufnahme der Bauarbeiten
Im Wiederaufbauprogramm in der sowjetischen Besatzungszone spielt das Bauvorhaben der Rappbodetalsperre eine große Rolle: Trink- und Nutzwasserversorgung, Hochwasserschutz, Energiegewinnung sind die zentralen Punkte. Und so wird am 1. September 1952 der Grundstein für die gigantische Staumauer gelegt. Das Bollwerk wächst in den Folgejahren auf stattliche 106 Meter Höhe, die Breite von 78 Meter an der Sohle verjüngt sich nach oben auf gerade mal 12,5 Meter. Über die 400 Meter lange Krone führt die neue Verbindungstraße zwischen Rübeland und Hasselfelde – die alte verschwindet auf Nimmerwiedersehen im 113 Millionen Kubikmeter fassenden Trinkwasserreservoir.
Die Übergabe der Rappbodetalsperre: Ein Geschenk an die DDR
Am 3. Oktober 1959 wird die Rappbodetalsperre ihrer Bestimmung übergeben – quasi als "Geschenk" zum 10. Geburtstag der DDR am 7. Oktober.
Ein technisches Wunderwerk im besten Zustand
Heute, 65 Jahre später, gehe die Rappbodetalsperre keineswegs in Rente, klopft ihr Burkhard Henning sinnbildlich auf die Schulter. Der Chef des Talsperrenbetriebes Sachsen-Anhalt und somit 'Hausherr' Deutschlands höchster Staumauer attestiert ihr einen ausgezeichneten Zustand. In Bezug auf ihre Standfestigkeit "ist alles im Lot", das zeigten sensibelste Messgeräte und -punkte am und im Bauch des Bollwerks. Nach der Kronensanierung werde derzeit der verschlissene Grundablass der Talsperre erneuert. Bei laufendem Betrieb sei das eine "Operation am offenen Herzen", beschreibt Henning die komplizierte Maßnahme tief unten bei enormem Wasserdruck. "Das geschieht alles nicht so schnell wie gedacht. Aber Sicherheit geht vor", erklärt der diplomierte Ingenieur für Wasserbau und Wasserwirtschaft. Im kommenden Jahr, so Hennings Prognose, werde im Zuge des neuen Grundablasses ein neues Schieberhaus auf einem Felsvorsprung unterhalb der Staumauer errichtet.
Kritische Infrastruktur und stetige Wartung
Trinkwasserversorgung für Millionen Menschen in Mitteldeutschland, Hochwasserschutz, Energiegewinnung – die Rappbodetalsperre gehört zweifelsohne zur kritischen Infrastruktur. Ihr Erhalt hat einen sehr hohen Stellenwert und kostet viel Geld. Im Prinzip wird sie permanent gewartet und instandgesetzt. "Das muss auch zukünftig gewährleistet sein", sagt Ministerpräsident Reiner Haseloff beim Festakt zum Staumauer-Jubiläum.
Ein kunstvolles Geschenk: Schmetterlinge von Klaus Dauven
Ihr ganz emotional gestaltetes Geburtstagsgeschenk hat die Grande Dame schon im Frühsommer bekommen. Seitdem zieren riesige Schmetterlinge des Reverse-Graffiti-Künstlers Klaus Dauven die Luftseite der Staumauer. Die ‚Kleinen Eisvögel‘ gäben ihr etwas Lebendiges, schwärmt Bärbel Weigelt. Ihr ganzes Arbeitsleben hat sie bis 2004 beim Talsperrenbetrieb verbracht und zu Beginn die Einweihung der Rappbodetalssperre leibhaftig miterlebt. Auch 65 Jahre später kann sie nicht einfach loslassen. Mit Familie und Freunden zieht es sie immer wieder – und gerade jetzt – zur Staumauer. "So etwas Schönes wie die überdimensionalen Schmetterlinge habe ich noch nie gesehen."
MDR (Swen Wudtke) | Erstmals veröffentlicht am 14.09.2024
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL I Das Nachrichtenradio | 13. September 2024 | 21:50 Uhr