"Frechheit und Hohn" Lungenklinik Ballenstedt: Ärzte schreiben offenen Brief an den Landrat

09. November 2023, 11:53 Uhr

Nachdem Landrat Thomas Balcerowski (CDU) Ärztinnen und Ärzte der insolventen Lungenklinik Ballenstedt für das Scheitern des Umzugs nach Quedlinburg mitverantwortlich gemacht hat, wehren sich die Beschuldigten in einem offenen Brief und sprechen von "Hohn und Frechheit".

Die Ärztinnen und Ärzte der insolventen Lungenklinik Ballenstedt weisen den Vorwurf zurück, für den gescheiterten Umzug nach Quedlinburg verantwortlich zu sein. In einem offenen Brief an Landrat Thomas Balcerowski (CDU) heißt es, ihnen monetäre Interessen als Grund für das Scheitern des Umzugs zu unterstellen, sei ein Hohn und eine Frechheit.

Balcerowski hatte vergangene Woche gesagt, der Umzug sei am Weggang vieler Ärztinnen und Ärzte gescheitert. Er müsse akzeptieren, wenn es für sie anderswo lukrativer sei. Ohne Fachärzte könne aber keine Klinik betrieben werden. Balcerowski ist Aufsichtsratschef des Harzklinikums, das Träger der Lungenklinik ist.

Thomas Balcerowski
Landrat Thomas Balcerowski (CDU) hatte Ärztinnen und Ärzte für das Scheitern des Umzugs der Lungenklinik Ballenstedt nach Quedlinburg mitverantwortlich gemacht. Bildrechte: MDR/Olga Patlan

Fehlende Integration und finanzielle Schieflage

Von den Ärztinnen und Ärzten heißt es, sie seien immer bereit gewesen, an der Integration am Standort Quedlinburg mitzuarbeiten. Alle Abteilungen hätten dazu über Monate ein Konzept erarbeitet. Allerdings habe sich immer mehr gezeigt, dass die Integration nicht gewollt sei. So hätten die für die Umsetzung betrauten Verantwortlichen des Harzklinikums die Strukturen nicht gekannt. Auch für die finanzielle Schieflage ihrer Klinik werden der Träger, aber auch die Politik mitverantwortlich gemacht.

Nach einer Standortzusage durch die Politik bis 2030, habe man in den vergangenen Jahren ohne öffentliche Fördergelder umfassend investiert. So sei eine Reha-Station für schwerstkranke Lungenpatienten aufgebaut worden. Die hohe Nachfrage aus ganz Deutschland habe gezeigt, dass man diese Kapazität hätte erweitern können. Leider seien aber Doppelstrukturen in der regionalen stationären Versorgung nicht abgebaut worden. Auch das hätte zu einer besseren Auslastung der Lungenklinik beitragen können. Die politische Zielsetzung sei offenbar eine andere gewesen. Dafür spreche auch, dass nachweislich bereits im Dezember vergangenen Jahres ein seriöses Kaufinteresse für die Lungenklinik vorgelegen habe, das aber ignoriert worden sei. "Alles, was in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut wurde, fiel dem Rotstift zum Opfer", heißt es im offenen Brief.

Mangel an politischem Willen?

Die Tatsache, dass der Landkreis nach der Insolvenz der Lungenklinik dem Harzklinikum einen Kredit über 6,5 Millionen gewährt habe, zeige, dass man die Versorgung hätte sichern können. Offenbar fehle aber auf Landkreis- und Landesebene der politische Wille dazu. Dass unter diesen Umständen immer weniger Mitarbeitende bereit seien, den Weg weiterzugehen, sei nur verständlich.

Der vorläufig eingesetzte Geschäftsführer der Lungenklinik, Georg Bernsau, hält einen Weiterbetrieb der Klinik Ballenstedt dennoch für möglich. Es gebe mehrere Interessenten. Bis Ende des Jahres solle darüber entschieden werden. Das Harzklinikum betreibt Kliniken in Quedlinburg, Wernigerode, Blankenburg und Ballenstedt.

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MDR (Marcel Knop-Schieback, Michel Holzberger, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. November 2023 | 10:00 Uhr

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