Frauenselbsthilfe Krebs "Wir tragen die Last gemeinsam" – an Krebs erkrankte Frauen wandern durch den Harz

13. Mai 2023, 08:13 Uhr

Bereits seit zehn Jahren trifft sich eine Gruppe von Frauen zum gemeinsamen Wandern im Harz – für eine Woche, in jedem Jahr. Die Wanderinnen eint ein Schicksal: Sie alle waren oder sind an Krebs erkrankt. Eine Geschichte über die Kraft des Miteinanders.

Als Elke Naujokat die alten Bilder auspackt, beginnt das Schwelgen in Erinnerungen. Kein Wunder, denn was haben die Frauen nicht schon alles zusammen erlebt: Bis auf den Brocken sind sie gewandert. Sie haben viele gemeinsame Momente geteilt, hunderte Kilometer bewältigt, sich gegenseitig Kraft gegeben. Und das alles auch, um anderen Mut zu machen.

Denn sie alle eint ein Schicksal: Sie waren oder sind an Krebs erkrankt. Seit zehn Jahren treffen sie sich nun schon, um für eine Woche im Jahr gemeinsam zu wandern. Bislang durch den Harz, diesmal durch den Huy.

"Unsere Botschaft an alle an Krebs erkrankten Frauen ist klar", sagt Elke Naujokat, 67 Jahre alt und 16 Jahre lang Landesvorsitzende der Frauenselbsthilfe Krebs Sachsen-Anhalt. "Du darfst dich nicht aufgeben, musst dir Ziele setzen im Leben und dir selbst sagen: 'Das Leben ist schön und ich kann noch etwas erreichen.' Und wenn es nur kleine Schritte sind. Aber es sind Schritte, die man bewältigt hat."

Wir tragen diese Last gemeinsam. Weil wir alle betroffen sind. Weil wir alle wissen, was diese Erkrankung mit Menschen machen kann.

Elke Naujokat, Organisatorin

Seit zehn Jahren gemeinsam auf Wanderschaft

So auch an diesem Montag im Mai. Eine kurze Etappe zum Wochenstart. Drei Kilometer vom Kloster Huysburg zum Röderhofer Teich. Die jährliche Wanderung ist längst Tradition bei den Frauen. Geboren wurde die Idee vor zehn Jahren in der Frauenselbsthilfe Krebs Sachsen-Anhalt.

Naujokat und einige weitere Mitstreiterinnen übernahmen die Organisationen. Und sie blieben dran. Jedes Jahr wanderten die Frauen gemeinsam – auch während der Corona-Pandemie.

"Wir sind stolz, dass wir das durchgehalten haben. Das ist das Wichtigste", sagt Elke Naujokat und freut sich beim Blick auf die Wandergruppe: "Wir sind diesmal 24 Frauen. Das ist bislang die Höchstzahl."

Manche Erinnerungen tun weh

Fast alle Teilnehmerinnen der ersten Stunde sind dabei geblieben, neue haben sich dazu gesellt. Naujokat, die 2002 an Brustkrebs erkrankte und sich danach in der Frauenselbsthilfe Krebs engagierte, stockt kurz, als sie über die anderen Frauen in der Gruppe spricht. Manche Erinnerungen tun weh.

"Wir hatten eine Teilnehmerin aus Halle, die auch während ihrer Chemotherapie unbedingt mitwandern wollte. Zweimal war sie dabei. Dann ist sie leider verstorben", erzählt Elke Naujokat mit gesenktem Blick, der sich rasch jedoch wieder aufrichtet, denn: "Wir haben gespürt, dass ihr die Zeit bei uns in der Gruppe während der Wanderschaft Kraft gegeben hat."

Kontakt zur Frauenselbsthilfe Krebs

Die "Frauenselbsthilfe Krebs" ist eine Selbsthilfe-Organisation, die sich für an Krebs erkrankte Menschen einsetzt. Sie wurde 1976 gegründet und unterstützt hauptsächlich Menschen mit Brustkrebs und gynäkologischen Krebserkrankungen. Auch für Männer mit Brustkrebs wird ein Netzwerk angeboten.

Unter dem Motto "Auffangen – Informieren – Begleiten" bietet die Organisation unter anderem eine telefonische Beratung sowie ein Internetforum und Selbsthilfegruppen für Erkrankte und ihre Angehörigen an. Gruppen in Mitteldeutschland finden Sie hier.

So eine Gemeinschaft wie unsere ist für mich unheimlich viel wert.

Brigitte Sindermann, Organisatorin

Betroffene helfen Betroffenen

Wer die Frauen durch den Wald wandern sieht, der versteht schnell, dass es um mehr als nur das Wandern geht. Natürlich: "Sport ist förderlich für an Krebs erkrankte Menschen", sagt Elke Naujokat, aber weit wichtiger: "Es bringt uns zusammen."

Neben ihr wandert Brigitte Sindermann – 81 Jahre alt, ebenfalls eine der Organisatorinnen, von Anfang an dabei. 2001 erkrankte sie das erste Mal an Brustkrebs, 2016 ein weiteres Mal. Ein Schock für alle in der Wandergruppe.

"Wir tragen diese Last dann gemeinsam", sagt Elke Naujokat. "Weil wir alle betroffen sind. Weil wir alle wissen, was diese Erkrankung mit Menschen machen kann und mit uns auch schon gemacht hat. Weil nur Betroffene so emotional darüber reden und sich gegenseitig Kraft geben können."

Brigitte Sindermann nickt: "Die Gemeinschaft macht es aus. Ich bin auch nach meiner zweiten Erkrankung dabei geblieben und habe das alles gemeistert und auch dank unserer Gemeinschaft weggesteckt. Mein Mann ist an Krebs verstorben. So eine Gemeinschaft wie unsere ist für mich auch deshalb unheimlich viel wert."

Grenzen überschreiten

Zwischen den Frauen sind Freundschaften entstanden. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Regionen Sachsen-Anhalts. Elke Naujokat beispielsweise aus Jessen, Brigitte Sindermann aus Quedlinburg. Zum Wandern finden sie sich zusammen. Brigitte Sindermann sagt: "Jede von uns spürt immer wieder das Bedürfnis, dabei zu sein."

Und die Frauen nehmen Rücksicht aufeinander. "Bei uns bestimmen die Schwächsten das Tempo der Gruppe", erklärt Elke Naujokat. Um Schnelligkeit geht es ohnehin nicht. Sondern darum, Grenzen zu überschreiten. "Das können körperliche Grenzen sein, emotionale Grenzen oder kommunale Grenzen", sagt Naujokat über das Motto der Wanderschaft.

Dabei genießen die Frauen die Kraft des Miteinanders. Denn Naujokat sagt im Blick zurück: "Ich hatte damals nicht wirklich Hilfe, als ich meine Diagnose bekommen habe. Ich musste mich weitestgehend alleine damit auseinandersetzen, weil ich gemerkt habe, dass es meine Familienmitglieder noch schwerer belastet als mich."

So würde es auch anderen Frauen gehen. Umso wichtiger seien für manche die Begegnungen, die Aktionen der Frauenselbsthilfe Krebs. Deshalb sagt Elke Naujokat auch: "Für mich ist es jedes Mal eine Freude, wenn wir uns treffen."

Gemeinsam auf den Brocken

Angekommen am Ziel, dem Röderhofer Teich, schwelgen die Frauen noch einmal in Erinnerungen. Die Bilder aus zehn Jahren gemeinsamer Wanderschaft erzeugen Emotionen. "Ach", sagt Brigitte Sindermann, "damals hatte ich dieselbe rote Jacke an wie heute." Die Gruppe lacht.

Die Frauen schauen auf das Gruppenfoto auf dem Brocken. "Damals sahen wir alle noch zehn Jahre jünger aus", sagt eine Teilnehmerin. Kein Wunder: Der Brocken-Aufstieg ist ja auch wirklich schon fast zehn Jahre her. 2014 war das.

Und fest steht für die Frauen nach dem Jubiläum schon jetzt: Sie wollen sich im nächsten Jahr wiedersehen – und gemeinsam auf Wanderschaft gehen.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 13. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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