Einsatzfahrzeug der Polizei fährt mit Blaulicht
Die Landespolizei in Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen Jahren immer wieder von Skandalen erschüttert worden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / Maximilian Koch

Rechtsextremismus, Korruption und fehlende Asservate Lange Liste von Skandalen in der Landespolizei wirft Fragen über Führung der Behörden auf

06. Februar 2025, 07:59 Uhr

Am Donnerstag beschäftigt sich der Innenausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt erneut mit dem Verlust einer Dienstwaffe – doch die Chronik der Probleme innerhalb der Landespolizei ist lang. Korruption, rechtsextreme Chats, Polizeigewalt, verschwundene Asservate und Datenmissbrauch werfen seit Jahren Fragen über die Führung der Behörde auf.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
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  • Steigende Zahlen: 2022 wurden 187 Verfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Dienst geführt.
  • Unangemessener Film zum Frauentag: Auf einer Polizeiveranstaltung in Stendal wurde ein fragwürdiger Film gezeigt.
  • Eine Frau wurde 2023 in Bad Lauchstädt getötet, obwohl die Polizei frühzeitig Hinweise auf eine Bedrohung hatte.

MDR SACHSEN-ANHALT fasst in einer Chronik die Polizeiskandale der laufenden Legislaturperiode zusammen.

Gewalt und Fehlverhalten im Dienst: Ermittlungen auf Rekordniveau

Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte steigt: Waren es 2019 noch 90 betroffene Beamte, gab es 2022 schon 187 Verfahren wegen Körperverletzung im Dienst – allein 42 mehr als 2021. Ein besonders schwerer Fall in Weißenfels sorgte 2022 für Aufsehen: Drei MEK-Beamte misshandelten bei einer Festnahme einen Verdächtigen, zwei erhielten Bewährungsstrafen, einer eine Geldstrafe.

Stichwort: MEK Das Mobile Einsatzkommando – kurz: MEK – hat nach Angaben des Bundeskriminalamts verschiedene Aufgaben. Dazu zählen unter anderem die Erkundung möglicher Tatorte, Observationen, die Sicherung verdeckter Ermittler oder aber die Beobachtung der Anlaufpunkte terroristischer Gruppen.

Auch der alltägliche Umgang mit Opfern von Hasskriminalität sorgte für Empörung: Als Betroffene 2022 Anzeigen in Magdeburg erstatten wollten, wurden sie mit der Bemerkung "Vielleicht mal beim Verbraucherschutz nachfragen?" abgewimmelt. SPD-Innenexperte Rüdiger Erben sprach von einem "bundesweiten Image-Schaden".

Vermeintlich rechtswidrige Chats und fragwürdige Liebespost

Immer wieder geraten Polizisten durch vermeintlich rechtsextreme Äußerungen in die Kritik. 2023 wurden mehr als 5.000 Nachrichten mit zum Teil antisemitischen, rassistischen und gewaltverherrlichenden Nachrichten an der Polizeihochschule entdeckt. Innenministerin Zieschang erklärte: "Dieses Verhalten und insbesondere die Inhalte des Chats, die mit der Pflicht zur Verfassungstreue nicht zu vereinbaren sind, werden von mir und der gesamten Landespolizei nicht toleriert." Dennoch blieben acht der beteiligten Beamten im Dienst, sogar mit Beamtenstatus auf Lebenszeit. Der Dienstherr unterlag bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zur Entlassung der Beamten.

Auch zwei Personenschützer des Ministerpräsidenten wurde 2023 vom Dienst suspendiert, nachdem sie in Chats den Nationalsozialismus verharmlost hatten. Das Verfahren gegen sie wurde jedoch eingestellt, da die Inhalte verjährt waren.

Ein Fall von 2021 sorgte bereits für Aufsehen: Eine Polizeischülerin aus Dessau-Roßlau schrieb Liebesbriefe an den Attentäter von Halle. Grünen-Innenexperte Sebastian Striegel stellte die Frage, wie eine solche Person das Bewerbungsverfahren durchlaufen konnte. Die Beamtin trat schließlich freiwillig aus dem Dienst aus.

Korruption, Datenmissbrauch und verschwundene Gelder

Neben Gewalt und rechtsextremen Netzwerken sind auch Korruptionsfälle dokumentiert: 2023 verschwanden 13.000 Euro aus einem Polizeirevier im Salzlandkreis, in Stendal steckten Beamte Bußgelder in die eigene Tasche oder nahmen "Schmiergelder für die Kaffeekasse" entgegen. Ein Polizist wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

Auch mit sensiblen Daten wird teils fahrlässig umgegangen: Seit 2020 führten 24 Beamte illegale Datenbankabfragen durch. 2021 wurden zudem 42.000 Ermittlungsakten irrtümlich gelöscht – darunter Lichtbilder und Personenbeschreibungen. Erst ein Backup des Bundeskriminalamts konnte die Daten retten.

Sexismus in der Polizei

Im März 2024 – am Frauentag – wurde auf einer Polizeiveranstaltung in Stendal der Film "In guten Händen" gezeigt, der die Erfindung des Vibrators thematisiert. Beamtinnen verließen empört die Veranstaltung. Der Fall wurde im Landtag diskutiert, SPD-Politiker Erben sagte dazu: "Die Leute, die das veranlasst und die Vorgesetzten, die das geduldet haben, müssen sich fragen lassen, ob sie noch alle Latten am Zaun haben."

Kurz darauf wurde der Revierleiter des Polizeireviers Harz suspendiert. Über die genauen Hintergründe hält sich das Innenministerium bedeckt, doch Medien berichten von möglichen Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Fehlende Kontrolle über Waffen und Munition

2024 veröffentlichte de Landesrechnungshof einen brisanten Bericht über massive Missstände in der Waffenverwaltung der Polizei. 274 Waffen, die eigentlich vernichtet werden sollten, tauchten nicht mehr auf. Dafür tauchten Asservate im Privatbesitz von Polizisten auf. Zudem lagerten im LKA über 220.000 Schuss Munition – ein Vielfaches dessen, was andere Bundesländer besitzen.

"Nach unserer Auffassung müssen in diesem sensiblen Bereich höchste Sorgfalts- und Kontrollpflichten gelten, um die Sicherheit der Bediensteten sowie der Waffen und der Munition zu gewährleisten", erklärte Rechnungshofpräsident Kay Barthel.

Besonders brisant: Im Januar 2025 wurde bekannt, dass eine Glock 46 – die Standardwaffe der Landespolizei – mit zwei Magazinen bei einem Umzug der Polizeiinspektion Magdeburg verschwand.

Versagen bei Gewaltschutzfällen

Auch im Bereich häuslicher Gewalt gab es schwere Fehleinschätzungen. Im März 2023 wurde eine Frau in Bad Lauchstädt von ihrem Partner getötet, obwohl es Hinweise auf eine Bedrohung durch Schusswaffen gab.

Innenministerin Zieschang kündigte eine umfassende Aufklärung an, doch später musste ihr Ministerium Fehler einräumen: "Das Polizeirevier Saalekreis hätte seit dem 1. Februar vertieft weiter ermitteln, unbedingt die vorgeschriebene Gefährderansprache umsetzen, eine Gefährdungsanalyse treffen und gewonnene Informationen beweissicher dokumentieren müssen."

An der Spitze des Innenministeriums steht seit 2021 Tamara Zieschang (CDU). Sie war bereits von 2016 bis 2019 Staatssekretärin im Innenministerium unter Holger Stahlknecht und kehrte nach einem kurzen Intermezzo im Bundesverkehrsministerium in leitender Funktion nach Sachsen-Anhalt zurück. Viele der gravierendsten Skandale der vergangenen Jahre fielen in ihre Amtszeit – Probleme, die auch regelmäßig den Innenausschuss im Landtag beschäftigten.

Am Donnerstag beschäftigt sich der Innenausschuss des Landtages mit dem Verschwinden der Glock 46 Standardwaffe der Polizei aus der Polizeiinspektion Magdeburg.

MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. Februar 2025 | 17:00 Uhr

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