Landschaftsaufnahme mit einem Zug, der durchs Bild fährt.
Die Landräte in Sachsen-Anhalt drohen wegen klammer Kassen aus dem Deutschlandticket auszusteigen. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / Arnulf Hettrich

Landkreistag Streit mit dem Land: Landräte drohen mit Ausstieg aus Deutschlandticket

23. August 2024, 14:27 Uhr

Mit einem Ticket mit Bus und Bahn durch Deutschland – das könnte in Sachsen-Anhalt 2025 vorbei sein. Die Landkreise drohen, aus der Finanzierung des Deutschlandtickets auszusteigen. Das würde bedeuten, dass Fahrgäste dann beispielsweise regionale Busse nicht mehr mit der Karte nutzen könnten. Hintergrund ist ein Streit um die Kommunalfinanzen im Land.

Der neue Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) in Sachsen-Anhalt sorgt bei den Landkreisen für Ärger. Wie der Landkreistag am Freitag nach einer Konferenz in Naumburg mitteilte, werfen die Landräte der schwarz-rot-gelben Koalition vor, die Haushaltslage der Kreise schönzurechnen. Ihnen würden unrealistische zukünftige Einnahmen aus der Kreisumlage zugrunde gelegt. Letzten Endes entstünden so in den kommenden beiden Jahren weitere Finanzierungslücken von insgesamt rund 204 Millionen Euro.

Die Landesregierung treibt uns weiter in den Schuldenturm [...].

Götz Ulrich (CDU)

Ulrich: "Fortsetzung des Deutschlandtickets nicht mehr möglich"

Der Präsident des Landkreistages, Götz Ulrich (CDU), sagte, man werde den Kreistagen nun vorschlagen, zum 1. Januar 2025 aus dem Deutschlandticket auszusteigen. Dessen Fortsetzung sei angesichts der in Aussicht gestellten Unterfinanzierung der Landkreise nicht mehr möglich. Ulrich, der Landrat des Burgenlandkreises ist, betonte, die Wahrnehmung der Aufgaben werde ansonsten deutlich eingeschränkt: "Die Landesregierung treibt uns weiter in den Schuldenturm, wir brauchen bis zur erneuten Befassung der Landesregierung mit dem FAG ein deutliches Signal des Umsteuerns."

Ein Mann sitzt an einem Tisch, davor ein Namensschild und ein Mikrofon
Landrat Götz Ulrich fürchtet noch höhere Schulden. Bildrechte: MDR SACHSEN-ANHALT/Marie-Luise Luther

Vizepräsident: Grenze ist überschritten

Vizepräsident Markus Bauer (SPD) ergänzte, die Landkreise hätten die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit überschritten. Der Landrat des Salzlandkreises kündigte an: "Um eine weitere Verschuldung zu vermeiden, muss die Aufgabenwahrnehmung der tatsächlichen Kassenlage angepasst werden.

Freie Stellen können nicht wiederbesetzt werden, Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren können nicht mit der gewohnten Geschwindigkeit betrieben werden, die Sprechzeiten in den Landratsämtern müssen angepasst werden, Berichtspflichten an Landesverwaltungsamt und Landesregierung können nicht mehr fristgerecht wahrgenommen werden. Auch die zeitweise Schließung öffentlicher Gebäude muss in Betracht gezogen werden."

Markus Bauer (SPD), amtierender Landrat des Salzlandkreises spricht im Saal des Kurhauses
Der Landrat des Salzlandkreises, Markus Bauer, bemängelt, die Kreise könnten ihre Aufgaben nicht mehr richtig wahrnehmen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

"Deutschlandticket ist Sinnbild für verfehlte Finanzpolitik"

Der Wittenberger Landrat Christian Tylsch (CDU) erklärte, die Landkreise erhielten immer neue Aufgaben, ohne dass dabei an die Finanzierung gedacht werde. Inzwischen sei die Kassenlage so prekär, dass man überlegen müsse, welche Aufgaben die Landkreise noch bewältigen könnten. Damit rücken nach den Worten Tylschs auch Kreisvolkshochschulen und Kreismusikschulen in den Fokus. Es müsse außerdem geprüft werden, ob Sportvereine für Turnhallen mehr bezahlen müssen als bisher.

Der Landkreis Wittenberg rechnet Tylsch zufolge im kommenden Jahr mit einem Defizit von rund 16 Millionen Euro. Das neue Finanzausgleichsgesetz des Landes werde die Lage weiter verschärfen. Irgendwann sei ein Ende der Haushaltskonsolidierung erreicht. Das Deutschlandticket bezeichnete Tylsch bei MDR SACHSEN-ANHALT als sinnbildlich für die verfehlte Finanzpolitik.

Landkreise drohen mit Gang vor Landesverfassungsgericht

Die Geschäftsführerin des Landkreistages, Ariane Berger, warf der Landesregierung Wortbruch vor: "Den Landkreisen wurde versprochen, zukünftig die tatsächliche Einnahmeentwicklung der Landkreise im Finanzausgleich zugrunde zu legen. Nun werden erneut fiktive Zahlen verwendet. Dies verletzt das Recht auf kommunale Selbstverwaltung."

Man behalte sich vor, das Landesverfassungsgericht anzurufen. Berger forderte auch, die Rechtsgrundlagen für die Kreisumlagen im Kommunalverfassungsrecht gesetzlich neu zu regeln, um der Klageflut der Gemeinden ein Ende zu setzen. Bei der Kreisumlage handelt es sich um das Geld, das Städte und Gemeinden an die Kreise weitergeben müssen. Grund dafür ist, dass die Kreise keine eigenen Steuereinnahmen haben.

Infrastrukturministerium reagiert überrascht

Landesinfrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) zeigte sich über die Ankündigung zum möglichen Ausstieg aus dem Deutschlandticket überrascht. Hüskens sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es habe zuletzt keine Hinweise darauf gegeben, dass das Deutschlandticket zu finanziellen Problemen führen würde.

Lydia Hüskens 1 min
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1 min

MDR SACHSEN-ANHALT Fr 23.08.2024 13:37Uhr 00:20 min

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Sie sehe den Beschluss des Landkreistages eher als Symbol, mit dem man zeigen wolle, dass man insgesamt unterfinanziert sei. "Um so mehr bedauere ich natürlich die Entscheidung", so Hüskens.

So wird das Deutschlandticket finanziert Bund und Länder stellen für das Deutschlandticket jeweils 1,5 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Damit sollen auch die Kosten der Kreise und Kommunen abgedeckt werden. Mit den Geldern müssen etwa die Defizite der regionalen Verkehrsbetriebe ausgeglichen werden, denen die Einnahmen aus Fahrkartenverkäufen fehlen. Außerdem braucht es mancherorts zusätzliche Bus- und Bahnangebote, weil durch das Deutschlandticket die Nachfrage gestiegen ist.

Die Verteilung der Gelder an die Kommunen und Kreise erfolgt über die Landesregierungen. Vergangenes Jahr erklärte der Kreis Stendal, sich nicht mehr an der Finanzierung des Deutschlandtickets beteiligen zu wollen, da man es – zusätzlich zur Förderung des Landes – mit 120.000 Euro aus eigener Kasse hätte bezuschussen müssen. Kurz darauf nahm der Kreistag die Entscheidung jedoch wieder zurück.

Finanzministerium: Finanzausgleichsgesetz wird ausgewertet

Das Finanzministerium verwies auf MDR-Nachfrage darauf, dass die Abstimmungen zum neuen Finanzausgleichsgesetz innerhalb der Landesregierung noch nicht abgeschlossen seien. Am Freitag hieß es, die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände zu dem Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes seien am Montag eingegangen und würden derzeit ausgewertet. Die Landesregierung werde das Gesetz zusammen mit dem Haushaltsplanentwurf 2025/2026 beschließen.

Mehr zum Deutschlandticket

dpa, MDR (Christoph Dziedo, Daniel Salpius, Roland Jäger, Susanne Ahrens, Kalina Bunk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. August 2024 | 13:00 Uhr

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