Intel-Ansprechpartner Umstrittene Stellenvergabe im Bildungsministerium landet vor Gericht
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21. Juni 2023, 12:57 Uhr
Eine umstrittene Stellenausschreibung des Bildungsministeriums kommt offenbar vor Gericht. Der Verdacht: unrechtmäßige Vorgänge bei der Vergabe. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) hatte bereits Staatssekretär Frank Diesener entlassen. Nun plant das Bildungsministerium offenbar ein Disziplinarverfahren.
- Eine umstrittene Stellenvergabe des Bildungsministeriums landet in Kürze vor dem Arbeitsgericht.
- Ein beteiligter Referatsleiter hatte bereits im Juni seinen Posten geräumt, der zuständige Staatssekretär Diesener wurde entlassen.
- Ein offener Brief legt den Verdacht des Postengeschachers bei der Vergabe nahe. Nachdem der Verdacht öffentlich wurde, wurde der ursprüngliche Wunschkandidat offenbar ersetzt.
Die umstrittene Stellenvergabe der "Stabstelle Intel" des Bildungsministeriums landet offenbar in Kürze vor dem Arbeitsgericht. Der Fall beschäftigt das Land seit Monaten. Der Staatssektretär im Bildungsministerium Frank Diesener und ein frührerer Referatsleiter sollen dem Schulleiter des Internationalen Gymnasiums "Pierre Trudeau" in Barleben, Michael Kleinen, einen Beamtenposten im Ministerium versprochen haben. Und das noch bevor die Stelle öffentlich ausgeschrieben wurde. Da der Schulleiter wohl auch durch die mediale Berichterstattung fallen gelassen wurde, soll nun das Arbeitsgericht klären, ob die Vergabe rechtmäßig erfolgte.
Anfang Juni hatte der Referatsleiter bereits auf eigenen Wunsch seinen Posten geräumt, dafür aber eine andere Stelle erhalten. Er wolle der internen Aufarbeitung nicht im Weg stehen, heißt es in der Mitteldeutschen Zeitung. Wie ein Pressesprecher des Ministeriums MDR SACHSEN-ANHALT bestätigte, wird er zukünftig nicht mehr mit Personalangelegenheiten betraut sein. Das Ministerium plant laut MDR Informationen nun zusätzlich, ein Disziplinarverfahren einzuleiten.
Zudem hatte Bildungsministerin Feußner Staatssekretär Frank Diesener entlassen. Die Vorgänge, die sich vor dem Ausschreibungsverfahren ereignet hätten, seien aus ihrer Sicht nicht ausreichend professionell gewesen. Deshalb beende sie die Zusammenarbeit mit Diesener. Noch ist unklar, wie viel die Ministerin von den Vorgängen wusste. Die Opposition hatte das Vorgehen früh scharf kritisiert.
Kritik an der Stellenvergabe
Am 21. Dezember 2022 hatte das Bildungsministerium für eine Woche eine "Stabstelle Intel" ausgeschrieben. Das Einstiegsgehalt: mehr als 7.000 Euro brutto.
Ein Brandbrief an den Staatssekretär des Bildungsministeriums, Frank Diesener, behauptet: Bereits im November 2021 gab es zu dieser Stelle Gespräche mit dem Schulleiter des Internationalen Gymnasiums "Pierre Trudeau" in Barleben, Michael Kleinen, insbesondere auch über das Gehalt. Der offene Brief legt eine Chronik der möglichen Vetternwirtschaft des Schulleiters dar.
Treffen zum Mittagessen und Gehaltsverhandlungen im Ministerium
Im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT sagt Schulleiter Kleinen: "Im letzten Jahr gab es einen Besuch einer Intel-Delegation an meiner Schule, dort habe ich offenbar nicht den schlechtesten Eindruck gemacht."
Die Atmosphäre soll so überzeugend gewesen sein, dass sich Intel-Vertreter dafür aussprachen, Gespräche über eine Zusammenarbeit mit dem Pädagogen zu führen. Am 12. Oktober soll es dann zwischen einem Referatsleiter des Ministeriums und Kleinen ein Treffen im Restaurant Daniels in Magdeburg gegeben haben. Die Frau des Mitarbeiters des Ministeriums ist ebenfalls an der Schule des Interessenten beschäftigt, darüber wurden auch die Kontakte ins Ministeriums geknüpft, so Kleinen.
Der Mitarbeiter des Ministeriums erklärte offenbar ausführlich, warum der Schulleiter geeignet für die neue Stelle "Intel/Bildungslandschaft Sachsen-Anhalt" wäre. Nach einer Bedenkzeit von 14 Tagen soll es am 7. November zu einem zweiten Gespräch mit Kleinen im Bildungsministerium gekommen sein. Hier wurde offenbar unter Anwesenheit des Staatssekretärs Frank Diesener über Vertragsdetails gesprochen. Auch Eingruppierung in die Besoldungsgruppe B2 wäre nach Angaben des Schulleiters Thema gewesen.
Kurze Zeit später eine Whatsapp-Nachricht des Ministeriumsmitarbeiters: "Lieber Herr Dr. Kleinen, folgendes konnte ich mit der Hausleitung abstimmen: B2, Anbindung an den Staatsekretär,(…) Beginn 1. Januar 2023, wir brauchen schlicht noch ein bisschen Zeit für die Formalitäten im öffentlichen Dienst. Viele Grüße." Für Kleinen ein guter Grund, bei seinem Arbeitgeber zu kündigen.
Warme Worte per Whatsapp, aber keine Ausschreibung
Das Ausschreibungsverfahren verzögert sich. "Mir wurde zwar per Whatsapp immer wieder mitgeteilt, dass alle ganz prächtig liefe, eine Ausschreibung erfolgte trotzdem nicht", so der Schulleiter in seinem Brief an das Bildungsministerium.
Offenbar erfolgte nicht wie versprochen eine Ausschreibung Anfang Dezember. "Guten Morgen Herr Dr. Kleinen, am Montag soll die Veröffentlichung der Stellenanzeige auf den Internetseiten des MB erfolgen. Bewerbungsfrist 10 Tage. Frau Feußner spricht mit dem Ministerpräsidenten, damit dieser seine Zustimmung dann ganz schnell gibt (ab B2 oder vergleichbar muss er Zustimmen). Vertrag gibt es dann unter dem Weihnachtsbaum. Viele Grüße."
Die Ausschreibung erfolgte erst einige Wochen später, kurz vor Weihnachten. "Als dann die Stelle unter sehr merkwürdigen Umständen am 21. Dezember 2022 ausgeschrieben wurde, erhielt ich sogar eine Aufforderung, mich zu bewerben", schreibt Kleinen.
Wenige Tage später wurde die Ausschreibung öffentlich. "Ab jetzt hatte ich das Gefühl, das Ministerium war nur doch darum bedacht, die Presseberichterstattung darüber wieder in den Griff zu bekommen", so der Schulleiter im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Am 18. Januar wurde offenbar ein weiterer Termin im "Cafe de Sol" in Magdeburg vereinbart.
Kurzfristig wurde daraus jedoch ein Telefonat zwischen dem Bewerber, dem Staatsekretär und dem Mitarbeiter. "In diesem versuchten Sie mir ein weiteres Mal zu erklären, dass alles ganz normal und gut liefe. Die Ausschreibung sei eine reine Formsache. Ihre Hauptsorge galt allerdings dem Umstand, unbedingt zu vermeiden, dass irgendetwas an die Öffentlichkeit dringen könnte. Schon fast komisch war die Aufforderung an mich, nur an Herrn X Mails zu schicken, da Sie offenbar Ihrem eigenen Vorzimmer nicht vertrauten", so der Schulleiter im Schreiben an den Staatssekretär.
Offener Brief nach erfolgloser Bewerbung
Im Mai wurde der Schulleiter zu einem Vorstellungsgespräch gebeten, bei dem auch der Staatssekretär des Bildungsministeriums anwesend gewesen sein soll. "Sie erinnern sich bestimmt. Sie waren anwesend", schreibt hierzu Kleinen. "Zu meiner vollständigen Verblüffung waren aber nicht jene Eigenschaften, Befähigungen und Kenntnisse Gegenstand des Gespräches, wegen welcher Sie mich im Oktober kontaktiert hatten. Auch eine Verbindung zu den Aufgaben einer Stabsstelle 'Intel' waren nur schwer erkennbar."
"Stattdessen erfolgten Fragestellungen, welche für die Einstellung eines Praktikanten oder eines persönlichen Umsiedlungsberaters für israelische Familien zielführend gewesen wären. Der Eindruck eines Schmierentheaters drängte sich geradezu auf." Am Ende soll nach Angaben von Kleinen ein anderer Bewerber die Stelle erhalten haben. Er schreibt dazu: "Wie unglaublich verlogen es dann zugeht, wenn die Öffentlichkeit Wind von diesen Dingen bekommt und der vormalige Wunschkandidat 'entsorgt' werden soll."
Bildungsministerium schweigt zunächst
Auch das Bildungsministerium wurde durch MDR SACHSEN-ANHALT zu den Vorwürfen befragt. Treffen mit dem Bewerber streitet das Ministerium nicht ab, aber "zum laufenden Verfahren kann nicht Stellung genommen werden. Es ist allerdings nicht unüblich, dass bei exponierten Stellen, die besondere Voraussetzungen und Fähigkeiten verlangen, vorab Gespräche mit möglichen Kandidatinnen und Kandidaten geführt werden, ohne dabei verbindlich zu werden. Es stand immer außer Frage, dass die Stellenvergabe durch ein förmliches Stellenausschreibungsverfahren erfolgt. Dieses befindet sich kurz vor dem Abschluss".
Der unterlegene Bewerber wird nun anwaltlich beraten. Seinen Ruf sieht Kleinen mit dem Verfahren geschädigt, er hat das Vertrauen in das Bildungsministerium verloren, will jedoch nicht, dass der Verdacht aufkommt, er hätte seine Bewerbung zurückgezogen und deswegen wurde eine andere Person eingestellt. Nach seinem Willen soll öffentlich gemacht werden, ob der Bewerber auch die Anforderungen mitbringt, die die Ausschreibung vorsieht.
Bildungsministerin Eva Feußner sagte: "Also wir haben vier wirklich ausgezeichnete Kandidatinnen und Kandidaten, die sich beworben haben für diese Stelle. Und in diesem Auswahlverfahren kann nur immer ein Gewinner sein. Es ist ganz klar, und dann gibt es ja noch Einspruchsrechte und so weiter. Und diese Zeit müssen wir jetzt noch abwarten. Und dann werde ich mich ganz konkret äußern."
Das Gericht wird den Fall nach derzeitigem Kenntnisstand am 27. Juni verhandeln.
MDR (Lars Frohmüller, Hannes Leonard, Moritz Arand, Leonard Schubert) | zuerst veröffentlicht am 31.5.2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 01. Juni 2023 | 19:00 Uhr
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