Kommentar Geschasster Staatssekretär: Was wussten Sie, Frau Bildungsministerin?

15. Juni 2023, 13:22 Uhr

Am Donnerstag kommt im Landtag der Bildungsausschuss zusammen. Das Kernthema: Was lief krumm am Ausschreibungsverfahren rund um die gut dotierte "Stabsstelle Intel"? Erst am Abend hatte sich Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) vom darin involvierten Staatssekretär Frank Diesener getrennt. MDR SACHSEN-ANHALT-Reporter Lars Frohmüller kommentiert den Fall und schaut auf die aus seiner Sicht offenen Fragen an die Bildungsministerin.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Paukenschlag im Bildungsministerium: Um 18:25 Uhr am Mittwochabend gibt Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) bekannt, dass sie sich von Staatssekretär Frank Diesener trennt. Für Beobachter der Landesregierung kein überraschender Schritt: Der Staatssekretär war von Anfang an nicht Feußners Wunschkandidat. Ihn für die Klüngelei rund um die Vergabe der Intel-Stelle vors Loch zu schieben, ist auch für die Ministerin ein guter Deal. Ist Frank Diesener jedoch die zentrale Figur in der Vergabe? Oder wird er als Bauernopfer gefeuert? Nicht nur der Bildungsausschuss wird am Donnerstag Fragen haben.

Welche Rolle spielt ein Mitarbeiter des Bildungsministeriums?

"Den Vertrag dann unterm Weihnachtsbaum", tönt eine Whatsapp-Nachricht an den Schulleiter aus Barleben, Michael Kleinen. Kein Staatssekretär, sondern ein Referent für allgemeine Angelegenheiten schreibt hier einem potenziellen Bewerber, dass er sich auf einen guten Vertrag freuen kann – noch bevor die Stabstelle Intel überhaupt ausgeschrieben ist. Darf er das, obwohl sein Aufgabenbereich nach der Geschäftsordnung "nur" die Ausarbeitung und Bewertung der Stellen vorsieht? Und: Nach dem Skandal kommt die Selbstgeißelung: Er räumt seinen Job und übernimmt das Referat der ehemaligen Staatssekretärin Anne Poggemann, die er bereits zuvor als Abteilungsleiterin beerben wollte. Insider sprechen von einer Belobigung statt einer Versetzung.

Pikant: Für die Partnerin des Mannes hat sich der Deal offenbar ebenfalls gelohnt. Nachdem sie anscheinend Interesse am Posten der Schulleitung am Internationalen Gymnasium in Barleben signalisiert hat, bewirbt sie sich nun um eine Stelle als stellvertretende Schulleiterin an der Schule, die nun offenbar die Fachkraft für die Stabstelle Intel an das Bildungsministerium abgibt. Sieht so nicht klassische Vetternwirtschaft aus?

Was wusste Eva Feußner und vor allem ab wann?

Aus dem Bildungsministerium heißt es "nichts passiert im Haus, ohne dass Eva Feußner Bescheid weiß". Schon als Staatssekretärin war sie gut über die Abläufe in ihrem Haus informiert. Das habe sich als Bildungsministerin nicht verändert. Jetzt sucht ein Referatsleiter zusammen mit dem Staatssekretär einen Mitarbeiter für eine "Stabsstelle Intel" in einer der höchsten Einstiegsbesoldungen und die Ministerin soll erst spät vom Verfahren erfahren haben? Gerade bei der Ansiedlung von Intel ist sonst alles Chefsache.

Intel war bereits im vergangenen Jahr, vor der Anfrage an den Schulleiter, im Ecole in Barleben. Das bestätigen sowohl der Schulleiter als auch Lehrer der Schule. Offenbar hat Kleinen dort eine sehr gute Figur gemacht. Fließendes Englisch, etwas, was man bei den Vertretern des Bildungsministeriums vermisst hat, sagt zumindest der in Missgunst gefallene Bewerber. Darauf der Kontakt über die Familie des Referenten, dessen Frau an der Schule Lehrerin war. All das hinter dem Rücken der Ministerin? Bei der Wichtigkeit des Projektes, das bis nach Brüssel diskutiert wird? Wenn dem so wäre, dann wäre auch das zumindest fahrlässig. Falsche Entscheidungen hätten den Investor vergraulen können. Immerhin "drohte" der mit über 1.000 Schülern in den nächsten zwei Jahren. Und wusste Feußner wirklich nichts? Wäre da nicht noch die Whatsapp des Mitarbeiters, der behauptet: Feußner würde mit dem Ministerpräsidenten noch die Stabstelle besprechen. Bei der im Raum stehenden Vergütung müsse er zustimmen, heißt es in der Whatsapp.

Gibt es noch weitere Fälle dieser Art?

Seit Monaten brodelt es im Bildungsministerium. In einer Mitarbeiterbefragung beschreiben die Angestellten das Haus mit einem Klima der Angst. Brandbriefe werden verfasst, auch an den Ministerpräsidenten. Hier geht es ebenfalls um eine sehr freihändige Vergabe von Stellen und die Versetzung von Mitarbeitern, die in Ungnade gefallen sind. Kann Feußner ihr Haus so führen, dass die Mitarbeiter motiviert sind, etwas am Desaster der Bildungslandschaft zu ändern? Wie will sie das Klima in der Belegschaft verändern? Anonyme SMS und Briefe zeigen: Seit dem Brandbrief hat sich nichts verändert, nur die Angst der Mitarbeiter ist gestiegen, sich über Missstände zu äußern. Ändert der Rauswurf des Staatssekretärs etwas daran oder muss sich grundlegend an der Kultur im Ministerium etwas ändern?

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Beitrags hieß es über die oben genannte Partnerin des Mannes noch: "Erst bewirbt sie sich anscheinend nach dem Abschied des Schulleiters Kleinen in Barleben auf dessen Job als Schulleiter". Dies war missverständlich und daher so nicht richtig. Der Passus wurde deshalb am 21. Juli 2023 korrigiert.

MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. Juni 2023 | 05:00 Uhr

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