Eva Feußner
Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Feußner gerät wegen Ungereimtheiten bei einer Postenbesetzung unter Druck. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Christian Schroedter

Umstrittene Stabsstelle Intel Fragwürdige Email: Gelöschte Daten und was wusste Ministerin Feußner?

16. Februar 2024, 14:40 Uhr

Über die Weihnachtsfeiertage 2022 veröffentlicht das Ministerium für Bildung eine hoch dotierte Stellenanzeige. Der Vorwurf: Einem Bewerber soll die Stelle schon vorab versprochen worden sein. Nun liegen MDR SACHSEN-ANHALT Angaben vor, die beweisen könnten: Als der Skandal aufflog, sind möglicherweise Daten im Bildungsministerium gelöscht worden. Aus dem Ministerium kommt wiederholter Widerspruch. Die Darstellung sei konstruiert.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Dezember 2022: Kurz vor Weihnachten veröffentlicht das Ministerium für Bildung eine hochdotierte Stellenanzeige – mit sehr kurzer Bewerbungsfrist, bis zum 28.12.2022. Das Einstiegsgehalt: mehr als 6.000 Euro brutto. Am 23.12.2022 berichtet zuerst die Volksstimme kritisch über das Ausschreibungsverfahren. Dem folgen weitere Medienberichte, auch von MDR SACHSEN-ANHALT.

Der Vorwurf: Einem Bewerber – dem Schulleiter Michael Kleinen der École in Barleben, wie sich später herausstellt – soll schon vorab ein Vertrag "unter dem Weihnachtsbaum" versprochen worden sein. Daraus entwickelte sich ein Skandal, für den der damalige Staatssekretär Frank Diesener im Juni 2023 seinen Hut nehmen musste.

Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT soll es am ersten Weihnachtsfeiertag 2022 eine E-Mail eines Mitarbeiters aus der Leitungsebene des Bildungsministeriums gegeben haben an einen weiteren Mitarbeiter mit der Anweisung, Daten zum Betreff "Dr. K." zu löschen.

Aufforderung zur E-Mail-Löschung?

Am 25. Dezember um 10:17 Uhr soll der Mitarbeiter, gegen den derzeit ein Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit der Besetzung der "Stabstelle Intel" läuft, eine E-Mail auf seiner Dienstadresse erreicht haben: "Lieber [...], lösche alles, was du von mir und Frau Feußner in dieser Sache bekommen hast. Wir machen das auch. Auch diese Mail. Zu Diesener kein Wort. Der muss sich selbst helfen. Wenn die Sache eskalieren sollte, mach dir keine Sorgen. Ich habe mit Frau Feußner gesprochen. Wir schützen dich."

Also genau zwei Tage, nachdem die Magdeburger Volksstimme erstmals über das zweifelhafte Bewerbungsverfahren um die Stabsstelle Intel berichtet hat, soll demnach ein Mitarbeiter aus dem Leitungsbereich der Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) genau den Mitarbeiter, gegen den derzeit in dieser Angelegenheit ein Disziplinarverfahren läuft, über seine Dienstadresse angewiesen haben, alle Unterlagen oder Korrespondenzen zum Fall "Dr. K." zu löschen. Was genau mit "lösche alles" gemeint sein könnte, ist unklar.

Ministerium stellt sich vor Mitarbeiter

Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT antwortet der neue Staatssekretär Jürgen Böhm: "Die beiden genannten Mitarbeiter versichern, weder diese E-Mail empfangen noch gesendet oder gelöscht zu haben. Auch die Haus-IT konnte die Existenz derartiger Mails nicht belegen." Ob es möglich ist, gelöschte Dienst-E-Mails wiederzubringen oder auch ob nachzuvollziehen ist, ob eine E-Mail von einem bestimmten Absender an einen bestimmten Empfänger zu einem konkreten Zeitpunkt verschickt wurde, beantwortet das Bildungsministerium nicht. Stattdessen verweist es auf das Ministerium für Infrastruktur und Digitales, das für den E-Mail-Service aller Landesministerien zuständig sei.

Und weiter führt der Amtschef des Ministeriums aus: "Auch der durch die Anfrage von [...] insinuierte Vorwurf, dass Frau Feußner über ein nicht dienstliches Mailkonto von der Korrespondenz Kenntnis erlangt hat, hält keiner Überprüfung stand." Antworten, wie dies konkret durch das Ministerium geprüft wurde, stehen noch aus. Auf Nachfrage ließ Frau Feußner über das Ministerium mitteilen, dass die benannte E-Mail vom 25.12.2022 nicht auf ihrem E-Mail-Konto eingegangen sei.

Nur wenige Stunden nach dieser Veröffentlichung reagiert das Bildungsministerium und "stellt fest, dass der in der Berichterstattung des MDR vom 15. Februar 2024 skizzierte Sachverhalt konstruiert ist, mit dem Ziel, die Hausleitung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Bildung zu beschädigen und den Vorgang zu skandalisieren." Die Berichterstattung setze sich aus Behauptungen, Mutmaßungen und Unterstellungen zusammen und entbehre jeglicher Grundlage.

Weiterhin wird die Echtheit der besagten E-Mail angezweifelt. Außerdem werde der Beamte, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass er eine derartige E-Mail weder empfangen, noch versendet oder gelöscht hat, kündigt das Ministerium in der Mitteilung an.

Rückblick: Der Deal um die Stabsstelle Intel

Nach einem Besuch einer Intel-Delegation in einem Gymnasium in freier Trägerschaft in Barleben soll der dortige Schulleiter Michael Kleinen seitens eines Mitarbeiters vom Bildungsministerium angesprochen worden sein, ob nicht das Interesse bestehe, die Ansiedlung von Intel für das Bildungsministerium zu begleiten.

Der Kontakt scheint nicht zufällig. Die Ehefrau dieses Mitarbeiters, gegen den nun ein Disziplinarverfahren läuft und der die zuvor erwähnte E-Mail empfangen haben soll, ist an der Schule in Barleben Lehrkraft. Über WhatsApp soll über Monate hinweg geplant worden sein, wie man die Stelle dem Schulleiter Kleinen zukommen lassen will. Dabei soll der besagte Mitarbeiter des Ministeriums Anfang Dezember per WhatsApp geschrieben haben: "Vertrag gibt es dann unter dem Weihnachtsbaum."

Am 23. Dezember berichtet zuerst die Magdeburger Volksstimme über die Ausschreibung. Nachfragen durch andere Medien, wie auch den MDR, bringen das Ministerium in Erklärungsnot. Nach diversen Anhörungen im Bildungsausschuss des Ministeriums entlässt Bildungsministerin Eva Feußner Staatssekretär Frank Diesener am 14. Juni 2023. Im Ausschuss verspricht sie: "Wir werden gleichzeitig noch eine externe Prüfung haben, wo vielleicht noch Nachfragen sind. Wenn das möglich ist, werden wir die Daten im Geheimschutzraum bereitstellen. Ich glaube, mehr Transparenz geht nicht."

Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter

Auf die Unterlagen müssen die Abgeordneten jedoch warten. Als die Landtagsabgeordnete Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) eine Woche danach nach den Unterlagen fragte, erklärte die Ministerin im Landtag: Niemand habe die Unterlagen bis jetzt angefragt. Das Ministerium sei davon ausgegangen, dass kein Interesse bestünde. Was Sziborra-Seidlitz dann später zu sehen bekommt, bezeichnet die Abgeordnete als dünn. Und: Es gibt noch keinen Hinweis darauf, dass ein Disziplinarverfahren gegen den Mitarbeiter gestartet ist.

  • Am 6. September heißt es auf Nachfrage der Abgeordneten: "Das Disziplinarverfahren gegen die genannte Person ist eingeleitet."
  • Am 9. November: Gleiche Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten.
  • Am 23. Januar: Das Ministerium teilt mit, der Mitarbeiter sei im Dezember über die Einleitung des Verfahrens informiert worden.

Fast fünf Monate später. Brisant: Im Beamtenrecht heißt es jedoch: "Die Beamtin oder der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens von Amts wegen unverzüglich zu unterrichten." Parlamentarier von Linken und Grünen fragen sich nun: Hat das Ministerium gelogen oder wurde das Verfahren verschleppt? Seit Dezember soll nun ein Generalstaatsanwalt aus Naumburg für das Ministerium aufklären.

Die Koalitionspartnerin SPD fordert Aufklärung. Fraktionsvorsitzende Katja Pähle: "Es ist eine vollkommen neue Entwicklung, es ist auch ein schwerwiegender Vorwurf. Deswegen werden wir uns damit inhaltlich auseinandersetzen und sicherlich dazu auch Gespräche führen."

Für die Grünen im Land ist das Maß voll

Verschleppte Aufklärung, fehlende Akten und nun die Vermutung der Löschung von Daten: Für Sziborra-Seidlitz von den Grünen ist das zu viel: "Eine Ministerin, die Aufklärung zu verhindern versucht, ist untragbar. Sie muss unverzüglich zurücktreten oder vom Ministerpräsidenten entlassen werden. Im Sinne der riesigen Aufgaben, die wir bildungspolitisch in Sachsen-Anhalt vor uns haben, muss diese Affäre nun endlich auf- und abgeräumt werden." Wenn sich durch die Recherche der Verdacht der Datenlöschung erhärte, müsse Frau Feußner zurücktreten, fordert Sziborra-Seidlitz.

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MDR (Lars Frohmüller, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 15. Februar 2024 | 19:00 Uhr

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