Kommentar Hamas, Halle und wir – Was die Morde an israelischen Zivilisten mit uns zu tun haben

12. Oktober 2023, 11:05 Uhr

Was gerade in Israel passiert, erinnert an die Pogrome an Juden im Mittelalter und an den Holocaust. Auch in Israel ziehen manche bereits solche Vergleiche, sprechen vom "Holocaust im Heiligen Land". In Deutschland sollten wir uns deshalb umso mehr um Aufklärung und Austausch bemühen, kommentiert unser Autor Sebastian Mantei.

Die Nachrichten von grausamen Morden der Hamas-Terroristen haben die meisten von uns schwer erschüttert. Wie können Menschen anderen Menschen so etwas antun? Babys enthaupten, Familien in ihren Schutzräumen exekutieren, junge Festivalbesucher auf der Flucht hinrichten. Das erinnert an die Pogrome, die im Mittelalter in Deutschland und später in Osteuropa an jüdischen Nachbarn verübt wurden und an den Massenmord an den europäischen Juden in deutschen Konzentrationslagern.

Nach dem Holocaust sollte Israel die sichere Heimat für Juden aus aller Welt sein. Doch seit den Massenmorden an Juden an der Grenze des Gazastreifens ist auch Israel nicht mehr sicher. Täglich telefoniere ich mit einem Freund in Jerusalem. Seine Eltern flohen 1933 aus Halberstadt ins damalige Palästina, nachdem sein Vater eine Nacht lang von Nazi-Schlägern in einem Keller am Halberstädter Domplatz verprügelt wurde. Jetzt erzählt er mir von Bekannten, die Angehörige durch die terroristischen Überfälle der Hamas verloren haben. Nahezu jeder Israeli hat Angehörige oder kennt zumindest Menschen, die dort umgekommen sind.

"Holocaust im Heiligen Land"

Das sind Erzählungen, wie ich sie nur von Holocaust-Überlebenden kenne. Manche sprechen bereits vom "Holocaust im Holy Land" – im Heiligen Land. Unheilig und vor allem unheimlich ist das, was in Israel geschehen ist. Doch unheimlich ist auch, dass in Deutschland Menschen die Gräueltaten feiern und mit der radikalislamischen Terrororganisation Hamas sympathisieren. Wiederholt sich da Geschichte? Haben 1938 nicht auch schon Menschen auf deutschen Straßen gejubelt, als Synagogen brannten und Juden in Konzentrationslager gebracht wurden? Damals waren es sicher andere Deutsche, aber es war mindestens genauso widerwärtig wie heute.

Das Attentat von Halle zeigt uns, dass auch hierzulande niemand vor antisemitischen Anschlägen sicher ist. In Halle schützte eine schwere Eichentür die Jüdinnen und Juden. Dafür zielte der Attentäter auf andere Menschen.

Für Aufklärung sorgen

Die Taten in Israel und Halle machen uns sprachlos. Was können wir tun? Wir müssen für Aufklärung sorgen, jungen Menschen erzählen, was Antisemitismus ist und wie gefährlich er für unsere Demokratie ist. Die Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt hat sich diese Arbeit zum Ziel gesetzt und gibt Workshops für Polizisten, Schüler und Lehrer. Diese Arbeit muss intensiver an allen Schulen erfolgen.

In Dessau-Roßlau und Magdeburg werden 85 Jahre nach der Zerstörung der Synagogen durch die Nazis neue Synagogen geweiht. Die sollten für alle Menschen Begegnungsorte werden, um voneinander zu lernen und Vorurteile abzubauen. Diese Häuser sollten nicht nur in unseren Innenstädten stehen. Sie sollten uns alle – Juden und Nichtjuden – stolz machen, dass sie wieder existieren.

Jugendaustausch fördern

Was ist mit antisemitischen Symbolen, wie dem Schmäh-Relief von Lutherstadt Wittenberg, auf dem Juden von einer Sau gesäugt werden? Darunter informiert zwar eine Tafel über die Bedeutung dieses Bildes, aber gehört das wirklich an die Wand eines Gotteshauses oder doch besser in ein Museum?

Fördern wir den Jugendaustausch zwischen Israel und Sachsen-Anhalt, so wie es Israels Botschafter Ron Prosor in einem MDR-Interview gefordert hat. Jugendliche sind offen und kritisch. Sie können sich in Gastfamilien in Israel und Deutschland ein eigenes Bild machen. Vielleicht ist das wieder möglich, wenn Frieden herrscht und sich Schulen dafür engagieren. Das sind kleine, aber wichtige Schritte, um Menschen zusammenzubringen. Aber sie werden nicht reichen.

Rechtstaat muss härter durchgreifen

Der Rechtsstaat muss auch dafür sorgen, dass jene Menschen in die Schranken gewiesen werden, die die Freiheit unserer westlichen Demokratie missbrauchen, um etwa Morde an Israelis zu feiern. Braucht es härtere Strafen, müssen die deutschen Nachrichtendienste Sympathisanten von antisemitischen Terrorakten und Gefährder besser kontrollieren und schneller dingfest machen? Muss womöglich das Strafrecht verändert werden? Die demokratisch gewählten Parlamente in der Bundesrepublik sollten sich dafür stark machen, wie unsere Demokratie wehrhafter werden kann und muss.

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MDR (Sebastian Mantei, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT HEUTE | 11. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

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