Jahresrückblick Von Banksy bis Bauernkrieg: Das Kulturjahr 2024 in Sachsen-Anhalt
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26. Dezember 2024, 04:00 Uhr
Im vergangenen Jahr hat Sachsen-Anhalt kulturell vor allem in die Geschichte geblickt. Das erfolgte aber nicht rückwärtsgewandt, denn moderne Ausstellungen locken nach Eisleben zu 500 Jahren Bauernkrieg, nach Magdeburg in die wiedereröffnete Hyparschale, zur Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in Lützen oder zu Museen für Dichter wie Gottfried-August-Bürger in Molmerswende oder Johann Wilhelm Ludwig Gleim in Halberstadt.
- Die Hyparschale in Magdeburg wurde nach langjähriger Sanierung mit einer Banksy-Ausstellung wiedereröffnet.
- Die AfD scheiterte mit einem Angriff auf die Bauhaus-Tradition in Dessau.
- Nicht nur in den Städten, auch im ländlichen Raum lockten und locken moderne Ausstellungen.
Das Kulturjahr 2024 in Sachsen-Anhalt endet ein bisschen, wie es begonnen hat. Denn hier hat das Gedenken an Thomas Müntzer und 500 Jahre Bauernkrieg bereits in diesem Jahr angefangen. Ende Mai wurde in Eisleben die Mitmachausstellung "1525! Aufstand für Gerechtigkeyt" eröffnet, in der sich die Besucher digital oder analog in verschiedene Perspektiven des Aufstands hineinversetzen können.
Dafür habe man sich mit Thüringen und sogar Baden-Württemberg abgestimmt, so der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten, Thomas T. Müller, um gemeinsam an den Bauernkrieg vor 500 Jahren zu erinnern, der zwar viele tausend Menschen das Leben gekostet habe – aber ebenso für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland eine große Rolle gespielt habe.
Ausstellung zur Frührenaissance in Moritzburg Halle
Die Moritzburg Halle zeigt seit November 2024 außergewöhnliche Exponate der Kunst- und Kulturgeschichte – von Cranach bis Dürer, um die Entwicklung der "Frührenaissance in Mitteldeutschland" zu veranschaulichen. Beide Projekte, sowohl der Bauernkrieg wie auch die Frührenaissance, gehen im kommenden Jahr weiter.
Hyparschale lockte mit Banksy
Ein weiteres über Sachsen-Anhalt hinausstrahlendes Ereignis war die Eröffnung der Hyparschale in Magdeburg, dem markanten DDR-Bau von Ulrich Müther, der in den vergangenen Jahren für über 20 Millionen Euro saniert wurde. Nun muss er möglichst kostendeckend bespielt werden – und so galt die erste Ausstellung clevererweise Banksy, dem wohl bekanntesten Streetart-Künstler der Welt. Die Schau war zwar nicht autorisiert, sei aber mit etlichen Originalen trotzdem sehr erfolgreich gewesen, so die Veranstalter. In vier Monaten kamen rund 50.000 Besucher.
Chöre aus aller Welt in Magdeburg
Im September feierte das Chorfest Magdeburg den internationalen Gesang mit 35 Chören aus Ländern wie Lettland, Ghana, Finnland oder Kroatien. Die Kulturbeigeordnete der Stadt Magdeburg, Regina-Dolores Stieler-Hinz zeigte sich begeistert von der dort spürbaren Gemeinschaft: "Da war so viel Energie, Spaß und Freude mit dabei – und das brauchen wir zurzeit ganz dringend."
AfD-Angriff auf das Bauhaus
Die braucht man mit Blick auf die Kulturpolitik und allgemein auferlegten Sparmaßnahmen ganz sicher. Aber auch in Hinsicht auf die angestrebte Einflussnahme der AfD auf die Kulturlandschaft ist positive Energie hilfreich. Im Frühjahr erfolgte aus der Partei der Versuch, einen Caspar-David-Friedrich-Preis für deutsche Kunst zu etablieren und im Herbst ein Angriff auf das Bauhaus. Die AfD bezeichnete es im Landtag von Sachsen-Anhalt als einen "Irrweg der Moderne", weshalb das Jubiläum 100 Jahre Bauhaus Dessau, das im kommenden Jahr ansteht, nicht zu unkritisch ausfallen dürfe.
Ein Vorwurf, dem Barbara Steiner als Bauhaus-Stiftungsdirektorin vehement widerspricht. Denn den am Bauhaus-Jubiläum beteiligten gehe es eben nicht nur "um die großartigen Materialinnovationen der Zeit, sondern auch um die Schattenseiten, die damit verbunden sind". Die AfD wolle einem völkischen Kulturbegriff den Boden bereiten, nachdem bestimmte Menschen oder auch Kunst nicht passen würde. Das seien sehr problematische Reinigungs- und Bereinigungsversuche, so Steiner.
Zeitgemäß auch im ländlichen Raum
Nicht umsonst haben sich mittlerweile bereits Netzwerke in der Kulturszene gebildet, um dem rechten Gedankengut entgegenzutreten. Denn gerade im ländlichen Raum müssen die eher kleineren Kulturinstitutionen zusammenstehen. Und das tun sie offenbar immer mehr – vielleicht auch, weil einige in den vergangenen Jahren unter anderem durch Landesförderungen gepusht wurden. So wurden 2024 fünf neue Dauerausstellungen eröffnet, fast immer verbunden mit Sanierungsmaßnahmen und zeitgemäßem, also interaktivem und barrierefreiem Ausstellungsdesign.
In Molmerswende ist das beispielsweise das Gottfried-August-Bürger-Museum über den Dichter und Übersetzer, der die Geschichten um den Lügenbaron Münchhausen auf der Kanonenkugel bekannt gemacht hat.
Und in Halberstadt beleuchtet man im Gleimhaus lebensnah die Zeit der Aufklärung. Dafür wurde die neue Dauerausstellung barriereärmer gemacht, um für Menschen mit Seheinschränkungen oder Lernschwierigkeiten erfahrbar zu sein, zudem gebe es eine eigene Kinderebene, so Gleimhaus-Direktorin Ute Pott.
30 Jahre Weltkulturerbe Quedlinburg
Neben dem 300. Geburtstag des Dichters Klopstock wurde in Quedlinburg auch das Jubiläum 30 Jahre Weltkulturerbe gefeiert – wofür man eigentlich schon den Stiftsberg und das sanierte Schlossmuseum eröffnen wollte, was aber auf 2025 verschoben wurde.
Synagoge für moderne Erinnerungskultur
Nach sechs Jahren ist hingegen das Ensemble der Synagoge in Gröbzig endlich fertig. Es wird nicht mehr als religiöser Ort genutzt, sondern als Museum – und damit verbunden mit einer modernen Form der Erinnerungskultur. Leiterin Anett Gottschalk ist die Vermittlung der jüdischen Religion und Kultur an ihrem Haus sehr wichtig, allein schon, weil es für die Schulen relevant sei. Denn in der 6. Klasse werde im Ethik- beziehungsweise Religionsunterricht das Thema Judentum behandelt – und da biete sich die Synagoge super an, sagt sie und betont, dass ihr die jüdische Geschichte vom Ort noch wichtiger sei.
Erinnerung an Dreißigjährigen Krieg in Lützen
Das Land hat die Synagoge stark gefördert, ebenso das neu errichtete "Museum Lützen 1632". Zentrales Ausstellungsstück ist hier ein 2011 entdecktes Massengrab, das als drei mal vier Meter großes Mahnmal senkrecht in eine Betonwand eingelassen wurde. Tief erschütternd und dennoch faszinierend wirken dabei die 47 Skelette, die in- und übereinanderliegen. Ein eindrücklicher Ort, die Gräuel des Krieges zu reflektieren. Auch das gehört nun zur Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts.
Quelle: MDR KULTUR (Sandra Meyer)
Redaktionelle Bearbeitung: op, hki
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Dezember 2024 | 16:10 Uhr