Blick auf Quedlinburg. 2 min
Quedlinburg wurde vor 30 Jahren in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Mehr dazu im Video. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Jubiläum Zwischen Tourismus und Denkmalschutz – Quedlinburg feiert 30 Jahre Weltkulturerbe

17. Dezember 2024, 03:00 Uhr

Am 17. Dezember 1994 wurde Quedlinburg offiziell in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Für die Kleinstadt im Harz ein enorm wichtiger Schritt: Große Teile der historischen Altstadt mit ihren jahrhundertealten Fachwerkhäusern wurden seitdem saniert. Der Welterbe-Titel hat den Tourismus angekurbelt und viele Besucher nach Quedlinburg gebracht. Doch die strikten Denkmalschutzauflagen haben die Stadt auch vor Herausforderungen gestellt.

Ein bisschen wie im Mittelalter fühlt man sich in Quedlinburg – kein Wunder, dass die Stadt mit ihren über 2.000 Fachwerkhäusern aus acht Jahrhunderten als eine der zehn schönsten Kleinstädte Europas gilt. Und wenn man im Advent durch die von Lichtern glänzende Innenstadt wandelt, kann man es sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, wie es hier einst ausgesehen hat, findet Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch.

"Wir hatten Straßenzüge, die waren durch Betonsperren verriegelt, weil der Verfall so groß war, dass man gar nicht mehr reindurfte [...]. Heute sind diese Straßenzüge Postkartenmotive", erzählt Ruch. Mit der Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste 1994 hätte Quedlinburg einen richtigen Schub bekommen – sozusagen "aus dem Dornröschenschlaf zur kulturellen Diva".

Sanierungsbedürftige Fachwerkhäuser in Quedlinburg
Verfall und viel Sanierungsbedarf: So sah es in Quedlinburg 1994 aus. Bildrechte: MDR/Carsten Reuß

Bereits in der DDR gab es Engagement für den Welterbe-Titel

Tatsächlich gehörte Quedlinburg 1994 zu den ersten Städten im Osten, die den Welterbetitel erringen konnten. Das ist dem Engagement einiger Bürger noch zu DDR-Zeiten zu verdanken, aber vor allem der Stiftung Deutscher Denkmalschutz, die sich dem authentischen Fachwerkensemble gleich nach der Wende zugewandt hat.

Blick in die Hölle. So heißt diese Gasse in Quedlinburg.
Rund Dreiviertel der Gebäude in der historischen Altstadt in Quedlinburg wurden seit 1994 saniert. Bildrechte: MDR/Steffen Lipsch

So konnten inzwischen 75 bis 80 Prozent der Bausubstanz in Quedlinburg saniert werden, wofür insgesamt eine halbe Milliarde DM bzw. Euro von Bund, Land und privaten Sanierern geflossen sind, so Oberbürgermeister Frank Ruch.

Heute sind diese Straßenzüge Postkartenmotive.

Frank Ruch, Oberbürgermeister Quedlinburg

Denkmalschutz als Herausforderung

Für die Quedlinburger ist der Welterbe-Status aber durchaus auch eine Herausforderung. Das Welterbe sei "Liebe und Last" gleichermaßen, man müsse es "tragen und lieben", betont Frank Ruch. "Wir mussten dafür an der einen oder anderen Stelle, wo wir gerne ein Stück weiter wären, geduldig sein", so der Oberbürgermeister. Das beträfe etwa den Bau von Sporthallen und andere bauliche Vorhaben.

Doch die Quedlinburger würden das Welterbe lieben und seien sehr geduldig. Sie hätten 30 Jahre die Sanierung des Welterbes mitgetragen. "Wenn die Welterbestadt Quedlinburg ihren Sanierungsgrad weiter vorantreiben will, dann braucht sie jedes Jahr sechs Millionen Euro, bekommen tun wir dieses Jahr 1,2 Millionen vom Land", betont der Oberbürgermeister.

Fachwerkhäuser in der Innenstadt von Quedlinburg 4 min
Quedlinburg wurde vor 30 Jahren in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Mehr dazu im Audio von Sandra Meyer. Bildrechte: imago images/Shotshop
4 min

Vor 30 Jahren wurde Quedlinburg in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Für die Kleinstadt im Harz ein großer Schritt, der mit einem Bürgerfest gefeiert wird. Sandra Meyer hat die Welterbe-Stadt besucht.

MDR KULTUR - Das Radio Di 17.12.2024 08:10Uhr 04:10 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/harz/audio-quedlinburg-welterbe-jubilaeum-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Welterbe-Titel und "Advent in den Höfen" bringt Besucher nach Quedlinburg

Gleichzeitig wissen die Quedlinburger, dass der Titel "Welterbe" auch Besucher bringt. Und anders als in manch anderen, vom Overtourismus betroffenen Welterbestätten, sind diese in Quedlinburg sehr erwünscht, sonst könnten sich in dem 24.000-Einwohner-Städtchen auch nicht all die Cafés und inhabergeführten Lädchen halten.

Beim "Advent in den Höfen" erwarte die Stadt an einem Wochenende circa 50 bis 60.000 Besucher. "Aber das ist eben temporär sehr begrenzt", so Bürgermeister Ruch. Im Moment habe Quedlinburg über das Jahr verteilt 1,5 bis zwei Millionen Tagesgäste und circa 500.000 Übernachtungsgäste. Angesichts dieser Zahlen sagt Ruch: "Wir müssen langsam überlegen, die Qualität zu halten und nicht die Quantität zu steigern."

Besucher von «Advent in den Höfen» gehen über den Weihnachtsmarkt in der Adventsstadt Quedlinburg
Der Weihnachtsmarkt "Advent in den Höfen" lockt jedes Jahr Tausende Besucher nach Quedlinburg. Bildrechte: picture alliance/dpa | Matthias Bein

Darin seien sich Stadtrat und Bevölkerung einig. So fördert man mit dem Städtebauprogramm keine Ferienwohnungen mehr. Dass auch Rollkoffer nerven oder Besucher, die in die sanierten Wohnstuben glotzen, sei weniger ein Thema, sagt Welterbekoordinatorin Katrin Kaltschmidt – anders die unendlichen Denkmalsschutzverordnungen, die teilweise aber schon gelockert wurden.

Bürgerfest in Quedlinburg zum Jubiläum

Gleichzeitig sei der Titel eine Chance für die Stadt. "Es ist auch ein gewisser Stolz, dass so viele Menschen hierherkommen und die Menschen sprechen ihre Bewunderung aus über das, was geleistet worden ist", so Kaltschmidt.

Eine Reporterin interviewt einen Bürgermeister 3 min
Quedlinburg wurde vor 30 Jahren in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. Mehr dazu im Beitrag von MDR um 2. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Deswegen gibt es zum 30-jährigen Welterbe-Jubiläum auch ein Bürgerfest als Dank für das Beharrungsvermögen und gute Miteinander. Ein buntes Programm mit Führungen, Bastelstrecke und vor allem den Blick hinter den Bauzaun auf dem Stiftsberg. Da darf man die neu sanierten aber noch leeren Räume vom Schloss ansehen. Denn was eigentlich in diesem Jahr fertig sein sollte, wurde nun doch auf Dezember 2025 verschoben.

Blick auf Quedlinburg
Das Schloss auf dem Stiftsberg in Quedlinburg wird erst 2025 wieder als Museum öffnen. Bildrechte: MDR/Axel Berger

Redaktionelle Bearbeitung: lig, hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. Dezember 2024 | 08:10 Uhr

Mehr aus dem Harz

Mehr aus Sachsen-Anhalt