
Extreme Wetterereignisse Kommunen fehlt Personal und Geld für Schutz vor Starkregen
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26. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Als Folge des Klimawandels nehmen extreme Wetterereignisse wie Starkregen in Sachsen-Anhalt zu. Neue Karten zeigen, wo das Risiko besonders groß ist. Doch die Kommunen haben weder das Personal noch die finanziellen Mittel, um mehr in Vorsorge zu investieren. Zudem ist nur die Hälfte aller Gebäude gegen Elementarschäden versichert.
- Die Verbandsgemeinde Weida-Land will die neuen Starkregengefahrenkarten bei zukünftigen Bauvorhaben mit einbeziehen.
- Privatpersonen können sich mit einer Versicherung vor den Folgen extremer Wetterereignisse schützen.
- Den Kommunen fehlt oft das nötige Personal und Geld, um Vorsorgemaßnahmen umzusetzen.
20 Zentimeter hoch steht das Wasser auf der B180 zwischen Barnstädt und Steigra. Die Äcker rechts und links der Straße sind überflutet. Die Hauptstraße in Nemsdorf-Göhrendorf gleicht einem schlammigen Fluss. Ein Kleinwagen treibt auf dem Wasser wie eine Gummiente in der Badewanne.
Das Wasser ist nicht das Problem. Der Schlamm richtet den größeren Schaden an
Das war im Mai 2017. Eine Gewitterzelle zog über die Verbandsgemeinde Weida-Land im Saalekreis und brachte den Ortschaften innerhalb weniger Minuten Hunderte Liter Regenwasser. Und Schlamm. "Das Wasser ist nicht das Problem. Der Schlamm richtet den größeren Schaden an", sagt Verbandsgemeindebürgermeister Kay-Uwe Böttcher (CDU).
Im Video hat die Gemeinde Nemsdorf-Göhrendorf Eindrücke vom Starkregen im Mai 2017 zusammengestellt:
Was ist Starkregen?
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe spricht ab Niederschlägen von mehr als 25 Millimetern pro Stunde oder mehr als 35 Millimetern in sechs Stunden von Starkregen.
Wenn der Regen nicht schnell genug versickert, können Sturzfluten in Folge sein. Die können überall in Deutschland auftreten, nicht nur in der Nähe von Flüssen, Bächen oder anderen Fließgewässern.
Karten zeigen von Starkregen betroffene Regionen
Solche Starkregen-Ereignisse sind schwierig vorherzusagen. Was aber vorhergesagt werden kann, ist, wo sich bei solchen Extremwetterlagen das Niederschlagswasser sammelt und über welche Wege es abfließt. Genau das machen die neuen Starkregengefahrenkarten, die Sachsen-Anhalts Umweltministerium im November zusammen mit dem Bundesamt für Kartografie und Geodäsie vorgestellt hat.
Ein Blick auf die Karte zeigt: In Barnstädt, Nemsdorf-Göhrendorf und anderen Ortschaften der Verbandsgemeinde Weida-Land ist das Risko für Überschwemmungen infolge von Starkregen besonders hoch. Für die Menschen vor Ort ist das keine große Überraschung.
Sie wissen aus eigener Erfahrung, was Starkregen bei ihnen anrichten kann, sagt Maria Wrede, Bauamtsleiterin in der Verbandsgemeinde Weida-Land. "Aber es ist schön, dass diese Informationen jetzt für die Öffentlichkeit zugänglich sind."
Bereitschaft für Maßnahmen zum Schutz vor Überschwemmungen unterschiedlich hoch
Ein paar neue Infos enthielten die Karten auch, so Wrede, deshalb werde man bei künftigen kommunalen sowie privaten Baumaßnahmen neben anderen Quellen auch darauf zurückgreifen. Zum Schutz vor Überschwemmungen hat die Verbandsgemeinde in der Vergangenheit schon einiges getan: Vor den Ortslagen wurden Schlammfänger verbaut und Wälle errichtet, zählt Bürgermeister Böttcher auf.
Er weiß aber auch, dass es nicht immer einfach ist, solche Maßnahmen durchzusetzen. Oftmals hake es daran, dass Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer nicht bereit seien, zugunsten von Schutzanlagen auf Land zu verzichten.
"Dann sind uns die Hände gebunden", sagt Böttcher. Gleichzeitig weiß er, dass diese Bereitschaft umso größer ist, wenn Eigentümerinnen und Eigentümer schon Starkregenereignisse erlebt haben. Und dennoch: "Die Erinnerungen verblassen, die Panik legt sich", sagt Böttcher.
Nur die Hälfte aller Gebäude in Sachsen-Anhalt gegen Starkregen versichert
Wer sich vor Starkregen schützen möchte, muss aber nicht darauf warten, dass die Gemeinde aktiv wird. Karsten Freitag von den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA) sagt: "Privatpersonen können sich einmal schützen, indem sie präventiv tätig werden und sich auf der anderen Seite versichern, um eingetretene Schäden zu beseitigen." Vor den finanziellen Folgen durch Extremwetterereignisse schützt die sogenannte Elementarschadenversicherung.
Versicherung gegen Starkregen
Die Wohngebäude- sowie die Hausratversicherung greifen in der Regel nur bei Schäden durch Sturm, Blitz oder Hagel.
Mit der Elementarschadenversicherung kann ein Haus auch gegen erweiterte Naturgefahren abgesichert werden. Dazu gehören unter anderem Hochwasser, Starkregen, Lawinen, Erdrutsch und Erdbeben. Diese Versicherung
Quelle: Gesamtverband der Versicherer.
Daten des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) zeigen, dass in Sachsen-Anhalt nur die Hälfte aller Gebäude (51 Prozent) gegen Naturgefahren geschützt sind. Der ÖSA zufolge sind dabei nicht unbedingt die Menschen eher versichert, die in einem Risikogebiet leben. "Das könnte man vermuten, ist aber nicht so", sagt Karsten Freitag. "Wir haben eine sehr gleichmäßige Verteilung in den verschiedenen Überschwemmungszonen."
Versicherung gegen Elementarschäden: Mit dem Risiko steigt auch der Beitrag
Was sich aber von Zone zu Zone unterscheidet, ist der Versicherungsbeitrag. "Je größer das Risiko und der vermutete Schaden ist, desto höher sind auch die Beiträge und die Selbstbeteiligung", erklärt Freitag. Hausbesitzerinnen und -besitzer können diese aber beeinflussen, indem sie zum Beispiel selbst Maßnahmen zum Schutz vor Überschwemmung ergreifen. Dazu rät der Versicherer: "Den Schaden von vornherein zu vermeiden, ist immer die beste Variante. Man spart Geld und hat im Schadensfall nicht den Ärger", so Freitag.
Je größer das Risiko und der vermutete Schaden ist, desto höher sind auch die Beiträge und die Selbstbeteiligung
Weil Extremwetterlagen sich häufen, bietet die ÖSA allen Kundinnen und Kunden in Sachsen-Anhalt, die ein Grundstück oder ein Gebäude besitzen eine Versicherung gegen Elementarschäden an. "Der Kunde muss dann explizit sagen, dass er keinen Versicherungsschutz für Hochwasser oder Elementarschäden möchte", erläutert Freitag.
Die neuen Starkregengefahrenkarten nutzt die ÖSA dabei aktuell noch nicht. "Dafür ist das zu neu", sagt Freitag. "Aber ich gehe davon aus, dass wir diese Differenzierung in Zukunft miteinbeziehen werden". Das werde aber noch etwas dauern und damit werden sich auch die Versicherungsbeiträge verändern.
Kommunen klagen über Bürokratie und leere Kassen
Wie wichtig, die Absicherung gegen Starkregen ist, wissen auch die Menschen in der Verbandsgemeinde Weida-Land. Bauamtsleiterin Maria Wrede erinnert sich an das letzte Ereignis vor sieben Jahren: "Viele Betroffene haben gar nichts bekommen." Bürgermeister Kay-Uwe Böttcher fügt hinzu: "So eine Versicherung muss auch finanzierbar sein."
Viele Betroffene haben gar nichts bekommen.
Nicht nur für Privatpersonen geht es beim Thema Starkregen letztendlich um's Geld. Auch die Verbandsgemeinde Weida-Land wünscht sich eine bessere finanzielle Ausstattung sowie entbürokratisierte Förderprogramme. "Wir haben einen riesigen Verwaltungsaufwand für vergleichsweise kleine Summen", sagt Bürgermeister Böttcher. Die neue Starkregengefahrenkarten seien deshalb eine gute Handlungsgrundlage aber noch nicht die Lösung des Problems, sagen die Gemeindevertreterinnen und -vertreter vor Ort.
MDR (Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. November 2024 | 19:00 Uhr
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