Markt Eisleben 7 min
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Viele Händler vor dem Ruhestand So kämpfen Eisleben, Sangerhausen und Zeitz um ihren Wochenmarkt

06. März 2025, 18:45 Uhr

Fehlende Händler, immer älter werdende Kunden, leerstehende Geschäfte in den Innenstädten: Viele Wochenmärkte in den kleineren Städten Sachsen-Anhalts kämpfen mit den gleichen Problemen. In Eisleben, Sangerhausen und Zeitz gibt es nun verschiedene Ideen, um die Märkte wieder zu beleben.

MDR San Mitarbeiter Oliver Leiste
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Nein, dass auf dem Wochenmarkt in Eisleben die Standgebühren gesenkt worden, scheint sich noch nicht rumgesprochen zu haben. Seit dieser Woche gelten die neuen Preise. Statt bisher 5,50 Euro für einen Meter Verkaufsfront sind nun nur noch 1,50 Euro pro Verkaufstag fällig. Beim Besuch von MDR SACHSEN-ANAHLT in der Lutherstadt ist zwischen den Ständen – acht sind es an diesem Morgen – reichlich Platz. Der alte Luther schaut aus seinem Denkmal vergnügt in die aufgehende Frühlingssonne. Doch sonst ist nicht viel los aus dem Marktplatz in Eisleben.

Händler leben seit Jahrzehnten für den Wochenmarkt

Auch Marktchef Siegmund Michalski sagt: "Ich habe durch die Gebührensenkung nicht eine zusätzliche Anmeldung. Lediglich ein Händler hat seinen Stand etwas vergrößert." Nun war es der erste Tag überhaupt, an dem die neue Gebührenordnung galt. Und die Marktsaison geht mit dem beginnenden Frühling auch erst richtig los. Repräsentativ sind diese Eindrücke also nicht. Dennoch herrscht in Eisleben eine gewisse Skepsis, ob die gesenkten Standgebühren den Markt tatsächlich attraktiver für Händler und dann auch für die Kundschaft machen. Und das ist letztlich das Ziel, welches die Stadtoberen zu der Entscheidung bewogen hat.

Kerstin Klase steht auf dem Markt in Eisleben und verkauft Obst und Gemüse
Kerstin Klade und ihr Mann sind seit Jahrzehnten auf dem Esleber Wochenmarkt zu finden. Bildrechte: MDR/ Oliver Leiste

Obsthändlerin Kerstin Klade, die seit Jahrzehnten in Eisleben und Hettstedt verkauft, sagt zwar: "Wir haben uns nie über die Gebühren beschwert." Dass sie nun niedriger sind, findet sie natürlich gut. Aber ob das dem Markt wirklich hilft, bezweifelt sie. Ähnlich schätzt es Honigverkäufer Ingolf Heilmann am Nachbarstand ein. Er ist in einer Händlerfamilie in Merseburg groß geworden und stand dort schon als junger Mensch mit seinen Eltern regelmäßig auf dem Marktplatz. "Doch nach der Jahrtausendwende hat sich der Obst- und Gemüsestand nicht mehr gelohnt."

Heute vermietet Heilmann ein paar Wohnungen und lebt hauptsächlich davon. Außerdem betreibt er eine Imkerei in Wolferode und verkauft den eigenen Honig dann auf dem Wochenmarkt in Eisleben. Aus Liebe zu seinen Produkten und auch, weil er auf das Marktgefühl und die Kunden nach all den Jahren nicht verzichten möchte.

Ingolf Heilmann steht auf dem Markt in Eisleben und verkauft Honig.
Ingolf Heilmann liebt das Marktleben seit seiner Kindheit. Bildrechte: MDR/ Oliver Leiste

Gebührensenkung kommt "viel zu spät"

Biografien wie die von Ingolf Heilmann hört man immer wieder auf den Märkten im Süden Sachsen-Anhalts. Viele Händlerinnen und Händler haben ihr ganzes Berufsleben dem Wochenmarkt verschrieben. So auch die 65-jährige Roswitha Einecke, die eigentlich Industriekauffrau gelernt hat. Doch nach der Wende fand sie mit zwei Kindern keine Arbeit und folgte deshalb ihrer Mutter auf den Wochenmarkt.

Die Gebührensenkung in Eisleben kommt für sie "viel zu spät". Viele umliegende Wochenmärkte seien bisher deutlich günstiger gewesen, erzählt sie. Selbst in Niedersachsen, wo sie ebenfalls regelmäßig unterwegs ist. "Die Händler werden jetzt nicht wiederkommen", ist sie sich sicher. "Weil es gar nicht mehr so viele gibt." Sie selbst steht kurz vor der Rente. Ihre Kinder haben keinerlei Interesse, das Geschäft zu übernehmen.

Roswitha Einecke steht auf dem Markt in Eisleben 1 min
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MDR FERNSEHEN Do 06.03.2025 08:48Uhr 00:31 min

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Regional einkaufen liegt im Trend, Märkte profitieren kaum

Und landauf, landab hören Händlerinnen und Händler auf – vor allem aus Altersgründen. Die Zahl der Gewerbetreibenden in diesem Bereich sinkt seit Jahren. Das belegen Daten des Statistischen Landesamtes. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal verstärkt. Dass es schwer sei, neue Stände für die Märkte zu gewinnen, hört man deshalb auch in vielen anderen kleineren Städten – etwa in Sangerhausen oder Zeitz.

Daran ändert auch die derzeitige Vorliebe vieler Menschen für regionale Produkte wenig. Die meisten Lebensmittelhändler auf den Wochenmärkten bieten Erzeugnisse aus der Region an, viele von ihnen sind Direktvermarkter. Vom Verkauf an ihren Ständen haben sie ein gutes Auskommen und oft auch treue Kundinnen und Kunden. Am fehlenden Zuspruch der Märkte insgesamt ändert das wenig.

Das liegt auch an der Konkurrenz, glaubt Arnold de Vries, Chef des Direktvermarktervereins in Sachsen-Anhalt:  "Regional einzukaufen liegt im Trend. Allerdings haben das auch die Supermärkte verstanden, wo es immer mehr regionale Produkte gibt, oftmals entsprechend gelabelt."

Zahl der Gewerbetreibenden sinkt, Umsätze steigen wieder

Es gibt immer weniger Gewerbetreibende in den Bereichen Lebens- und Genussmittel, Bekleidung und sonstigem. Das zeigen Zahlen des Statistischen Landesamtes. Besonders durch die Corona-Pandemie scheinen sehr viele Händler aufgehört zu haben und nicht wieder eingestiegen zu sein. Im Bereich Textilien, Bekleidung und Schuhe ist der Rückgang am höchsten. Mehr als die Hälfe der größeren Händler hat aufgehört.

Die übrig gebliebenen Händler können dafür ihre Umsätze steigern. Wie aus den Zahlen hervorgeht, nehmen sie jetzt ein Teil des Umsatzes mit, den vorher die Konkurrenz bekommen hat. Während also die Zahl der einzelnen Händler zurückgeht, steigt der Umsatz. Einzelne verdienen also im Schnitt mehr. Am umsatzstärksten ist der Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln, Getränken und Tabakwaren an Verkaufsständen und auf Märkten. Dabei muss man berücksichtigen, dass ein Teil der Umsatzsteigerung inflationsgetrieben ist. 

"Handel im Wandel lässt sich nicht aufhalten"

Für Siegmund Michalski, Geschäftsführer des Eigenbetriebs Märkte in Eisleben, ist die Gebührensenkung auf dem Wochenmarkt letztlich "nur ein Herumdoktern an den Symptomen". Die wirklichen Ursachen für wenig Händler und überschaubare Kundenzahl würden so nicht gelöst. Die sieht er unter anderem bei der überalterten Bevölkerung, der geringen Kaufkraft, dem enormen Leerstand in der Eisleber Innenstadt und der starken Konkurrenz im Online-Shopping. "Der Handel ist im Wandel. Mit dem Internet können wir nicht mithalten. Und viele Familien wollen beim Shoppen auch etwas erleben. Deswegen fahren sie dann nach Leipzig oder Erfurt."

Ein Mann in blauem Jackett steht vor einem Whiteboard
Siegmund Michalski leitet den Eigenbetrieb Märkte in Eisleben, der auch das Volksfest Eisleber Wiese organisiert. Bildrechte: MDR/ Oliver Leiste

Hinzu kommt, dass Eisleben seit der Gemeindegebietsreform keine Kreisstadt mehr ist. Viele Ämter und Behörden – vor allem aber deren Mitarbeitende – sind nur noch in Sangerhausen zu finden. Wie man dem Ganzen neben der Gebührensenkung begegnen könne, um wieder für etwas mehr Leben in der Innenstadt zu sorgen? Michalski zuckt mit den Schultern.

Neuer Markttag in Sangerhausen

Ein paar Kilometer weiter, in Sangerhausen ist man bei den Überlegungen schon etwas weiter. Der Leerstand ist hier – gefühlt – etwas geringer. Die Zahl der Stände ist an diesem Tag knapp doppelt so hoch wie in Eisleben. Die grundsätzlichen Probleme – Altersstruktur, Händlerschwund, geringer Zulauf im Zentrum – kennt man aber auch hier.

Um die Attraktivität der Innenstadt zu erhöhen, soll ein zusätzlicher Markttag eingeführt werden. Neben den wöchentlichen Terminen Dienstag und Freitag sollen die Stände künftig einmal im Monat auch am Samstag aufgebaut werden. Das hat der Stadtrat kürzlich beschlossen.

Marktplatz Sangerhausen
Mit einem zusätzlichen Markttag will Sangerhjausen die Innenstadt am Wochenende beleben. Bildrechte: Kristin Hochhäuser

"Das Angebot richtet sich vor allem an Berufstätige und Familien", sagt Marktmeisterin Sylvia Jungmann. "Denn diese haben in der Woche oft keine Möglichkeit, den Markt zu besuchen." Zugleich hoffen sie in Sangerhausen, so die an Wochenenden oft verwaiste Innenstadt zu beleben. "Die Innenstädte in unserer Region haben es alle bitter dringend nötig. Deswegen hoffen wir, dass wir gegenseitig voneinander profitieren. Die Wochenmarkthändler, die Innenstadthändler und auch wir als Stadt." Start für den neuen Samstagsmarkt ist wahrscheinlich am zweiten April-Wochenende. Aktuell läuft noch die Suche nach Händlern, die den Samstag als Verkaufstag nutzen wollen, so Jungmann.

Zeitz: Ärztezentrum sorgt für Belebung

Zum Abschluss noch ein Blick nach Zeitz. Auch hier sieht man auf dem Roßmarkt ein ähnliches Bild. Wenig Stände, viele ältere Verkäuferinnen und Verkäufer, leerstehende Geschäfte. Der riesige Edeka direkt am Ende der Fußgängerzone spricht auch nicht unbedingt dafür, dass sich hier ein Marktbesuch lohnen könnte. Zumal das regionale Angebot eines der großen Werbebotschaften des Konzerns ist. Doch der Eindruck täuscht. Am Eierstand eines Hühnerhofs aus dem Ortsteil Nonnewitz herrscht reger Betrieb. Am Wagen des Bäckers stehen die Menschen für Kuchen Schlange.

Ein Mann und eine Frau stehen vor einem Wagen auf dem Roßmarkt in Zeitz und verkaufen Eier und landwirtschaftliche Produkte.
Philipp (r.) und Malwina Zimmermann betreiben einen Hühnerhof samt Hofladen und gehören zu den wenigen jüngeren Verkäufern auf dem Zeitzer Wochenmarkt. Bildrechte: MDR/ Oliver Leiste

 "Seit hier vor einem Jahr ein neues Ärztezentrum in der Stadt eröffnet hat, ist der Zustrom der Kunden deutlich gestiegen", hat Martin Exler beobachtet. Er organisiert mit seiner Agentur neben den beiden Wochenmärkten in Zeitz auch den Weihnachtsmarkt, das Stadtfest und zahlreiche andere Veranstaltungen. "Nur ist das bei den Händlern eben noch nicht angekommen", gibt er freimütig zu.

Ein Mann steht auf dem Altmarkt in Zeitz. 2 min
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Händler sollen neue Händler werben

Nun versucht Exler, wie seine Kollegen in Sangerhausen oder Eisleben, neue Stände für den Markt zu gewinnen. Sein Ansatz: Händler werben Händler. "Viele sind mittwochs hier und an den anderen Tagen in anderen Städten der Umgebung. Das geht bis nach Jena. Dort sind sie mit vielen anderen Händlerinnen und Händlern in Kontakt. Und von einem vollen Markt mit vielen verschiedenen Angeboten profitieren sie am Ende auch", glaubt Exler. Wenn es die bestehenden Händler neue empfehlen, bekommen sie eine Zeit lang die Standgebühr erlassen. Auch für die Neulinge gäbe es Rabatt. "Wirklich viele Reaktionen auf das Angebot gab es bisher nicht", räumt der Marktchef ein. "Aber wir müssen es ja zumindest versuchen."

Eine Schlange steht am Bäckerei-Wagen auf dem Zeitzer Roßmarkt.
Schlangen wie hier am Bäckerei-Wagen in Zeitz wünschen sich die Marktverantwortlichen viel öfter,. Bildrechte: MDR/ Oliver Leiste

Es sind optimistische Gedanken wie diese, die die kleineren Innenstädte im Süden Sachsen-Anhalts am Leben halten. Die Demografie und gesamtgesellschaftliche Probleme können sie in Zeitz, Sangerhausen oder Eisleben nur schwerlich ändern. Aber die Verantwortlichen wollen zeigen, dass ihre Orte weiterhin lebenswert sind – und es für Bewohner und Handeltreibende auch bleiben.

MDR (Oliver Leiste, Leonhard Eckwert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. März 2025 | 08:30 Uhr

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