Ausgestelltes Massengrab Neues "Museum Lützen 1632" rückt Dreißigjährigen Krieg in anderes Licht
Hauptinhalt
30. Oktober 2024, 11:02 Uhr
Die Schlacht bei Lützen im Jahr 1632 war eine der entscheidenden Schlachten des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648). Dabei starben rund 9.000 Menschen, darunter der schwedische König Gustav II. Adolf. 47 der getöteten Soldaten wurden 2011 in einem Massengrab gefunden. Das neugebaute Museum Lützen 1632 zeigt den spektakulären Fund in einer modernen Ausstellung. Hier wird von den Leiden der Menschen erzählt, eine Verbindung zur Gegenwart gezogen und die große Frage gestellt: Wie kommt es zu Kriegen?
- Das neue Museum Lützen 1632 eröffnet am 31. Oktober 2024 fürs Publikum.
- Eine modern gestaltete Ausstellung setzt sich mit der blutigsten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges auseinander.
- Herzstück des Museums ist ein Massengrab mit 47 Skeletten von Soldaten.
Ausgeplündert, aller Wertsachen und brauchbaren Kleidungsstücke beraubt, werden im November 1632 47 schwedische Soldaten kopfüber, kopfunter, kreuz und quer in ein hastig ausgehobenes Massengrab geworfen. Fast vier Jahrhunderte liegen sie unter Lützener Feldern, bis Archäologen das gesamte Massengrab als großen Erdblock bergen. Harald Meller, Landesarchäologe in Sachsen-Anhalt, sagt dazu: "Für mich das bedeutendste Antikriegsdenkmal, das man sich überhaupt vorstellen kann."
Im Landesamt für Archäologie Halle werden die Skelette im 50 Tonnen schweren Erdblock freigelegt, anthropologisch und genetisch untersucht und anschließend konserviert. 2016 ist der Block das spektakuläre Highlight der Ausstellung "Krieg. Eine archäologische Spurensuche" in Halle und Wien. Nun bekommt die Grabstätte der unbekannten Soldaten ein eigenes Museum an jenem Ort, wo die Männer vor 392 Jahren starben.
Sakrale Ruhestätte und modernes Museum in Lützen
Wer von Leipzig nach Lützen fährt, muss sich an einen neuen Anblick gewöhnen. Nicht der gusseiserne Schinkelbaldachin der Gustav-Adolf-Gedenkstätte ist als Erstes zu sehen, sondern eine Betonmauer. Unter dem in Richtung Ort geneigten Pultdach ein schmales Fensterband – das Museum Lützen 1632. Trotz seiner bunkerähnlichen Anmutung ist es kein historisches Schlachtfeldmuseum, sondern soll den Dreißigjährigen Krieg mit heutigen Fragen verknüpfen.
Krieg gestern und heute
Die Leiterin der Städtischen Museen Lützen, Manuela Dietz, erläutert: "Das Massengrab und überhaupt das Thema militärische Auseinandersetzung gehören auch zu unserer Gegenwart. Also wie kommt es überhaupt dazu, dass Menschen sich gegenüberstehen, in feindlich gesinnten Armeen? Wie baut man Feindbilder auf?" Im Erdgeschoss des neuen Museums will sie darüber diskutieren lassen, sollen Vorträge, Ausstellungen und Workshops stattfinden.
Die Etage darunter mutet in ihrer steinernen Schlichtheit fast sakral an. Doch im Mittelpunkt steht kein Altar, sondern das dreieinhalb mal vier Meter große Massengrab. Senkrecht in eine tiefschwarze Wand eingelassen und perfekt ausgeleuchtet, wirkt es wie ein Kunstwerk. "Es steht wie ein Bild riesig vor die Wand gerückt. Und es ist sehr, sehr eindrucksvoll", sagt Archäologe Harald Meller.
Archäologen in Halle untersuchen Skelette
Über ein Jahr lang haben die halleschen Archäologen die 47 unbekannten Toten untersucht. Sie gehörten zu einer schwedischen Eliteeinheit, der "Blauen Brigade". Allerdings kommen nur fünf eindeutig aus Skandinavien. Nicht ungewöhnlich in einer Zeit, da man sich als Söldner dem verdingte, der den besten Lohn zahlte. Die an den Knochen nachweisbare Mangelernährung zeigt, es waren bettelarme Menschen, Hungerleider, die den Soldatenberuf ergriffen, um zu überleben. Die "Blaue Brigade" besteht aus älteren, kampferprobten Männern, die schon so manche Hiebwunde oder Schussverletzung überlebt haben. Bis am 6. November 1632 ihr letztes Stündlein schlägt, als Wallensteins Kavallerie sie von der Seite angreift.
Die schwedische Armee und Wallensteins Truppen ziehen sich am Abend vom Schlachtfeld zurück, ohne dass eine Seite gesiegt hat. Die Lützener Bauern müssen in den Folgetagen und Wochen die gefallenen Soldaten, die getöteten Pferde begraben. Die Toten werden achtlos in Gruben geworfen. So auch 46 in dem nun ausgestellten Massengrab. Den 47. aber hat man wie einen gekreuzigten Christus über die anderen toten Soldaten gelegt. Für Harald Meller ein Symbol, dass der Glaube "uns eigentlich alle eint". Doch man kann ihn auch missbrauchen, um Feindbilder zu konstruieren. Die Folgen davon sind eindrucksvoll im Museum Lützen 1632 zu sehen.
Informationen zum Museum:
Museum Lützen 1632
Das Museum ist fürs Publikum ab dem 31. Oktober 2024 geöffnet. An diesem Tag ist der Eintritt frei.
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr
Eintritt:
5 Euro, ermäßigt 3 Euro
Adresse:
Gustav-Adolf-Straße 42
06686 Lützen
Redaktionelle Bearbeitung: lig, hki
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Oktober 2024 | 14:45 Uhr