Wahl in Raguhn-Jeßnitz Deutschlands erster gewählter AfD-Bürgermeister: Wer ist Hannes Loth?

03. Juli 2023, 16:15 Uhr

Der AfD-Landtagsabgeordnete Hannes Loth ist neuer Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz. Während der Pandemie organisierte er Protest gegen die Corona-Politik – und verdiente gleichzeitig an dieser. In der AfD stand Loth bislang in der zweiten Reihe. Sein Wahlkampf wurde erst auf den letzten Metern von der Parteipolitik unterstützt.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

"Wir beobachten das von ganz Deutschland aus", hatte ihm AfD-Bundeschef Tino Chrupalla noch zugerufen. Jetzt ist Hannes Loth der erste gewählte hauptamtliche AfD-Bürgermeister Deutschlands. Am Sonntag setzte sich Loth in Raguhn-Jeßnitz gegen den parteilosen Nils Naumann durch. Bereits im ersten Wahlgang hatte er mit 40,7 Prozent vorne gelegen.

Der 42-jährige Loth trat 2013 in die AfD ein – im Gründungsjahr der Partei. Damals war der studierte Agraringenieur noch Betriebsleiter bei einem örtlichen Gemüsebau. 2016 zog er erstmals in den Landtag ein, 2021 erneut. Beide Male über die Landesliste der AfD.

Agrarpolitiker mit Erfahrung

Als agrarpolitischer Sprecher der Fraktion argumentierte er für die Renaturierung von Mooren, den Abschuss von Wölfen oder weniger Vorschriften für Landwirte. Wo andere AfD-Politiker den menschengemachten Klimawandel leugnen, kritisierte er die Klimapolitik der Landesregierung wiederholt als ineffizient.

Sachsen-Anhalts SPD-Chef Andreas Schmidt fasste Loths Wirken vor der Stichwahl so zusammen: "Hannes Loth weiß ein bisschen was von Landwirtschaft und Naturschutz, aber von den sonstigen Realitäten des Landes nur sehr wenig." Dabei macht der AfD-Mann seit sieben Jahren Kommunalpolitik im Stadtrat von Raguhn-Jeßnitz.

Für die AfD vor allem auf der Straße

Loth hatte im März 2015 schon einmal für ein Bürgermeisteramt kandidiert. Es war die Oberbürgermeisterwahl im nahegelegenen Köthen. Er erhielt 2,1 Prozent der Stimmen. Wenig später begann das erste große AfD-Hoch in Sachsen-Anhalt und im Bund.

Viele AfD-Demos der letzten Jahre hätten ohne Loth anders ausgesehen. Er stellte mit seinem blauen Pritschenwagen eine Bühne. In Raguhn und Umgebung organisierte er erst Kundgebungen gegen die Flüchtlingspolitik beziehungsweise "Gegen Merkel und ihre Helfer!", dann gegen die Politik in der Corona-Pandemie. Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld war ein landesweiter Hotspot der Proteste.

Währenddessen betrieb Loth ein Corona-Testzentrum mit mehreren Teststellen. Offenbar war das lukrativ. Gegenüber der Landtagsverwaltung hat Loth angegeben, zwischen 80.000 und 120.000 Euro brutto im Jahr verdient zu haben. Zusätzlich zu seiner Abgeordnetendiät.

Unterstützung von der Partei erst nach dem ersten Wahlgang

Der Wahlkampf in Raguhn-Jeßnitz hat ihn dem Vernehmen nach einen mittleren fünfstelligen Betrag gekostet. Ein Teil kam aus parteiinternen Spenden. Öffentliche Unterstützung aus Landes- und Bundes-AfD gab es aber erst nach dem ersten Wahlgang.

Loth hat versucht, die Partei aus dem Bürgermeisterwahlkampf herauszuhalten. Sein Stand im vom ehemaligen, extrem rechten Flügel-Netzwerk dominierten AfD-Landesverband ist nicht der Beste. Bei den letzten Vorstandswahlen schaffte er es beinahe nicht mehr in den Landesvorstand.

Die Zitate und Netzwerke, die zu einer Einstufung der AfD Sachsen-Anhalt als "rechtsextremistischer Verdachtsfall" geführt haben, haben vor allem andere geliefert. Loth hat dagegen allerdings nicht offen interveniert. Und zur Hilfe für Ukrainerinnen und Ukrainer sagte er, man sei nicht "das Weltsozialamt".

Bürgermeisterwahl ohne große Polarisierung

Anders als Robert Sesselmann, der erste gewählte AfD-Landrat aus Thüringen, hat Loth dennoch nicht versucht, die Kommunalwahl zu einer Abstimmung über die Bundespolitik zu machen. Stattdessen warb er mit seiner Arbeit als stellvertretender Stadtratsvorsitzender von Raguhn-Jeßnitz und einem Vorteil, dem er gegenüber seinem parteilosen Konkurrenten habe: den Draht in die Landespolitik, angebliche Kontakte zu Ministern und Ministerien.

Nach dem ersten Wahlgang hielten sich Loths Mitbewerber und die ausgeschiedenen Kandidaten mit Angriffen zurück. Es gab keine Wahlaufrufe gegen ihn, den AfD-Mann – und damit zumindest innerhalb von Raguhn-Jeßnitz keine starke Polarisierung im Wahlkampf, wie es sie im thüringischen Sonneberg gegeben hat.

Wenn Loth sein Amt antritt, muss er sein Landtagsmandat niederlegen. Hauptamtliche Bürgermeister dürfen nicht zugleich Abgeordnete sein.

MDR (Thomas Vorreyer, Moritz Arand) | Erstmals veröffentlicht am 02.07.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 02. Juli 2023 | 19:00 Uhr

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