Museumsbefragung Kunstmuseen wollen mit digitalen Angeboten neues Publikum anlocken
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17. August 2024, 03:00 Uhr
Museumsapp, digitaler Rundgang, Social Media – in der Museumsbefragung 2024 von MDR KULTUR wird deutlich: Museum kann mittlerweile auch digital sein. Immer mehr Kunstmuseen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ziehen mit und erhoffen sich dadurch neue Perspektiven und ein jüngeres, diverseres Publikum. Nur guter Wille reicht aber nicht. Immer wieder fehlt es Einrichtungen an Geld und Personal, um digitale Angebote langfristig umzusetzen.
- Digitale Anwendungen spielen in Museen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine immer größere Rolle.
- Jedoch wünschen sich viele Einrichtungen dahingehend mehr Unterstützung.
- Denn digitale Angebote können neue Zielgruppen ins Museum locken.
Schwere Schlossmauern, spitze Türme, ein Springbrunnen im Innenhof – das Schloss Wernigerode ist ein fast märchenhafter Ort. Wer hier zum ersten Mal ist, denkt nicht sofort an Digitalisierung. Doch die gibt es hier auch, sagt Christian Juranek. Seit mehr als 25 Jahren ist er Museumsdirektor am Schloss Wernigerode.
Schon länger habe er darüber nachgedacht, mehr digitale Angebote in seinem Museum umzusetzen. Corona sei dann, wie für viele andere Einrichtungen, ein Katalysator gewesen, sagt Juranek. Seitdem gibt es im Schloss Wernigerode einen digitalen Rundgang und Touchscreens, über die das Museumspublikum mehr zu den Ausstellungswerken erfahren kann.
Das einfache Abfilmen einer Ausstellung ist etwas absolut Eindimensionales. Das hat mit digitalem Zugang nichts zu tun.
Für Juranek müssen digitale Museumsangebote "eine gewisse eigene Intelligenz" haben. Das reine Abfilmen von Ausstellungen ist für ihn noch lange kein digitales Konzept: "Genauso gut könnte ich dann ein Buch drucken und dann einfach die Seiten abfilmen. Das hat mit digitalem Zugang nichts zu tun."
Sammlungen zunehmend auch online verfügbar
Wie im Schloss Wernigerode stellen sich viele Museen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mehr und mehr digital auf. Das bestätigt auch eine Befragung von MDR KULTUR und MDRfragt unter den mittleren und großen Kunstmuseen in Mitteldeutschland. Darin gaben 77 Prozent an, ihre Sammlung in Teilen auch online zur Verfügung zu stellen. Bei 19 Prozent ist das demnach geplant.
Dass man stundenlang vor einem Bild steht und es auf sich wirken lässt – diese Zeiten sind vorüber.
Dass immer mehr Museen auf digitale Angebote setzen, erklärt sich Barbara Steiner, Direktorin der Bauhausstiftung Dessau, damit, dass sich die Erwartungshaltung der Museumsgäste verändert habe: "Dass man stundenlang vor einem Bild steht und es auf sich wirken lässt – diese Zeiten sind vorüber."
Fehlende finanzielle und personelle Unterstützung
Audioguides per App, Social-Media-Kanäle, Touchscreens zum selber Ausprobieren. So einfallsreich die Museen sind – ganz so leicht ist es dann doch nicht. Denn um digitale Angebote langfristig umsetzen zu können, wünschen sich viele Einrichtungen mehr Unterstützung auf finanzieller und personeller Ebene.
Digitale Tools für mehr Barrierefreiheit
In der Museumsbefragung 2024 von MDR KULTUR gab fast die Hälfte der Einrichtungen an, sich in finanzieller Hinsicht nicht genügend unterstützt zu fühlen. Noch mehr Probleme gibt es auf personeller Ebene: Dort fehlt es fast 70 Prozent der Museen aus eigener Sicht an Unterstützung.
Dabei könnten sich Einrichtungen mithilfe der Digitalisierung für Zielgruppen öffnen, die sonst ihren Weg seltener ins Museum finden, meint Barbara Steiner vom Bauhaus Dessau: "Das Bewusstsein für ein hetereogeneres Publikum wächst auch." Nicht nur ein jüngeres Publikum könnte durch digitale Angebote mehr angesprochen werden. Auch im Bereich Inklusion würden Museen davon profitieren.
Im Bauhaus Dessau gibt es deshalb gezielte Angebote für Menschen mit Lernschwächen oder körperlichen Behinderungen: zum Beispiel Museumsführungen in einfacher Sprache oder Videos in Gebärdensprache, die gehörlose Besucherinnen und Besucher durch das Haus führen.
Digitalisierung, ein Risiko für das Museumspersonal?
Trotzdem verunsichert die voranschreitende Digitalisierung auch einige – vor allem das Museumspersonal. Christian Juranek hat das in seinem Museum selbst erlebt: "Als wir die ersten Audioguides gemacht haben, da sind unsere Kolleginnen und Kollegen, die die Führungen machen, auf uns zugekommen und hatten Angst um ihre Tätigkeit."
Das Digitale verdrängt nichts, sondern es ist ein Zusatzangebot.
Das brauchen sie laut Juranek aber gar nicht: Das Digitale werde die analoge Arbeit nicht verdrängen, sondern viel mehr ergänzen.
Das Museum wird ein Ort bleiben, an dem sich die Besuchenden ganz analog mit Objekten, Kunstschaffenden und Geschichte auseinandersetzen – da sind sich die Befragten größtenteils einig. Digitalisierung kann aber gleichzeitig ein Türenöffner für Museen sein: für neue Perspektiven, modernere Ansätze und neue Zielgruppen.
Hinweise zur Museumsbefragung 2024
MDR KULTUR hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, die 34 mittelgroßen und großen Kunst- und Kulturmuseen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die eine eigene Kunstsammlung besitzen, befragt. 26 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Die Umfrage unter der MDRfragt-Community fand vom 5. bis 12. Juli 2024 statt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 19.056 Menschen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie unter dieser Erklärungsbox.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. August 2024 | 06:30 Uhr