KI in Mitteldeutschland Welche Berufe mit KI kommen und welche vielleicht doch nicht gehen

27. September 2024, 09:09 Uhr

Bei der Firma Frerotec in Gernrode im Harz laufen derzeit KI-Trainer durchs Haus. Sie schauen, welche Prozesse eine KI übernehmen könnte. KI-Trainer – ein neuer Beruf, den es einige Jahrzehnte geben könnte, sagt Berufeforscherin Britta Matthes. Übersetzer hingegen, braucht man sie noch? Auf jeden Fall verändert sich das Berufsfeld.

Drehen, Fräsen, Schleifen – bei Frerotec in Gernrode wird Metall bearbeitet. Mit Künstlicher Intelligenz hat das Unternehmen bislang nichts zu tun. Geschäftsführer Claudius Borgmann will das ändern. Er hat sich Experten für Künstliche Intelligenz vom Mittelstand-Digital Zentrum Magdeburg kostenfrei ins Haus geholt: Juliane Höbel-Müller und Sergii Kolomiichuk. "Die Trainer sind erst einmal da, um zu verstehen, wie unsere Abläufe sind. Und auf Basis der Abläufe diskutieren wir, wo wir Einsatzbereiche finden", sagt Geschäftsführer Borgmann.

Borgmann hat die Trainer mit einem klaren Ziel nach Gernrode bestellt: Prüfen, wo sich Prozesse im Unternehmen digitalisieren lassen, um sich noch breiter aufzustellen. Jetzt sind die KI-Trainer schon zum zweiten Mal da, durchleuchten die Verfahrensweisen in dem Unternehmen mit 18 Mitarbeitern, schauen, welche davon optimiert werden können und wo sich dafür der Einsatz von KI lohnen könnte. Dafür schauen sie sich die Werkshalle an, die nach Metall und Bohrmilch riecht, die Lieferprozesse und auch das Archiv.

Frerotec will Angebotskalkulation verbessern

Bei Frerotec ist es vor allem das Archiv, das die Trainer interessiert, die Auftragsgeschichten, die dort lagern. Denn inzwischen ist ziemlich klar, wo dort KI eingesetzt werden könnte – bei der Kalkulation der Angebote. Denn die ist recht schwierig. Weil Frerotec meist Einzelstücke bis maximal zehn Werkstücke herstellt, muss für jeden Interessenten ein extra Angebot erstellt werden. Das bedeutet bei jeder Anfrage den Gang ins Archiv, die Suche nach ähnlichen Arbeiten, wie Borgmann erzählt.

Ich muss nicht versuchen, jedes Problem mit KI zu lösen, sondern vom Problem her denken und schauen, welche Werkzeuge es dafür gibt.

Sergii Kolomiichuk, KI-Trainer Mittelstand-Digital Zentrum Magdeburg

Das frisst viel Zeit und bremst das Unternehmen aus. "Da hoffen wir, dass die KI in der Lage ist, anhand der Auftragshistorie die Abhängigkeiten zu erkennen", sagt KI-Trainer Kolomiichuk. Gemeint sind die verschiedenen Bearbeitungsschritte, deren Dauer und die damit verbundenen Kosten. Dann könne die KI eine erste Kalkulation machen. 

Höbel-Müller und Kolomiichuk schauen, was an Daten da ist, welche Daten für welches Problem Mehrwert bringen. Kolomiichuk will den Unternehmen die Technologie nahe bringen, Ängste nehmen, zeigen, dass auch kleinere Unternehmen von der Technologie profitieren. "Das Verstehen des Problems muss hier in den Vordergrund gestellt werden", sagt er, "und die KI als Werkzeug. Das heißt, ich muss nicht versuchen, jedes Problem mit KI zu lösen, sondern vom Problem her denken und dann schauen, welche Werkzeuge es dafür gibt".

Berufeforscherin: KI-Berater gibt es vielleicht in 100 Jahren noch

Die KI-Trainer arbeiten in einem neuen Tätigkeitsfeld, sie wurden geschult und schulen, analysieren Prozesse, geben Workshops. Der Bereich ist jung, hat aber aus Sicht von Berufeforschern großes Potenzial: KI-Trainer und KI-Berater wird es wohl noch die nächsten 20 und könnte es auch die kommenden 100 Jahre geben, sagt die Berufeforscherin Britta Matthes. Das liege daran, dass KI auf Lernen und Trainieren basiere und weil viele Prozesse in den Firmen bei einem KI-Einsatz "einfach grundsätzlich anders ablaufen müssen als wir sie traditionell kennen".

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Matthes leitet die Forschungsgruppe Berufe in der Transformation am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), sie verfolgt, wann neue Berufe auftauchen und wann sie verschwinden. Sie hat gemeinsam mit Kollegen den sogenannten Job-Futuromaten gebaut. Eine Webseite. Wenn man dort Berufe eingibt, wirft der Job-Futuromat den Automatisierungsgrad heraus. Bei Journalisten liegt der bei zwei Kerntätigkeiten bei 40 Prozent. Bei Übersetzern bei 100 Prozent. 

Wir werden definitiv noch gebraucht.

Oliver Czulo, Professor für Übersetzungswissenschaft, Universität Leipzig

Das klingt vernichtend. Und tatsächlich ist der Preisdruck auf die Freiberufler gewachsen, weil mit dem Verweis auf KI "zu Unrecht" die Preise gedrückt würden, sagt Oliver Czulo, Professor für Übersetzungswissenschaft an der Universität Leipzig. Dennoch ist für ihn klar:  "Wir werden definitiv noch gebraucht." Wenn etwa jemand eine Chemikalie vertriebe, die bereits in geringen Konzentrationen in der Luft Menschen töten könnte – "würden Sie die entsprechende Beschreibung einfach bei DeepL oder Google Translate hochladen, das einmal übersetzen lassen und beilegen? Würden Sie sich damit sicher fühlen?"

KI kann weder haftbar gemacht werden, noch hat sie Sinn für zwischenmenschliche Töne. Für die Übersetzer ist sie ein Werkzeug – und schafft Raum: "Es ist genauso wie in allen anderen Bereichen auch: Wir müssen einschätzen, ob die KI da tatsächlich hilft, oder ob sie einen Risikofaktor darstellt." Die Digitalisierung habe Übersetzern ganz neue Bereiche erobert, "wie zum Beispiel die barrierefreie Kommunikation, Untertitelung, Audiodeskription oder Genres, die es vorher noch gar nicht gab". Videospiel-Lokalisierung habe es etwa noch gar nicht gegeben, "also ein Videospiel sprachlich so zu gestalten, dass es mich wirklich mitnimmt, reinzieht und dass es Spaß macht, es zu spielen."

KI-Werkstatt

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Wer will, dass die KI gutew Ergebnisse ausspuckt, muss ihr sagen, was sie zu tun hat. Das nennt man "Prompten" – und ist eine Kunst für sich.

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Nach Czulos Beobachtung gibt es einen Markt für Übersetzer und Dolmetscher: Derzeit holten viele Institutionen und Unternehmen diese komplexer werdenden Dienstleistungen wieder ins Haus. "Wir spüren das daran, dass viele unserer Masterstudierenden schon vor dem Abschluss schrittweise oder sogar ganz in die Berufswelt übergehen." Und die KI? Mit der wird einfach gearbeitet, schon während des Studiums: "Wir integrieren diese neuen Möglichkeiten auch ins Studium."

Wenn Czulo über den Einsatz von KI erzählt, dann spricht er vom sogenannten ChatGPT-Moment. Der habe den Blick von außen auf die Übersetzer und Dolmetscher sehr verändert. Aber für Übersetzungen brauche es auch die Kenntnis der Zielkultur, die Kenntnisse der Feinheiten der Sprache. "Ich glaube, unser Job in der Zukunft ist es, diese Dinge stärker nach außen zu tragen und zu erklären, wofür wir eigentlich da sind und was wir können."

Berufeforscherin: Alle Berufe werden sich ändern

Das ist eine Ansicht, die auch die Berufsforscherin Matthes vom IAB teilt. Sie hält die Angst, dass KI Berufe komplett übernehmen kann, für unbegründet. Auch in Zukunft, so sagt sie, sei fachspezifisches Wissen total notwendig – weil die KI ja nicht aus dem Nichts irgendwelche Ergebnisse produzieren könne. "KI ist nicht etwas, was für sich existieren kann."

Was bedeutet das jetzt für die Berufe – und auch Berufseinsteiger? Ohnehin werde schon jetzt tagtäglich mit KI gearbeitet, mitunter versteckt in Tools und Geräten, sagt Matthes. "Meine These ist, dass es wirklich keinen Beruf gibt, der sich nicht verändern muss." Schon jetzt könne man sich nicht darauf verlassen, dass ein derzeit gering automatisierbarer Beruf nicht-automatisierbar bleibt, denn die Technologien würden weiterentwickelt. Eine der nach Matthes Ansicht wohl wichtigsten zukünftigen Herausforderungen ist es daher, dass man sich permanent mit neuen Dingen beschäftigen und lernen muss.

Matthes: Arbeit geht nicht aus - aber vielleicht gibt es in einigen Berufen weniger

Dass KI Jobs abschafft, glaubt die IAB-Forscherin nicht: Voraussichtlich werde es in Zukunft zu wenige Menschen geben, die produktiv tätig seien. Denn neben der Herausforderung der ökologischen Transformation müsse auch noch der demografische Wandel bewältigt werden. "KI oder andere digitale Technologien können dabei helfen, das bestimmte Aufgaben automatisch erledigt werden und wir damit in den Berufen produktiver werden." Die Arbeit werde uns nicht ausgehen. Berufeforscherin Britta Matthes ist sogar zuversichtlich, dass viele Menschen dank KI-Unterstützung zufriedener arbeiten gehen werden.

Mit KI über KI Für den MDR-Schwerpunkt "Mit KI über KI" berichten wir über Themen rund um Künstliche Intelligenz. Doch nicht nur das. Wir arbeiten auch selbst mit KI-Anwendungen. So wurden die Interviews für diesen Artikel teilweise mit Hilfe von KI ausgewertet. Feedback senden Sie gern an team-zukunft@mdr.de.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. September 2024 | 09:50 Uhr

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