EU-Verordnung Greenwashing oder nachhaltig: Nachhaltigkeitsberichte geben Auskunft
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21. Oktober 2024, 12:19 Uhr
Kennen Sie ein Unternehmen, das seine Leute fair bezahlt, ökologisch produziert, Lieferanten niemals ausbeutet und wirklich jedem Angestellten eine Chance gibt? Wohl jedes Unternehmen würde das für sich gern in Anspruch nehmen. Nachhaltig zu sein, gilt als modern und schick. Ob aber Unternehmen wirklich nachhaltig sind, sollen sie künftig nachweisen. Die EU verpflichtet ab 2025 viele Firmen zu Nachhaltigkeitsberichten.
Annett Födisch hat schon drei Nachhaltigkeitsberichte geschrieben. Sie arbeitet für die Leipziger Gruppe, die in der Stadt Nahverkehr, Energie- und Wasserversorgung managt. Eine gedruckte Fassung ihres neuesten Berichts gibt es nicht. Das wäre ja nicht nachhaltig. Man könne das Dokument aber im Internet lesen, betont Födisch.
Der Bericht habe derzeit 100 Seiten, auch Bilder seien enthalten, so Födisch. "Dort schreiben wir rein, was unsere Unternehmensstrategie ist. Was unsere Ziele hinsichtlich Klima und Umwelt sind, hinsichtlich Sozialem und hinsichtlich Ökologie." Die drei Sachen gehörten immer zusammen.
Von Freiwilligkeit zur Pflicht
Die Leipziger Gruppe macht den Nachhaltigkeitsbericht freiwillig. Er ist ein Marketinginstrument und soll zeigen, was man Gutes tut. Doch ab nächstem Jahr muss der Nachhaltigkeitsbericht bürokratischen Standards genügen. Die EU macht ihn zur Pflicht für Firmen ab 250 Mitarbeitern.
Födisch berichtet, die neue EU-Richtlinie regele sehr viel konkreter, was berichtet werden müsse. Zudem müsse der Bericht durch einen Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Von der Struktur her bleibe es gleich, es müssten aber höhere Anforderungen erfüllt werden.
Wir müssen höhere Anforderungen erfüllen.
Verhaltene Begeisterung
Die EU will Nachhaltigkeit vergleichbar machen. Große Firmen sollen belegen, wie nachhaltig sie sind. Doch die meisten sind nicht begeistert. Gert Ziener, Geschäftsführer bei der IHK zu Leipzig, sagt, allein in Sachsen würden künftig 760 Firmen verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu schreiben, nur aufgrund ihrer Größe. "Das ist natürlich für die Unternehmen, die das bis dato noch nicht gemacht haben, ein riesiger zusätzlicher Aufwand, der auch zur Unzeit kommt." Man predige immer den Bürokratieabbau und habe derzeit auch eine sehr schlechte wirtschaftliche Lage, vor allem in Deutschland.
Ziener ergänzt, die Wirtschaft habe nichts dagegen, Nachhaltigkeit nachzuweisen. Ohnehin müsse man das gegenüber Banken tun, wenn man einen Kredit benötige. Künftig wolle die Politik öffentliche Aufträge an Nachhaltigkeit knüpfen. Auch dafür werde es Formulare geben. Es sei einfach zu viel, resümiert Ziener und spricht von einer multiplen Belastung. Ziener ergänzt: "Wir sagen immer, ones only muss gelten. Also eins reicht. Und dann kriegen wir eine gewisse Verhältnismäßigkeit auch hin."
Eins reicht. Dann kriegen wir eine gewisse Verhältnismäßigkeit auch hin.
Der TÜV meldet Ansprüche an
Jeder Nachhaltigkeitsbericht muss offiziell geprüft werden. Wer prüfen darf, ist umstritten. Die Bundesregierung will das Wirtschaftsprüfern überlassen. Der TÜV sieht sich dadurch benachteiligt. Geschäftsführer Joachim Bühler sagt, seine Organisation könne das ebenso gut.
Die TÜV-Organisationen machten seit Jahren mit dem Mittelstand Berechnungen über Energie-Audits, über CO2-Fußabdrücke. Bereits heute machten viele Unternehmen Nachhaltigsberichte, um sich am Markt zu differenzieren und der TÜV prüfe diese auch. "Wir würden es dann eben nach diesen neuen europäischen Standards machen", sagt Bühler.
Die Prüfung der Berichte ist ein millionenschwerer Markt, an dem der TÜV mitverdienen will. Geschäftsführer Bühler argumentiert, je mehr Organisationen prüfen dürfen, um so größer sei der Wettbewerb. Dann könnten die Preise für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte sinken.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 21. Oktober 2024 | 06:07 Uhr