Transformation Wenn der Denkmalschutz den Strukturwandel ausbremst

26. September 2023, 08:44 Uhr

Historische Industriegebiete in Deutschland stehen oft unter Denkmalschutz. Das bedeutet, dass die Gebäude häufig gar nicht so einfach im Sinne des Strukturwandels umfunktioniert oder gar abgerissen werden können. Dafür gibt es Kritik von Menschen, die die Energiewende vorantreiben und fossile Standorte nun nachhaltig nutzen wollen.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Das Gebäude, das Michael Geißler gern abreißen würde, steht unweit des nagelneuen Gaskraftwerks Leipzig Süd. Der Abteilungsleiter der Stadtwerke Leipzig führt vom Betriebsgelände in eine Sackgasse. Versteckt hinterm Bahndamm hat dort eine Kohle-Lagerhalle die Zeiten überdauert.

Geißler sagt: "Das ist ein schönes Backsteingebäude. Aber dann hört es auch auf. Das gibt es in der Umgebung von Leipzig oder der Umgebung von Braunkohlekraftwerken so oft, dass ich sage: Auf dieses eine kann man zur Not verzichten."

Denkmalschutz bleibt hartnäckig

Geißler will an gleicher Stelle Solarkollektoren aufstellen. Sie sollen für das angrenzende Wohnviertel Warmwasser erzeugen, klimafreundlich. Doch der Denkmalschutz sperrt sich. "Der Denkmalschutz hat uns mehrfach gesagt, dass er diese Halle als absolut erhaltenswert betrachtet. Und auf diesem Stand sind wir immer noch. Wir müssten jetzt nachweisen, dass wir die Halle nicht anders nutzen können", um ein Abrissverfahren überhaupt in die Wege leiten zu können.

"Und dort wurde uns seitens des Denkmalschutzes suggeriert: Wir kämpfen das aus. Notfalls vor Gericht." Geißler schüttelt den Kopf. Kaum ein Leipziger kennt die Halle. Sie steht fast 30 Jahre leer.

Auch Kohlekraftwerk in Sachsen-Anhalt bleibt unberührt

Einen vergleichbaren Konflikt gibt es ums Kohlekraftwerk Deuben in Sachsen-Anhalt. Es liegt im Wahlkreis von Rüdiger Erben. Der SPD-Politiker sagt, es sei das erste Kraftwerk, das für den Kohleausstieg stillgelegt worden sei. "Eigentlich habe ich mal unterstellt, dass da alle Wege freigemacht werden, dass an diesem Standort auch Strukturwandel stattfindet."

Doch bislang findet gar nichts statt. Jede Schraube, kritisiert Erben, habe Sachsen-Anhalt unter Denkmalschutz gestellt. Das mache eine Weiterentwicklung des Standorts für die Eigentümerin Mibrag fast unmöglich. Deshalb wünscht sich Erben, dass notfalls auch durch Gesetzesänderung der Denkmalstatus gelockert werde. Außerdem solle die zuständige Stadt Teuchern einen Bebauungsplan erlassen, der eine Industrienutzung dort an dem Standort vorsehe, meint der SPD-Politiker. "Dort gibt es niemanden, der dort ein großes Industriemuseum will, sondern die Menschen wollen, dass dort auch weiterhin lebendige Industrie vorhanden ist."

Denkmalschutz: Braunkohle hat nationale Bedeutung

Erben argumentiert, das Gelände habe alles, was moderne Industrie benötige: Straßen, Wasser, Strom. Doch das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie sieht in Deuben eben nicht zuerst ein Industriegebiet. Die Behörde teilte MDR AKTUELL schriftlich mit: "Der heutige Veredlungskomplex Deuben stellt einen historisch gewachsenen Standort dar und ist in seiner Dimension und Komplexität ein deutschlandweit einzigartiges Zeugnis der Entwicklung und der Verbundwirtschaft innerhalb der Braunkohleindustrie in Deutschland. Daher ist er aus denkmalfachlicher Sicht ein Objekt von nationaler Bedeutung."

Das "Objekt von nationaler Bedeutung" können allerdings nur Außerwählte besuchen. Die Mibrag hat einen Zaun drumherum gebaut.

Denkmäler als Teil der Kulturlandschaft erhalten

Braucht es überhaupt Denkmäler, die kaum einer besichtigen kann? Sachsens Landeskonservator Alf Furkert bejaht die Frage, auch in Bezug auf die Kohlelagerhalle in Leipzig: "Der Öffentlichkeit nicht zugängliche Denkmale gibt es nun relativ viele." Das sei der ganze große Bereich der technischen Denkmale – Fabrik-, Werks- oder Bergbau-Anlagen, die niemals begangen werden könnten, wie Schächte und Stollen. Trotzdem seien das Bestandteile der Denkmallandschaft, die auch die Gesamtheit der Kulturlandschaft ausmache.

Die Kohlelagerhalle in Leipzig müsse bleiben, findet Furkert. Über die Art der Sanierung könne man sprechen. Die geplanten Solarkollektoren könnten womöglich aufs Dach. Doch die Denkmal-Sanierung ist den Stadtwerken zu teuer. Und so passiert auch an der Halle erst einmal nichts.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. September 2023 | 06:09 Uhr

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