Andreas Mehlhorn
Andreas Mehlhorn ist der Vorsitzende des Fruchtsaftverband e.V. Auch er ist mit seiner Fruchtsaftkelterei von den wetterbedingten Ernteausfällen betroffen. Bildrechte: Dirk Dießel/dsl-factory.de

Interview mit Fruchtsaftverband Sachsen Große Ernteausfälle, weniger Früchte, Säfte teurer

24. September 2024, 10:05 Uhr

Für Obstbauern und Keltereien ist es ein verhängnisvolles Jahr. Bei den Äpfeln werden jetzt sogar Ernteausfälle bis zu 100 Prozent befürchtet. Das wird sich auch bei den Saftpreisen bemerkbar machen. Wir haben Andreas Mehlhorn vom Fruchtsaftverband Sachsen zur Marktlage befragt.

Warum hat der Fruchtsaftverband Sachsen e.V. auch Mitglieder aus den übrigen ostdeutschen Bundesländern?

Andreas Mehlhorn: Viele Betriebe waren in den einzelnen Bezirken der ehemaligen DDR über die Einkaufs- und Liefergenossenschaften organisiert. Die meisten dieser Liefergenossenschaften wurden mit der Wende aufgelöst. Auf der Suche nach einem neuen Rahmen für die Verständigung und Zusammenarbeit der einzelnen Keltereien wurde 1992 der Fruchtsaftverband Sachsen e.V. gegründet. Fortan wurden über den Verband die Interessen der Betriebe gebündelt und die jährliche Weiterbildung organisiert.

Sachsen war das einzige Bundesland, in dem es zur Gründung eines derartigen Landesverbandes kam. Aufgrund der kontinuierlich guten Arbeit des Sächsischen Fruchtsaftverbandes stellten immer mehr Keltereien aus den restlichen ostdeutschen Bundesländern Anträge auf Mitgliedschaft. Außer in Sachsen gibt es noch in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen Landesverbände, in denen, wie in Sachsen auch, hauptsächlich kleine und mittelständische Betriebe organisiert sind.

Wie viel Liter Obstsaft konnten 2024 eingefahren werden? Wie viel waren es 2023? Was ist "normal"?

Da die Apfelernte gerade erst angelaufen ist, kann man noch keine Aussage dazu treffen, wie viel Saft 2024 schlussendlich produziert werden wird. In Sachsen rechnen wir mit Ernteausfällen von 90-100 Prozent, dementsprechend weniger Saft wird produziert werden. Im langjährigen Schnitt werden etwa 6.000 Tonnen Obst von Mitgliedsbetrieben verarbeitet. 2023 waren es etwas unterdurchschnittliche 4.500 Tonnen. Es gab aber auch schon Erntejahre mit 10.000 Tonnen verarbeitem Obst.

In Sachsen rechnen wir mit Ernteausfällen von 90-100 Prozent, dementsprechend weniger Saft wird produziert werden.

Andreas Mehlhorn, Sächsischer Fruchtsaftverband, zur Ernteprognose

Bei welchen Obstsorten sind die Einbrüche besonders dramatisch?

Die Einbrüche betreffen dieses Jahr alle Obstarten: Beeren, Sauerkirschen, Äpfel und Quitten. Die drastischsten Auswirkungen haben die Ernteeinbrüche beim Apfel, weil dies die mengenmäßig am meisten verarbeitete Obstart der Keltereien ist.

Gibt es bei den Ernteausfällen große regionale Unterschiede innerhalb der ostdeutschen Bundesländer?

Die Ernteausfälle sind flächendeckend in allen ostdeutschen Bundesländern zu beobachten. Einzige Ausnahme ist die Ostseeküste. Durch das etwas mildere Meeresklima waren die Fröste dort nicht ganz so stark.

Haben sich die Verkaufspreise für den Großhandel dadurch verändert?

Die Rohwarenpreise sind durch die Decke gegangen, zum Teil haben wir mit Preissteigerungen von 150 Prozent im Einkauf zu kämpfen. Erst bei Orange, in der diesjährigen Ernte, dann besonders bei Sauerkirsche, Schwarzer Johannisbeere und jetzt auch beim Apfel. Da die Rohware einen großen Anteil an den Produktionskosten von Säften verursacht, spiegelt sich dies auch in gestiegenen Großhandels-, Einzelhandels- und Endverbraucherpreisen wieder.

Gibt es staatliche Unterstützung für finanzielle Ausfälle durch eingebrochene Ernten?

Bis jetzt leider nicht. Da die Keltereien keine eigenen Plantagen besitzen, sondern das Obst aus den Gärten der Menschen oder vom Obstbauern bekommen, sind sie bis dato von den staatlich anberaumten Hilfen ausgeschlossen. Und das, obwohl die Lage für die Keltereien genauso gravierend ist, wie für die Obstbauern selbst. Für manche können die Ernteausfälle in eine existenzbedrohende Lage führen. Der Sächsische Fruchtsaftverband hat in Zusammenarbeit mit den IHKs in Sachsen Kontakt zum Ministerium aufgenommen und eine Stellungnahme vorgelegt, welche die bedrohliche Lage verdeutlicht und die Verantwortlichen aufgefordert, sich der Situation der Keltereien anzunehmen.

Der Sächsische Fruchtsaftverband hat in Zusammenarbeit mit den IHKs in Sachsen Kontakt zum Ministerium aufgenommen und eine Stellungnahme vorgelegt, welche die bedrohliche Lage verdeutlicht und die Verantwortlichen aufgefordert, sich der Situation der Keltereien anzunehmen.

Andreas Mehlhorn, Sächsischer Fruchtsaftverband

Die Mitglieder in Ihrem Verband betrachtet: Wie sieht es mit den Nachfolgern für Unternehmen aus?

Leider gibt es auch unter den Mitgliedern des Sächsischen Fruchtsaftverbandes Nachwuchssorgen. Die Nachfolgesituation ist in vielen Keltereien ungeklärt, weshalb es in den letzten Jahren immer wieder zu Unternehmensaufgaben kam.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 24. September 2024 | 20:15 Uhr

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