Der Kohle-Zug-Betrieb in einer Grube des Tagebaus Cottbus-Nord.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Rainer Weisflog

Kohleausstieg Wohin fließen die Kohlemilliarden?

19. April 2024, 17:08 Uhr

Mit 40 Milliarden Euro Steuergeld soll der Strukturwandel im Lausitzer, Mitteldeutschen und Rheinischen Braunkohlerevier gestemmt werden. Doch fließt das Geld auch dorthin, wo es wirklich gebraucht wird? Mit einem neuen Datenprojekt verfolgt der MDR die Verteilung der "Kohlemilliarden" und macht sie damit für alle sichtbar.

Zwar ist mit rund 20 Milliarden Euro erst die Hälfte des Kohlemilliarden-Topfes verteilt, aber bereits jetzt zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern: Bei der Vergabe der durch die Länder selbstverwalteten Mittel ist Sachsen-Anhalt Vorreiter, während Nordrhein-Westfalen (NRW) hinterherhinkt. Das ergibt eine umfassende Analyse des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH). Dabei erhält NRW das größte Stück vom 40-Milliarden-Kuchen und Sachsen-Anhalt das kleinste.

Sachsen-Anhalt Vorreiter bei der Vergabe

Für das Mitteldeutsche Revier hatte das Land bis Ende 2022 bereits 43 Prozent seines bis 2026 verfügbaren Budgets fest verplant. Aber: Verplant heißt nicht ausgegeben. Die Gelder sind zwar bewilligt und konkreten Projekten zugedacht, tatsächlich abgeflossen sind aber nur 1,9 Prozent der verfügbaren 660 Millionen. In NRW hingegen war bis Ende 2022 kein einziges Projekt bewilligt. Von den rund zwei Milliarden Euro, die dem Rheinischen Revier bis 2026 zugedacht sind, waren null Prozent verplant. Dabei waren dort wesentlich weniger Förderanträge zu bearbeiten als etwa für das Lausitzer oder Mitteldeutsche Revier. Auch Sachsen und Brandenburg haben bisher weit weniger Fördergelder bewilligt als Sachsen-Anhalt.

Sachsen hat zwar wesentlich mehr Projekten zugestimmt – die binden aber gerade mal 18,3 Prozent des Budgets, das Sachsen für seine Teile des Lausitzer und Mitteldeutschen Reviers bis 2026 zur Verfügung steht. Dass an manchen Stellen die Bewilligungen so lange auf sich warten lassen, ist aber nicht nur auf Landesbehörden zurückzuführen. "Dass an manchen Stellen die Bewilligungen so lang auf sich warten lassen, muss aber nicht unbedingt die Schuld der Landesbehörden sein. Es ist genauso denkbar, dass Personalmängel bei den Antragstellern zu Verzögerungen führen", sagt Mirko Titze, der ebenfalls an der IWH-Studie beteiligt war. Besonders kleine Gemeinden seien da benachteiligt.

Bund: Schwerpunkt Verkehrsanbindung

Während die Länder also bisher nur einen kleinen Teil ihrer Mittel in einer Gesamthöhe von 14 Milliarden Euro verplant haben, hat der Bund bereits drei Viertel des von ihm verwalteten 26 Milliarden Euro umfassenden Budgetteils fest zugewiesen. Das liegt auch daran, dass mit den Bundesmitteln vor allem langfristig umzusetzende Infrastrukturprojekte in den Revieren finanziert werden – etwa eine bessere Zuganbindung der Lausitz oder die Fertigstellung der A72 bei Leipzig. Drei Jahre nach Beginn der Auszahlungen zeigt die erste Zwischenbilanz, dass Bund und Länder die Gelder vor allem in drei Bereiche leiten: Verkehrsprojekte, Standortausbau von Firmen und die Forschungsförderung.

Fachkräftemangel "größte Herausforderung"

Ob die Investitionen in den Revieren wirklich die von der Politik erhoffte Wirkung entfalten können, ist laut Oliver Holtemöller, dem stellvertretenden IWH-Präsidenten, noch nicht abzusehen. Die Verteilung der Subventionen hat erst 2020 begonnen. Aber schon jetzt verstärke sich in den Revieren der Fachkräftemangel. "Dieses Problem zu lösen, wird in den kommenden Jahren die größte Herausforderung", sagt Holtemöller. Projekte wie Kita-Neubauten, Schwimmbadsanierungen oder die Ansiedlung von Arztpraxen sollen beispielsweise die Lausitz attraktiver machen. Der erhoffte Effekt: Die Menschen bleiben nach dem Ende des Kohleabbaus in der Region und qualifizierte Fachkräfte ziehen zusätzlich hin. Laut Wirtschaftswissenschaftler Holtemöller sind Förderprojekte wie diese allerdings nur ein erster Schritt, um dem demografischen Problem etwa in der Lausitz zu begegnen: "Diese Projekte können Teil der Lösung sein, sie allein werden aber nicht reichen, um Menschen in der Region zu halten." Zudem empfiehlt er den politischen Entscheidern und Verwaltungen mehr Transparenz bei der Verteilung. Die Leute vor Ort fühlten sich nicht richtig mitgenommen, genau dies sei aber wichtig.

Der Kohle-Zug-Betrieb in einer Grube des Tagebaus Cottbus-Nord.
Der Kohle-Zug-Betrieb in einer Grube des Tagebaus Cottbus-Nord. Bildrechte: picture alliance/dpa | Rainer Weisflog

MDR-Projekt "Das Kohleupdate" bringt Klarheit

Das MDR-Datenprojekt "Das Kohleupdate" verfolgt, ob der große Plan vom Strukturwandel aufgeht und in den Revieren bis zum Kohleausstieg spätestens 2038 zukunftssichere Arbeitsplätze und eine nachhaltige Wirtschaft durch die Milliarden-Subventionen entstehen – oder das Geld in den Tagebau-Regionen langsam versickert. Stets aktuell werden die Daten zu den Ausgaben für Förderprojekte in den Braunkohleregionen dargestellt und vergleichend analysiert. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Analysen des IWH wird in dem Portal zudem auch bewertet, wie effektiv die staatlichen Gelder eingesetzt werden.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hinter dem Abgrund - Aufbruch im Lausitzer Kohleland | 28. November 2023 | 20:15 Uhr

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