Neuer Bundestag Mehr Sitze im Bundestag – aber weniger Abgeordnete aus Mitteldeutschland

30. September 2021, 13:00 Uhr

Die Bundestagswahl 2021 sorgte gleich für mehrere Überraschungen – und Fragen: Der Bundestag ist so groß wie nie, trotz einer Wahlrechtsreform, die genau das verhindern sollte. Gleichzeitig werden weniger Abgeordnete aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen entsandt. Werden die mitteldeutschen Bundesländer durch die Wahlrechtsreform benachteiligt?

Nastassja von der Weiden
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Die Bundestagswahl 2021 zeigt einige Besonderheiten des Wahlrechts auf, die bei den letzten Wahlen in Deutschland kein Thema waren: Die Linke zog in diesem Jahr trotz verpasster Fünf-Prozent-Hürde wegen der geltenden Grundmandatsklausel mit 39 Abgeordneten in den Bundestag ein und auch der Südschleswigsche Wählerverband SSW konnte über eine Sonderregelung erstmals seit den 50er Jahren wieder in den Bundestag einziehen.

Mehr Sitze im Bundestag, weniger Abgeordnete für Mitteldeutschland

Und dann ist da noch die Wahlrechtsreform, die dafür sorgen soll, dass der Bundestag nicht weiter wächst. 735 Sitze sind es im Jahr 2021, bisher waren es 709. Vorgesehen sind eigentlich 598 Abgeordnete. Hat die Reform also versagt?

Und: Trotz mehr Abgeordneten im neuen Bundestag ziehen weniger Abgeordnete für Mitteldeutschland ein. Florian Grotz, Professor für Politikwissenschaft, insbesondere Vergleichende Regierungslehre, an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, erklärt die reduzierte Anzahl mit Nebeneffekten der Wahlrechtsreform aus dem vergangenen Jahr.

Wahlrechtsreform hat Effekt auf Bundestagsgröße

Die große Koalition hat im Herbst 2020 eine Reform beschlossen, die zum Ziel hatte, die Bundestagsgröße effektiv zu begrenzen. Das sei aber nur eine "Mini-Reform" gewesen, sagt Florian Grotz, die teilweise umstritten sei. Man habe sich nur auf wenige Punkte einigen können. Das könne man auch daran sehen, dass Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und die FDP vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reform geklagt hatten.

Drei Überhangsmandate müssen seit der Reform nicht mehr ausgeglichen werden. Wenn diese Mandate nicht mehr ausgeglichen werden müssen, werde der Bundestag zwar etwas weniger groß, gleichzeitig habe jedoch eine Partei ungerechtfertigt einen Mandatsbonus – und genau das sei bei dieser Bundestagswahl geschehen.

CSU sorgt für 18 Ausgleichsmandate

Die Reform hat zwar einen dämpfenden Effekt auf die Größe des Bundestags, aber eine Partei hat letztlich doch dafür gesorgt, dass der Bundestag angewachsen ist: Die CSU. Die CSU gewann 45 von 46 Direktmandaten in Bayern. Durch die geringe Zweitstimmenzahl von 5,2 Prozent sind allerdings einige Überhangmandate entstanden, an der Zahl waren es elf. Drei von diesen elf Überhangmandaten mussten nach der neuen Wahlrechtsreform nicht ausgeglichen werden, bleiben noch acht. Für jedes nicht ausgeglichene Überhangmandat der CSU wurde der Bundestag um etwa 18 Mandate größer.

Ohne die Reform wären es übrigens 785 Sitze im Bundestag gewesen, erklärt Grotz weiter. Einen Effekt hatte die Reform also durchaus.

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Im neuen Bundestag sitzen 75 Abgeordnete aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Di 28.09.2021 18:57Uhr 00:24 min

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Effekt in Mitteldeutschland

Im Jahr 2017 zogen für Sachsen 38 Abgeordnete, für Sachsen-Anhalt 23 und für Thüringen 22 Abgeordnete in den Bundestag ein, insgesamt 83 Abgeordnete für Mitteldeutschland. 2021 sind es für Sachsen wieder 38 Abgeordnete, für Sachsen-Anhalt jedoch nur 18 und für Thüringen 19 Abgeordnete. Insgesamt sitzen also 2021 nur noch 75 Abgeordnete aus Mitteldeutschland im Bundestag – bei einem insgesamt größeren Bundestag. Wird Mitteldeutschland benachteiligt?

Nein, sagt Grotz. Die gesunkene Abgeordnetenzahl habe zwei Ursachen, "Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen waren im Bundestag 2017 überrepräsentiert. Denn genau in diesen Bundesländern sind Überhangmandate angefallen. In Sachsen waren es drei Überhangmandate, in Sachsen-Anhalt waren es vier und in Thüringen drei Überhangmandate", erklärt Grotz.

Im Vergleich zu 2017 seien die drei mitteldeutschen Länder nun durchschnittlich repräsentiert, sagt der Politikwissenschaftler. Dafür seien dieses Mal in anderen Bundesländern Überhangmandate angefallen: Zum Beispiel in Baden-Württemberg für die CDU und in Bayern für die CSU.

Appell: Wählen gehen!

Experte Grotz nennt noch eine zweite Ursache. Sachsen-Anhalt hatte im Bundesländervergleich bei dieser Bundestagswahl die geringste Wahlbeteiligung. So konnten auch am wenigsten Zweitstimmen auf die Bundestagsparteien entfallen. Florian Grotz appelliert deshalb an alle Wahlberechtigten:

Wichtig ist: Wählen gehen!

Bundestagswahl 2021 In Deutschland geben die Wählerinnen und Wähler bei einer Bundestagswahl zwei Stimmen ab. Die Zweitstimme ist die wichtigere Stimme, denn sie entscheidet darüber, wie viele der Sitze im Bundestag einer Partei jeweils zustehen. Wer also 30 Prozent der Zweitstimmen gewinnt, bekommt auch mindestens so viele Abgeordnetenposten im Bundestag. Dabei entscheidet sich die Wählerin oder der Wähler für eine Liste von Kandidatinnen und Kandidaten, die von den Parteien aufgestellt wird.

Allerdings zählen die Zweitstimmen nur, wenn die Partei über die Fünf-Prozent-Hürde kommt oder mindestens drei Direktmandate gewinnen konnte. Letzteres war bei der Bundestagswahl 2021 bei der Partei Die Linke der Fall. Sie verpasste knapp die 5-Prozent-Hürde. Aber sie gewann drei Direktmandate und zieht mit 39 Abgeordneten in den Bundestag ein.

Es gibt 299 Wahlkreise in Deutschland. In jedem Wahlkreis stellen die Parteien jeweils eine Kandidatin oder einen Kandidaten auf, der direkt zur Wahl steht. Und zwar mit der Erststimme. Wer in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen gewinnt, bekommt ein direktes Mandat. Alle anderen Bewerber gehen leer aus. Die Erststimme sorgt also dafür, dass mindestens ein Politiker aus jeder Region Deutschlands vertreten ist. Die Wahlkreise sollen im Zuge der Wahlrechtsreform auf 280 Wahlkreise reduziert werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 30. September 2021 | 06:00 Uhr

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