Eine Pflegerin begleitet eine betagte Dame am Rollator. Darüber steht der Schriftzug: "Gesagt, getan? Die Bilanz der Großen Koalition."
Koalitionsvertrag 2018: "Gesagt, getan?" – Die Bilanz der Großen Koalition. Bildrechte: MDR/dpa

Koalitionsvertrag im Check | Teil 10 Altenpflege: Noch Luft nach oben

18. September 2021, 05:00 Uhr

Bessere Pflege durch mehr Geld und mehr Personal: Die Ziele, die sich die 2017 gewählte Regierung gesteckt hat, waren hoch. Vom Personalstärkungsgesetz bis hin zur Pflegereform 2021 hat die Bundesregierung einiges auf den Weg gebracht. Bewirkt haben diese Gesetze bisher aber nur wenig. Die Zahl der Pflegekräfte konnte nicht wie geplant erhöht werden und noch immer gibt es ein Ost-West-Gefälle bei den Löhnen in der Pflege.

Die Pflege ist ein Berufsfeld, das für viele Menschen unattraktiv geworden ist. Schlechte Bezahlung, Schichtdienste, schwere körperliche Arbeit. Aber die Menschen in der Bundesrepublik werden immer älter und damit steigt auch der Bedarf in der Pflege.

In den vergangenen vier Jahren wurde deshalb die Pflege ganz besonders in den Blick genommen. Auch durch die Große Koalition der zu Ende gehenden Legislaturperiode:

Wir werden sicherstellen, dass alle auch zukünftig eine gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis zum Ende ihres Lebens erhalten, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort.

Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD

Mehr Personal in die Pflege

Bereits 2018 wurde deshalb das Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) beschlossen. Es sollte die Pflege als Berufsfeld attraktiver machen und Pflegekräfte insgesamt entlasten. Es sollten bundesweit in der stationären Pflege knapp 13.000 Stellen mehr geschaffen und Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen finanziell unterstützt werden, damit diese ihre Pflegekräfte in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser unterstützen können. Außerdem wurden Personaluntergrenzen beschlossen. Verbände, wie zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), kritisierten allerdings, dass allein diese Untergrenzen nicht zwangsläufig Qualitätsverbesserungen für die Gepflegten bedeuteten. Und die Gewerkschaft Verdi errechnete sogar einen Bedarf von 110.000 zusätzlichen Pflegekräften.

Aber selbst das Ziel der Regierung konnte bisher nicht umgesetzt werden. Von den 13.000 zusätzlichen Fachkräften in der Altenpflege, deren Finanzierung durch das PpSG gesichert wäre, wurde noch nicht einmal die Hälfte gefunden und eingestellt. Von avisierten 20.000 zusätzlichen Stellen für Hilfskräfte wurden gerade einmal 1.500 in Vollzeit besetzt.

Es hakt bei der Finanzierung

Das Problem sind die Voraussetzungen für eine genehmigte Finanzierung. Denn noch immer gilt für alle Heime eine Fachkraftquote von 50 Prozent. Das heißt, dass jede zweite Pflegekraft eine Fachkraft sein muss. Diese bürokratische Hürde ist erst einmal bestehen geblieben, zur Verfügung stehende Gelder für die Entlastung von Pflegekräften konnten so nicht vollständig ausgeschöpft werden.

Aber: Mehr Personal für die Altenpflege, das Versprechen wurde zumindest eingehalten. Wenn auch nicht in dem Maß, wie es gewollt war.

Entlastung könnte für die Pflegekräfte vor allem dadurch entstehen, dass mehr Menschen den Beruf ergreifen. Deshalb hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag sowohl eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte beschlossen als auch den Willen formuliert, mehr ausländische Pflegekräfte zu rekrutieren.

Pflegeeinrichtungen müssen bald nach Tarif zahlen

Was ist daraus geworden? Ab September 2022 sollen neu zugelassene Pflegeeinrichtungen deshalb ihre Pflegekräfte nur noch nach Tarif bezahlen. Die Mehrkosten, die dadurch entstehen, sollen von den Pflegekassen getragen werden. Den Pflegebedürftigen entstehen damit keine Mehrkosten. Laut Arbeitsminister Heil sollen davon knapp 500.000 Pflegekräfte profitieren, die bisher nicht nach Tarif bezahlt werden.

Wie viel mehr Geld Pflegekräfte ab nächstem Jahr verdienen, lässt sich nicht sicher prognostizieren. Schaut man sich die Lohnentwicklung von Pflegekräften der letzten Jahre an, erkennt man, dass sich auch ohne Reform schon einiges getan hat. So sind die Löhne einer Pflegefachkraft in den letzten 5 Jahren um 26 Prozent gestiegen.

Und auch für die Zukunft ist Gesundheitsminister Spahn optimistisch: Er erwartet vor allem eine Verbesserung für Pflegekräfte in Ostdeutschland.

Ost-West-Gefälle bleibt bestehen

Geboten wäre es, denn Pflegekräfte aus Ostdeutschland kritisieren die Reformen, die bisher beschlossen wurden. Bei den Gehältern in der Pflege ist das Ost-West-Gefälle bisher besonders hoch. Am niedrigsten sind die Löhne in Sachsen-Anhalt. Dort verdient eine Vollzeit-Pflegekraft im Schnitt 2.532 Euro. In Thüringen sind es 2.715 Euro. Zum Vergleich: Eine Pflegekraft in Baden-Württemberg verdient knapp 3.326 Euro.

Die Bundesländer in Ostdeutschland holen zumindest auf. Der Lohnunterschied ist seit 2018 geringer geworden. Das liegt aber auch daran, dass die Pflegekräfte in Ostdeutschland höhere Corona-Zuschläge bekommen haben.

Ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag für ganz Deutschland hätte das ändern können. Denn mit der Reform, die ab September 2022 gilt, müssen Pflegeanbieter sich nur an einen Tarifvertrag halten. Wie der aber aussieht, steht nicht drin. Jeder Betreiber könnte einfach seinen eigenen Tarifvertrag ausgestalten. Damit würden die Lohnunterschiede zwischen West- und Ostdeutschland nicht beseitigt.

Dass sich in den vergangenen Jahren einiges in Pflege verbessert hat, dafür spricht allein, dass sich mehr Menschen für Pflegeberufe entscheiden als noch 2017. Doch die bisherigen Anstrengungen werden nicht reichen. Die Löhne sind noch immer gering und es wurden sehr viel weniger neue Stellen besetzt, als in den Pflegereformen vorgesehen war. Eine neue Regierung wird sich noch mehr für die Pflege in Deutschland einsetzen müssen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt | 15. September 2021 | 20:15 Uhr

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