Deutsches Wahlsystem Berechnungsverfahren für Parlamentssitze kann Partei Sitz kosten
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09. November 2024, 17:58 Uhr
Zur Berechnung der Anzahl an Sitzen im Parlament gibt es unterschiedliche Verfahren. Je nach Wahl des Verfahrens kann das für eine Partei mehr oder weniger Sitze bedeuten. Kompliziert macht es nicht nur, dass gerundet werden muss, sondern auch die weiteren besonderen Merkmale im deutschen Wahlsystem.
- Alle Berechnungsverfahren zielen darauf ab, dass sich Anteile an Parlementssitzen und an Wählerstimmen möglichst wenig unterscheiden.
- Doch wegen der Unterschiede zwischen ihnen kann die Wahl des Verfahrens mehr oder weniger Sitze für eine Partei bedeuten.
- Die Fünfprozenthürde und andere Besonderheiten des deutschen Wahlsystems verkomplizieren die Berechnung.
Wenn sich jemand mit der Frage nach den Berechnungsverfahren auskennen müsste, dann sie: Politikwissenschaftsstudenten an der Uni Leipzig. Doch bei der Frage nach dem Hare-Niemeyer- und Sainte-Laguë-Verfahren kommen eher zögernde Antworten: "Also Hare-Niemeyer- hab ich schon mal gehört, aber was das ist...", oder: "Keiiine Ahnung.", und: "Das hab ich vergessen. Tut mir leid!".
Wer es dagegen genau weiß, ist Eric Linhart, Professor für Politische Systeme an der TU Chemnitz. Er erklärt: Es handelt sich um Verfahren zur Berechnung der Parlamentssitze bei Landtags- und Bundestagswahlen. Die Verfahren haben alle das gleiche Ziel: Sie versuchen alle, die Sitze möglichst so zu verteilen, dass sie proportional sind. Dass also zwischen Stimmanteilen und Sitzanteilen der Parteien so wenig Unterschiede wie möglich sind.
Wahl des Verfahrens kann sich auf Anzahl der Sitze im Parlament auswirken
Ein Beispiel: Ein Parlament hat 10 Sitze. Partei A stehen rechnerisch 3,3 Sitze, Partei B 6,3 Sitze und Partei C 0,4 Sitze zu. Macht, wenn man jeweils abrundet, 9 Sitze. Wer bekommt nun den zehnten Sitz?
Verschiedene Rechenverfahren können zu verschiedenen Ergebnissen kommen, sagt Eric Linhart. "Das Sainte-Laguë-Verfahren, sagt man, bevorzugt im Zweifel eher kleinere Parteien. Das Hare-Niemeyer-Verfahren eher die größeren." Sobald es Unterschiede gebe, und sei das nur ein einzelner Sitz, könne das natürlich die Frage ausmachen, welche Koalition eine Mehrheit habe oder nicht, erklärt Linhart.
Bei Landtagswahlen in Thüringen etwa kommt das Hare-Niemeyer-Verfahren zum Einsatz, bei dem die Gesamtstimmen durch die Gesamtsitze geteilt werden. Mit dem Sainte-Laguë-Verfahren, das mit einem sogenannten Divisor arbeitet, hätte die AfD eine Stimme weniger und die Linke eine Stimme mehr erhalten. Ginge es nicht auch irgendwie einfacher?
Besonderheiten deutscher Parlamenentswahlen verkomplizieren zusätzlich
Nein, sagt Eric Linhart. Tatsächlich seien dies schon mit die einfachsten Verfahren. "Sie kommen um die Frage, wie Sie am Ende runden, wenn Sie keine ganzen Sitzzahlen haben, nicht herum. Es gibt tatsächlich noch eher komplexere Verfahren, sodass ich fürchte: Einfacher wird’s nicht."
Verwirrung stiften kann auch die Fünfprozenthürde: Durch sie haben die Parteien, die es ins Parlament schaffen, mehr Sitze, als ihnen nach Stimmenanteil eigentlich zustehen. So hält etwa die AfD in Thüringen 33 Prozent der Stimmen, aber 36 Prozent der Landtagssitze.
Und dann sind da ja auch noch Überhang- und Ausgleichmandate. Bei denen immerhin kennen sich die Politikstudenten an der Uni Leipzig besser aus: "Wenn die Direktmandate mehr sind als der Zweitstimmenanteil.", lautet die Antwort. "Die Mandate, die quasi dann ausgeglichen werden müssen.", ergänzt jemand.
Vereinfachen könnte man das System höchstens, indem man das System der Erst- und Zweitstimmen abschafft. Doch das steht in Mitteldeutschland nicht zur Debatte. Ohne Erststimme wird nur in zwei Bundesländern gewählt: Im Stadtstaat Bremen – und im kleinen Saarland.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 09. November 2024 | 06:17 Uhr
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