Wolfgang Ainetter
Einen aufklärenden und spannenden Polit-Thriller wollte Wolfgang Ainetter schreiben. Doch das Buch wird abgesucht nach schmutzigen Enthüllungen. Bildrechte: Wolfgang Ainetter

Buchmesse-Gast Scheuers Ex-Sprecher gegen Lesart seines Krimis als Schlüsselroman

24. März 2024, 13:29 Uhr

Wolfgang Ainetter, der Ex-Pressesprecher von Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer, hat einen Krimi geschrieben, der Aufsehen erregt. Viele wollen darin einen Schlüsselroman sehen und möglichst unschöne Dinge aus dem Berliner Politik-Betrieb finden. Dem jedoch widersprach der Autor bei MDR AKTUELL, kurz vor seinen Lesungen bei der diesjährigen Leipziger Buchmesse.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Kristian Schulze
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Dass ein Autor sein Werk erst umständlich erklären muss, macht nicht unbedingt Spaß. So aber, wie der Kommunikationsberater Wolfgang Ainetter den Politikern erklärt, sie müssten "Erklärbären" sein, muss er nun erklären, dass sein kürzlich erschienener Krimi eben kein Schlüsselroman sei und keine realen Personen und Ereignisse darin verschlüsselt dargestellt werden.

Was war passiert? Ainetter war von 2018 bis Anfang Januar 2021 mal Pressesprecher und Kommunikationschef von Andreas Scheuer (CSU). Der war damals Bundesverkehrminister, was das Land mindestens 243 Millionen Euro gekostet hat. Das ist zwar schon eine Weile her, aber unvergessen.

Und Ainetter hat jetzt einen Krimi geschrieben, der ausgerechnet im politischen Berlin spielt. Um eine Entführung geht es, um Macht, Missbrauch, um Sexismus und andere unschöne Dinge. Und nicht nur das Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung" will reale Personen kaum übersehen können.

Im Gespräch mit MDR AKTUELL versichert der Österreicher jedoch: "Die Handlung ist frei erfunden, die Personen sind frei erfunden." Das sei eine "Satire auf Politik und vor allem auf Populisten". Ihm sei es darum gegangen, "vor allem Rechtspopulisten zu entlarven", nicht um einen Schlüsselroman sondern darum, "den Typus des Machtmenschen" zu zeigen.

Ainetter spricht von einem satirischen Blick und der sei bei ihm auch, "so geschwollen das jetzt klingt, eine Liebeserklärung an die Demokratie", denn er glaube, "dass Populisten nichts mehr fürchten als Satire".

Deutsche Politik "sauberer" als die in Wien

Da für Populismus anfällige Teile der Bevölkerung die Berliner Politik allerdings sowieso als kriminell ansehen, muss natürlich nachgefragt werden, ob es denn so eine gute Idee war, ihn in einem Krimi zu beschreiben.

Wolfgang Ainetter
Ainetter in Berlin: In Österreich ist es viel schlimmer Bildrechte: Wolfgang Ainetter

Ainetter räumt hier ein, dass Politik "manchmal wie House of Cards" sei, ein System, das Intrigen fördere.

In diesem politischen Betrieb habe er allerdings auch integre Personen kennengelernt, "wirkliche Idealisten, tolle Politikerinnen und Politiker".

Dabei sei Politik "ein echter Knochenjob". Als er nach 25 Jahren als Journalist, was er "im Herzen" immer noch sei, die Seiten gewechselt hatte, habe er gesehen, welchen Druck es hier gebe. Und es mache ihm "wirklich Sorgen", dass immer weniger Leute dazu bereit seien. Doch leider sei ihm auch aufgefallen, dass "Menschen, die Politik aus Idealismus machen, es nie ganz nach oben schaffen".

Aber, sagt der Österreicher: Vergleiche man die Wiener mit der Politik in Berlin, finde er den politischen Betrieb in Deutschland "weitaus sauberer" vor, "auch, was die Spitzenpolitik betrifft". In Österreich, mit acht Mal weniger Einwohnern als Deutschland, gebe es gefühlt hundert Mal so viele politische Skandale: "Die politische Kultur in Deutschland ist um vieles besser".

Fehlerkultur und weniger Ampel-Streit

Die deutsche Politik büßt laut Ainetter derzeit viel Vertrauen ein, weil "eine völlig verunsicherte Ampel-Regierung" nicht unbedingt alles schlecht mache, sondern weil "die so zerstritten sind, dass Menschen sich denken: Wie kann diese Politik glaubwürdig sein?!" Zur Frage, was der Kommunikationsprofi da rät, sagt der zunächst, auch er habe lernen müssen, "dass man immer nur so gut ist wie der Chef oder die Chefin, die auf einen hört oder nicht".

Auch von der Ampel werde ihm aber zu wenig erklärt. Ihm habe ein Kollege mal gesagt, dass man als Politiker ein "Erklärbär" sein müsse, alles "dauernd erklären, erklären, erklären, selbst wenn es noch so mühsam ist". Darum sei "der schwierigste Job in diesem Land" gerade der vom Regierungssprecher.

Sein Krimi spielt zwar in einer großen Koalition. Er plane aber einen zweiten, sagt Ainetter, vor dem Hintergrund einer Ampel-Regierung. Da gebe es "Stoff genug". Im Kern aber wolle er darstellen, was Politik mit Menschen machen könne, die in Spitzenpositionen teilweise auch "abheben" – durchaus so, wie es der frühere CSU-Politik-Überflieger Karl-Theodor zu Guttenberg in der Zeit nach seiner Landung einmal im "Stern"-Interview beschrieben hatte.

Zu diesem Interview meint Ainetter, es habe ihm gefallen, dass einer "sich hinstellt und sagt: Ich habe einen Fehler gemacht. Ich glaube, es braucht in der Politik, auch in der Kommunikation eine neue Fehlerkultur." Jeder habe Angst, einen Fehler zuzugeben, "aus Angst zerrissen zu werden". Er glaube inzwischen allerdings, "dass es da ein Umdenken braucht".

Man könne das zwar nicht immer machen, weil auch das verunsichere. Ainetter glaubt aber, "dass die Leute mehr Ehrlichkeit wollen". Die fehle ihm auch in der politischen Kommunikation: "Weil jeder Angst davor hat."

Wie also das Buch lesen?

Im Sinn des Autors wäre sein Buch wohl etwas offener zu lesen, denn als "Enthüllung". Es ist gar kein neuer Wallraff und steht womöglich eher noch einem Bruno Frank (1887-1945) näher, an dessen vor 100 Jahren spielende "Politische Novelle" vor kurzem der Deutschlandfunk erinnerte.

Immerhin findet auch da – im Umfeld des aufziehenden Faschismus – ein ebenfalls fiktiver deutscher Politiker das Ende seines Wegs nach ganz oben bei einem Raubmord im Rotlichtviertel. Auch das – lesenswert!

Wolfgang Ainetter: Geheimnisse, Lügen und andere Währungen: Ein Ministeriums-Krimi | ISBN 978-3-7099-7960-0

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 22. März 2024 | 09:00 Uhr

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