Strommasten des Umspannwerks Womirstedt
Der Netzbetreiber 50Hertz schätzt, dass mit dem Bau von Freilandleitungen bis zu 20 Milliarden Euro beim Netzausbau eingespart werden könnten. Bildrechte: picture alliance / dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Energiewende Netzbetreiber für Bau oberirdischer Stromleitungen

20. Juni 2024, 09:00 Uhr

Um gegen gigantische Stromleitungen zu protestieren, hatten Bürgerinitiativen den Begriff "Monstertrasse" geprägt. In der Folge entschied die Politik, die Leitungen unter der Erde zu vergraben, damit man sie nicht so sieht. Doch nun wollen einige Landespolitiker und der Netzbetreiber 50Hertz doch wieder auf Freileitungen setzen: aus Kostengründen. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz hat das Thema auf der Agenda.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
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Über die Energiewende wird ja viel geschimpft. Stefan Kapferer findet: So schlecht laufe es nicht. Der Geschäftsführer des ostdeutschen Stromnetzbetreibers 50Hertz sagt, durch seine Leitungen fließe inzwischen zu drei Vierteln Ökostrom. Der Ausbau gehe voran. Trotzdem sieht auch er ein Problem: die immensen Kosten für den Netzausbau. Kapferer plädiert deshalb dafür, Höchstspannungsleitungen wieder als Freileitungen zu planen – und nicht als Erdkabel.

"Also wir gehen davon aus, dass das bis zu 20 Milliarden Euro einspart. Das ist eine gewaltige Summe Geld. Ja, der Netzausbau insgesamt kostet 300 Milliarden. Aber auch von 300 Milliarden sind 20 Milliarden Einsparung eine gewaltige Summe. Und das wirkt direkt entlastend für die Endverbraucher, weil die Netzentgelte dann niedriger sind", sagt Kapferer.

Politik schwenkt um

Nun haben einst ganze Landstriche gegen "Monstertrassen" gekämpft. Nur deshalb hat die Politik einen Vorrang für Erdkabel ins Gesetz geschrieben. Doch weil die Energiewende immer teurer wird, schwenkt sie um. Sachsen plädierte im Bundesrat dafür, wieder vorrangig Freileitungen zu bauen. Sachsen-Anhalt unterstützt diesen Kurs. In Thüringen, wo die Proteste gegen die Leitungen einst besonders groß waren, wirbt das Energieministerium für eine Sowohl-als-auch-Lösung: "Je nach Verhältnissen vor Ort sollte entschieden werden, ob eine Freileitung oder ein Erdkabel sinnvoller und wirtschaftlicher ist – da braucht es keinen einseitigen Vorrang für die eine oder andere Variante."

Neuplanung genehmigter Kabel zu aufwendig

Tatsächlich stehen bereits genehmigte Erdkabel wie der Südost-Link nicht zur Disposition. Es wäre zu aufwändig, sie noch einmal neu zu planen, sagt der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller. Infrage kämen Freileitungen für den sogenannten NordWestLink, den SüdWestLink sowie den OstWest-Link zwischen Niedersachsen und Sachsen. "Das sind neu geplante Leitungen, die auch Offshore-Wind mittransportieren würden. Und die sind gerade im Planungsstadium. Auch damit haben wir schon begonnen, also ein optimaler Zeitpunkt für diese Diskussion wäre eigentlich der letzte Herbst gewesen", wendet Müller ein. Aber die Politik sei natürlich frei, jetzt eine Entscheidung zu treffen. "Es wäre nur gut, wenn das bis zur Sommerpause klar wäre – in die ein oder in die andere Richtung", so Müller.

Bedarf an Überlandleitungen unklar

Offen bleibt die Frage, wie viele Überlandleitungen die Republik überhaupt braucht. Momentan wird unter der Annahme geplant, dass der Strombedarf massiv steigt – wegen Elektroautos und Wärmepumpen. Doch wieviel Strombedarf tatsächlich entsteht, sei unklar, sagt Stefan Kapferer von 50Hertz. "Steigt er um das Zweieinhalb- oder Dreifache, wie das in manchen Prognosen abgeschätzt wird für 2045 im Vergleich zu heute oder verdoppelt er sich nur?" Das klinge nach einem marginalen Unterschied, sei es aber nicht. "Ganz klar: Verdoppelt sich der Strombedarf nur und verdreifacht sich nicht, brauchen Sie deutlich weniger Netzausbau." Deswegen plädiere er eindringlich dafür, immer sehr genau auf die faktischen Trends zu schauen, erklärt Kapferer.

Das Hinschauen ist Aufgabe der Bundesnetzagentur. Sie plant das Netz auf Jahre im Voraus, bevor es dann in vielen bürokratischen Schritten bewilligt wird. Diese Verfahren dauerten früher ermüdend lange. Das, resümiert 50Hertz-Manager Kapferer, habe sich in den vergangenen Jahren aber deutlich verbessert. Das Bürokratie-Problem sei deutlich kleiner geworden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. Juni 2024 | 06:51 Uhr

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