Hörer machen Programm Wer zahlt, wenn ausländische Lieferfahrzeuge Schäden verursachen?
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01. November 2022, 15:27 Uhr
Die Zahl der Paketbestellungen steigt von Jahr zu Jahr. Die letzten Meter bis zur Haustür legen die Pakete meistens in Sprintern oder kleinen Lieferwagen zurück. Solche Fahrzeuge fallen auch MDR AKTUELL-Hörerin Jeanette Kramer in ihrer Nachbarschaft immer wieder auf – häufig mit ausländischem Kennzeichen. Sie möchte wissen: Welche Versicherung greift, wenn eines dieser Fahrzeuge einen Schaden verursacht?
- Ist der Lieferwagen in einem von 48 "Grüne Karte"-Ländern gemeldet, greift eine Versicherung.
- Auch wenn ein Fahrzeug unversichert ist, besteht die Chance, den Schaden ersetzt zu bekommen.
- Die vielen von Subunternehmen betriebenen Lieferfahrzeuge sind besonders unfallanfällig.
Wenn einem ein Lieferwagen mit ausländischen Kennzeichen den Kofferraum zerdellt, dann könnte man denken, dass das komplizierte Verhandlungen mit Stellen im Ausland nach sich zieht. Tatsächlich kann das im Regelfall aber überraschend einfach gelöst werden, wie Verkehrsrechtsanwalt Matthias Pfitzenmaier erklärt: "Da gibt‘s zum Glück relativ befriedigende Regelungen. Also wenn der Unfall in Deutschland passiert, da ist Ansprechpartner das sogenannte deutsche Büro 'Grüne Karte' in Hamburg."
"Grüne Karte" fungiert als Haftpflichtversicherer
Im Grüne-Karte-System sind 48 Staaten zusammengeschlossen. Wenn ein Lieferwagen, der in einem dieser Mitgliedsstaaten gemeldet ist, in Deutschland einen Unfall verursacht, fungiert das deutsche Büro als Haftpflichtversicherer. Hier findet man auch immer einen sogenannten Korrespondenzversicherer, also einen Ansprechpartner, mit dem man den Schaden abwickeln kann.
Wegen der Auslandsbeteiligung dauere das dann zwar ein bisschen länger. Aber, so Anwalt Pfitzenmaier: "Von der Regulierung her unterscheidet sich ein Unfall, der in Deutschland mit einem ausländischen Fahrzeug stattfindet, eigentlich wenig von einem Unfall, wo beide Fahrzeuge deutsche Kennzeichen haben." Passiert so ein Unfall beispielsweise in Frankreich, gibt es auch dort einen deutschen Korrenspondenzversicherer – die Regulierung richte sich dann allerdings nach dem dortigen Recht, erklärt Pfitzenmaier.
Gewerkschaft beobachtet viele ausländische Lieferwagen
Es kann auch vorkommen, dass ein Lieferfahrzeug gar nicht versichert ist. Auch dafür gibt es eine Anlaufstelle: Die Verkehrsopferhilfe, eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer, wo Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen ihren Schaden ersetzt bekommen – bis auf 500 Euro Selbstbeteiligung.
Auch Frank Günther kennt die im Ausland gemeldeten Lieferfahrzeuge. Er ist als Gewerkschaftssekretär bei Verdi für Paketdienste zuständig und bemerkt im Raum Jena vor allem Hermes-Autos mit polnischen Kennzeichen, in denen Angestellte aus Lettland sitzen. Für die Lieferdienste ein Modell zum Geld sparen, sagt er: "Das ist dann eine rein praktische Geschichte, wie man's umsetzen kann, ob man Sprachkapazitäten vorhält und so weiter. Man holt sich auch ganz bewusst ausländische Beschäftigte in diese Position, weil die eben zum Großteil ihre Rechte nicht kennen."
Hermes: Subunternehmen übernehmen 90 Prozent der Touren
Hermes gibt auf Nachfrage an, aktuell mit etwa 330 sogenannten Servicepartnern zusammenzuarbeiten, die rund 90 Prozent der Touren übernehmen. Sind die Fahrzeuge dafür im Ausland gemeldet, müssen sie versichert sein und auch Steuern in Deutschland zahlen, erklärt das Unternehmen.
Die Unfallquote bei Lieferfahrzeugen liegt übrigens deutlich über dem Durchschnitt, wie Verkehrsrechtsanwalt Pfitzenmaier sagt. Denn teils setzten sogar die Subunternehmen selbst noch einmal Subunternehmen ein. Am Schluss blieben oft Unternehmen, die die Waren ohne Gewinn fahren – das führe zu viel Druck und einem hohen Gefährdungspotential.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. November 2022 | 06:00 Uhr