Heuschnupfen & Co. Experte warnt vor falscher Behandlung bei Pollenallergie
Hauptinhalt
28. März 2025, 10:11 Uhr
Apfelessig, ätherische Öle, Zwiebelsud - Hausmittel wie diese sollen, glaubt man diversen Ratgebern im Netz, gegen Allergien wirken. Der Göttinger Dermatologe Thomas Fuchs, Pressesprecher des Ärzteverbands deutscher Allergologen, warnt davor, zu solchen Mitteln zu greifen. Denn: Eine falsch oder nicht behandelte Pollenallergie kann schlimmstenfalls zu Asthma führen.
- Allergologe rät zu ärztlich verschriebenem Kortisonpräparat zur akuten Behandlung bei Heuschnupfen
- Langfristig empfohlen: allergenspezifische Immuntherapie, um Folgeerkrankungen zu verhindern
- Pollenbelastung in Städten ist stärker als auf dem Land
MDR AKTUELL: Im Netz und in den Sozialen Medien kursieren derzeit viele Ratgeber, die Hausmittel wie ätherische Öle oder diverse Pülverchen wie Spirulina für ihre antihistaminische Wirkung rühmen. Was halten Sie davon?
Thomas Fuchs: Derartige Hausmittel sind nicht sinnvoll, da sie nicht wirken. Daher sollten sie weder bei Verdacht noch bei einer nachgewiesenen Allergie der Atemwege verwendet werden. Was hilft, ist eine sorgfältige Diagnostik bei einem allergologisch tätigen Arzt. Das kann zum Beispiel bei einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt sein oder bei einem Hautarzt. Wenn dort tatsächlich eine Allergie festgestellt und andere Ursachen ausgeschlossen werden, wird ihr Arzt eine Medikation für die akuten Beschwerden empfehlen.
Welche Medikation hilft effektiv gegen die allergische Reaktion an der Nasenschleimhaut?
Bei allergischem Schnupfen hilft im Allgemeinen ein von einem Arzt verschriebenes Kortisonpräparat, das auf die Nasenschleimhaut gesprüht wird. Ich rate zu keinem kortisonhaltigen Arzneimittel, das frei in der Apotheke zu kaufen ist. Ein solches Präparat muss zuverlässig wirken und sollte keine bzw. geringe Nebenwirkungen haben. Die modernen Kortisonpräparate sind sehr gut verträglich und weitgehend gefahrlos anzuwenden. Antihistaminika helfen nicht immer, machen gegebenenfalls müde, oder können zum Beispiel Herzprobleme verursachen.
Was lässt sich langfristig gegen eine Pollenallergie tun?
Langfristig empfehlen wir Allergologen eine sogenannte allergenspezifische Immuntherapie. Früher wurde diese Behandlung Hyposensibilisierung genannt. Alles andere ist wenig sinnvoll. Wichtig hierbei ist: Die Behandlung muss konsequent und mindestens drei Jahre lang durchgeführt werden. Ob sie in Form von Injektionen oder Tabletten erfolgt, ist im Einzelfall zu entscheiden. Wenn die Patienten diese recht lange Behandlungsdauer durchhalten, hat es sich gelohnt. Die akuten Beschwerden werden in den darauffolgenden Jahren nicht oder nur noch vermindert auftreten, und langfristige Folgen der Allergie wie beispielsweise Asthma können so verhindert werden.
Welche Gefahr besteht, wenn eine Allergie nicht oder falsch behandelt wird?
Wer eine Allergie nicht behandelt, riskiert eine chronische Entzündung an den Atemwegen, einen chronischen Schnupfen und schlimmstenfalls die Entwicklung von Asthma, eine allergische Reaktion bzw. Entzündung der tieferen Atemwege. Das bedeutet, es besteht eine praktisch immer vorhandene Luftnot, die auch kompliziert sein kann durch langwierige bakterielle Entzündungen an den Schleimhäuten. Dieser Zustand lässt sich mit einer Immuntherapie weitgehend verhindern.
Können auch weitere Allergien entstehen?
Ohne ausreichende Behandlung schreitet die Krankheit häufig fort und führt zu einer Ausweitung des Allergenspektrums. Da kann sich zum Beispiel neben der Birkenpollenallergie eine Graspollenallergie entwickeln, eventuell wird auch die Hauskatze nicht mehr vertragen. Das gilt es zu verhindern. Und das kann durch eine Immuntherapie gelingen. Ein weiteres Problem, auf das ich hinweisen möchte, ist das Problem der Kreuzallergie. Jeder zweite Pollenallergiker hat auch eine Nahrungsmittelallergie, das bedeutet bei einem Birkenpollenallergiker, dass er auch auf Lebensmittel allergische Reaktionen hat, die möglicherweise lebensbedrohlich sein können. Das rührt daher, dass Eiweiße in den Blütenstäuben chemisch mit Strukturen in bestimmten Nahrungsmitteln verwandt sind.
Welche Nahrungsmittel betrifft das?
Das sind beim Birkenpollenallergiker zum Beispiel Nüsse, besonders Haselnüsse, aber auch bestimmtes Obst, Äpfel, Birnen, Pfirsiche etwa – also Kernobst und Steinobst. Diese Nahrungsmittel können einen zunächst harmlos erscheinenden Juckreiz im Mund auslösen, ein Kitzeln im Rachen, mit nachfolgender Schwellung der Zunge und der Rachenschleimhaut. Wenn nicht sofort ärztlich eingegriffen wird, kann ein solcher Patient an einer Erstickung sterben. Das nennt man Anaphylaxie mit Todesfolge, und das gilt es zu verhindern. Das gelingt aber nur, wenn die Zusammenhänge dem Patienten bekannt sind.
Zurück zur Therapie: Es gibt ja auch Antihistaminika, die nicht müde machen. Desloratadin zum Beispiel. Ist eine dauerhafte Einnahme zu empfehlen?
Es gibt Patienten, die ohne Frage eine Besserung verspüren. Man kann Medikamente über einen längeren Zeitraum einnehmen. Der Effekt ist zeitlich begrenzt und vorbei, wenn das Präparat abgesetzt wird. Es hat keine vorbeugende Wirkung. Als Nebenwirkungen bekannt sind unter anderem Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten, vielleicht Herzrhythmusstörungen. Ich bin davon abgekommen, routinemäßig ein Antihistaminikum zu empfehlen.
Die Pollenbelastung in Städten ist stärker ist als auf dem Land. Woran liegt das?
Die Blütenstäube in den Städten, besonders solche von Bäumen, die an vielbefahrenen Straßen stehen, werden gewissermaßen aggressiver. Abgase und Staub reizen, auch, ohne dass eine Allergie besteht, die Schleimhäute der Nase und der Augen sowie der Bronchien, also der tieferen Atemwege. Abgase und Staub führen also zu einer Entzündung. Und durch entzündete Schleimhäute finden Blütenstäube sehr leicht den Weg in den Körper und führen so bei zu vielen Menschen zu einer Allergie der Atemwege.
Wer eine Immuntherapie angehen möchte, steht oft vor einem weiteren Problem. Vielerorts ist es gar nicht so leicht, an einen zeitnahen Termin bei allergologisch tätigen Praxen zu kommen.
Ja, das ist überall ein Problem, zeitnah einen Termin zu bekommen – egal ob in Erfurt, in Chemnitz oder in Göttingen. Ich sehe leider keinen guten Lösungsansatz. Wir Ärzte haben ein weiteres Problem. Seit geraumer Zeit stehen uns nicht mehr ausreichend Substanzen zur Verfügung, mit denen wir eine Allergie der Atemwege nachweisen können. Die Pharmafirmen versorgen uns mit diagnostischem Material nicht mehr in ausreichender Weise. Sie ziehen sich offenbar zunehmend aus dem Markt zurück und liefern diese Produkte nicht mehr. Wir können, um es auf den Punkt zu bringen, Allergien nicht mehr zweifelsfrei benennen und somit unsere Patienten nicht mehr versorgen. Sie haben aber einen Anspruch darauf.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | BRISANT | 20. März 2025 | 17:15 Uhr