Pläne der Ampelkoalition Reform gegen befristete Verträge in der Wissenschaft stößt auf Kritik

21. März 2023, 05:00 Uhr

Wer es ernst meint mit der Wissenschaft, macht einen Doktor. Dafür und für die Zeit danach erhalten junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland allerdings fast immer zeitlich befristete Verträge. Ein System, das dem Wissenschaftsniveau und den jungen Menschen nicht guttut, sagen Kritiker. Die Ampelkoalition will das Gesetz deshalb ändern und hat die Eckpunkte dafür vorgelegt.

Eine Befristung an die andere zu hängen – das geht nur in der Wissenschaft. Und zwar, weil dort ein Sonderarbeitsrecht gilt: das Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007, erklärt Andreas Keller, im Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW für Hochschule und Forschung zuständig. "Das ermöglicht Hochschulen und Forschungseinrichtungen, ihre Beschäftigten sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion quasi sachgrundlos zu befristen."

Argumente für eine befristete Anstellung

Ein Hauptargument sei die Qualifizierung. Also die Frage: Wann ist ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin reif für eine dauerhafte Tätigkeit in Forschung und Lehre? Eine Doktorarbeit muss es mindestens sein, das sei Konsens, so Keller. Strittig sei aber, wie es danach weitergeht. Die GEW ist der Ansicht, dass es dann Zeit für Planungssicherheit und feste Verträge wäre. Die Hochschulrektorenkonferenz hingegen meint, dass die Qualifizierung dann weitergehen müsse und will auch frisch Promovierten erstmal befristete Verträge anbieten.

Ampelregierung will Befristung nach Promotion verkürzen

Diesen weit auseinanderliegenden Erwartungen habe die Ampel versucht, in den Eckpunkten gerecht zu werden, sagt Holger Mann, für die SPD im Bildungsausschuss im Bundestag. Ein Vorschlag: Die Zeit, in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach der Promotion mit befristeten Verträgen arbeiten können, soll von sechs auf drei Jahre verkürzt werden.

Dadurch wolle man ein System etablieren, das zielgerichteter zur Festanstellung führt – sowohl bei Professuren als auch bei Stellen darunter, die zukünftig hoffentlich dauerhafter entstehen, sagt Holger Mann. "Das soll auch ein Stück weit allen im System sagen: Leute, wir müssen hier auch verantwortlicher mit der Lebenszeit der Menschen im Wissenschaftssystem umgehen, weil es eben teilweise Menschen gibt, die frühestens in der Mitte der 40er wissen, ob sie denn mit einem Verbleib im Wissenschaftssystem rechnen können. Das ist uns zu spät."

Kritik am Vorschlag der SPD

Andreas Keller von der GEW kann die Idee zwar nachvollziehen, aber: "Man hat den Fehler gemacht, diese Reduzierung der Höchstbefristungsdauer von sechs auf drei Jahre nicht zu verknüpfen mit einer klaren Vorgabe an die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, danach auch Dauerstellen oder eben zumindest Entfristungszusagen anzubieten. Darum wäre die Folge dieser Maßnahme, dass die Leute schneller durchs System geschleust werden und drei Jahre früher als heute aus dem System gekickt werden."

Ein Kritikpunkt, den auch Professorinnen und Professoren – also jene mit Festanstellung – in einem offenen Brief ansprechen. Mehr als 1.000 hatten bis Montagabend unterschrieben. Ein Ausmaß, mit dem die Ampel nicht gerechnet habe, sagt der SPD-Bildungsexperte Holger Mann und beschwichtigt: "In Teilen resultiert das auch daraus, dass diese Eckpunkte das nur verknappt wiedergeben und wir jetzt in einen Prozess gehen, wo wir uns sowohl nochmal alle Argumente anhören als auch dann noch gar kein Gesetz vorliegt."

Er gehe davon aus, dass sich in diesem Prozess die Eckpunkte nochmal grundsätzlich ändern können, und zwar binnen Wochenfrist.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 21. März 2023 | 06:00 Uhr

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