Bahninfrastruktur Die ältesten Stellwerke Mitteldeutschlands: schön, aber personalaufwändig
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31. Mai 2024, 09:55 Uhr
Sie sind Zeitzeugen und Sehenswürdigkeiten: alte Stellwerke. Wir zeigen die ältesten in Mitteldeutschland. Personalmangel bei den alten, aufwändig zu bedienenden Stellwerken führt aber oft auch zu Zugausfälllen.
2.636 von der Deutsche Bahn betriebene Stellwerke gibt es nach Unternehmensangaben hierzulande, allein 844 in Mitteldeutschland. Davon arbeiten bundesweit rund 25 Prozent auf mechanischer Basis, in Mitteldeutschland sogar 40 Prozent. Das heißt: Sie werden per Hand betrieben, Hebel mit Kraftaufwand umgelegt, während die anderen Stellwerke per Mausklick oder Knopdruck gesteuert werden. Mehr als 30 Stellwerke in Mitteldeutschland stammen sogar noch aus der Kaiserzeit.
Die ältestesten noch aktiven Stellwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
Das älteste Stellwerk in Mitteldeutschland mit 127 Jahren befindet sich in Sachsen-Anhalt. Es steht in Thale im Harz. 1897 wurde das Gebäude mit Erkertürmchen errichtet und ist bis heute in Betrieb. Vergangenes Jahr wurde die Fachwerk-Fassade aufwändig saniert. "Wir wollen das Gebäude für Thale, für uns und die Außenwirkung, auch auf Touristen, erhalten", sagt Betriebsleiterin Carmen Jankowski von DB Infrago in einem Bericht der MItteldeutschen Zeitung. Dieses Jahr solle das Dach noch neu gedeckt werden.
In Thüringen steht das älteste Stellwerk in Nordhausen. Nach Auskunft der Deutschen Bahn ist es 122 Jahre alt. Das älteste Stellwerk in Sachsen befindet sich in Leipzig-Schönefeld, mit einem stolzen Alter von 118 Jahren.
Wie funktionieren die mechanischen Stellwerke?
Patrik Horn ist Fahrdienstleiter beim mechanischen Stellwerk in Nossen bei Dresden, das von einem privaten Unternehmen betrieben wird, aber die gleiche Technik wie die anderen mechanischen Stellwerke benutzt: "Ich muss optisch prüfen, ob ich den Fahrweg einstellen kann. Dazu gehören auch die Weichen. Dann kann ich das Signal auf Fahrt stellen und der Zug kann kommen.“ 13 Hebel und Knöpfe betätigt er für einen einzigen Zug. Das ist körperlich anstrengend. "Gerade im Winter, wenn es Minusgrade sind und die Weichenheizung es nicht mehr schafft, die Weichen von Eis und Schnee zu befreien", sagt er.
Ist der Zug durch, fährt er zum nächsten Stellwerk, den der Zug passiert. "Sobald der Zug den jeweiligen Bahnhof verlassen hat, setzen wir uns ins Auto und fahren dem Zug hinterher zum nächsten Bahnhof", erklärt Horn.
Sobald der Zug den jeweiligen Bahnhof verlassen hat, setzen wir uns ins Auto und fahren dem Zug hinterher zum nächsten Bahnhof.
Die mechanischen Bahnanlagen gelten als technisch zuverlässig, müssen aber auch häufig geschmiert werden. "Diese Stellwerke brauchen auch viel mehr Personal als die modernen Stellwerke. Das führt dazu, dass wir viel zu wenig Fahrdienstleiter haben und deswegen Züge ausfallen müssen. Personal fehlt, um die Weichen zu stellen", sagt Lukas Iffländer, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn.
Alte Stellwerke bringen öfter Fahrplan durcheinander
Die mechanischen Stellwerke der Deutschen Bahn sind nicht mehr zeitgemäß und eine Ursache für Verspätungen, kritisiert Cornelia Lüddemann, Fraktionschefin der Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt: "Die Bahn hat jahrzehntelang kein Geld gehabt, um Infrastruktur zu sanieren, geschweige denn auszubauen. Sie ist auf Verschleiß gefahren worden, Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt. Und jetzt stehen wir vor einer riesengroßen Lücke."
Bis heute wird der Nachwuchs bei der Bahn an alten mechanischen Stellwerken wie in Nossen oder Thale ausgebildet. Für Cornelia Lüddemann von den Grünen ist das völlig unverständlich: "So finden wir auch keine jungen Leute, die diesen Beruf ergreifen wollen. Wer will sich denn noch mit so was rumplagen in seinem Beruf? Das ist vielleicht interessant, wenn man sich für mechanische Leistungen der Vergangenheit interessiert. Aber das ist nichts, was man heutzutage auf seinem Arbeitsplatz haben will."
Bahn will gerneralsanieren – und auch Stellwerke vermehrt modernisieren
Die Deutsche Bahn hat eine Generalsanierung bis 2030 ausgerufen. 87 Milliarden Euro sollen bundesweit in den kommenden Jahren investiert werden, um nicht nur Schienen, Weichen und Oberleitungen zu erneuern, sondern auch Bahnhöfe, Signalanlagen und die alten mechanischen Stellwerke. 40 besonders wichtige Trassen mit 4.000 Kilometern Länge werden saniert. Dabei bleiben dann die Strecken über Monate komplett gesperrt. Fast alle davon liegen in Westdeutschland, wo das Netz sanierungsbedürftiger ist als im Osten. In Mitteldeutschland geht es erst 2028 los.
Doch selbst diese 87 Milliarden werden nicht reichen, meint Pro-Bahn-Vize Lukas Iffländer: "Bei der aktuellen Finanzierung weiß ich gar nicht, ob wir das Problem jemals ausgestanden haben. Wenn wir es so finanzieren, wie wir es aktuell tun, sind die ersten Anlagen wieder im Eimer, bis wir mit dem Umrüsten fertig sind."
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 28. Mai 2024 | 20:15 Uhr