Der Redakteur | 03.07.2023 Hat der Klimawandel auch gute Seiten?
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03. Juli 2023, 17:22 Uhr
Es gibt viele Missverständnisse rund um das Thema Klimaerwärmung. Oft werden Wetter und Klima verwechselt: Die Politik überfordert uns mit überstürzten Maßnahmen, die Klima-Kleber nerven einfach nur, statt verständlich zu erklären, was eigentlich das Problem ist mit diesem CO2.
Am Anfang der Erdgeschichte gab es gar keine Atmosphäre. Der verspätete atmosphärische Start war dann auch nicht schön. Zu 90 Prozent waren Wasserdampf und Kohlendioxid in der Luft, Sauerstoff gab es gar nicht, es war die Hölle.
Über die Jahre kühlte sich die Erde ab, die Luft konnte immer weniger Wasser halten, der Wasserdampf kondensierte, es regnete und wusch das Kohlendioxid gleich mit aus. Es bildeten sich aber keine Pfützen, sondern über Jahrmillionen gleich ganze Ozeane und das darin nun gelöste Kohlendioxid verband sich mit Kalzium, sank auf den Meeresboden, um dort als Kalkgestein gebunden zu bleiben.
Um es kurz zu machen: Das schaffte erst die Bedingungen für einfachste Einzeller. Diese mutierten unter der UV-Strahlung der Sonne, erfanden die Photosynthese, mit der sie weiteres Kohlendioxid und Wasser aufnahmen, und vereinnahmten unter der Einwirkung von Sonnenlicht den Kohlenstoff als körpereigene Bauteile. Unser Sauerstoff war bei diesen Prozessen eigentlich nur das Abgas, später auch das von Pflanzen, die vor rund 475 Millionen Jahren "starteten".
Sie binden bis heute große Mengen CO2, weshalb wir immer schön dafür sorgen sollten, dass wir nicht mehr abholzen als nachwächst. Durch diese permanente Senkung des CO2-Gehalts und den Anstieg des Sauerstoffanteils entstand am Ende eine Atmosphäre, die höhere Lebensformen erst ermöglichte. So hoch mittlerweile, dass sie ziemlich tief zu fallen drohen.
Wieso sind wir plötzlich für das CO2 verantwortlich?
Wir befreien derzeit quasi das CO2, das über Jahrmillionen sicher weggespeichert wurde. In Kalkstein, in Pflanzen und leider auch in fossilen Energieträgern. Zwar befreien wir nicht alles, aber doch so viel, dass sich CO2-Gehalt in der Luft und damit das Klima in eine für uns sehr ungünstige Richtung entwickeln.
Wer eine gute Nachricht hören will: Unser Atmen ist davon nicht beeinträchtigt, die schlechte Nachricht: Innerhalb von Jahrzehnten wird sich der CO2-Gehalt in der Luft fast verdoppeln, wenn wir so weiter machen. Das ist beispiellos. Die Warm- und Kaltzeiten der Erde gingen zwar schon immer einher mit einer wechselnden CO2-Konzentration, aber das lief erdhistorisch sehr langsam ab, auch wenn zum Teil gewaltige Vulkanausbrüche beteiligt waren. Deren Zeit ist vorbei und wir übernehmen jetzt diesen Job.
Wir sind dabei, den Prozess des Klimawandels innerhalb von Dekaden bis Jahrhunderten durchzuziehen und müssen damit rechnen, dass sich Ökosysteme eben nicht wie in der Vergangenheit graduell an die Veränderungen anpassen können.
Professor Sönke Zaehle vom Jenaer Max-Planck-Institut für Biogeochemie erklärt: 12.000 Jahre lang haben wir uns als Menschen unter relativ stabilen Verhältnissen entwickeln können. Passend zur CO2- Konzentration. Seit rund 150 Jahren geht’s damit aber wieder rasant nach oben und mit den Durchschnittstemperaturen ebenso. Dieser Zusammenhang ist unumstritten.
Das hat etwas mit den Reflexionen der Moleküle der Treibhausgase in der Atmosphäre zu tun. Es sind nun einmal die Gase mit drei und mehr Atomen, die die Temperaturen auf der Erde regeln, auch wenn sie nicht einmal ein Prozent in der Atmosphäre einnehmen. Sie lassen nämlich die Sonnenstrahlung nicht wieder raus. Diese "Falle" funktioniert deshalb, weil die Strahlung, die die Erde zurückwirft, in einem anderen Wellenbereich liegt als die Sonnenstrahlen. Es darf nur eben nicht so viel drin bleiben, siehe die Anfangsjahre der Erde.
Als die Erde schon einmal unterging - zumindest für die Lebewesen
Die Wissenschaftler verweisen aktuell auf die Parallelen in der Erdgeschichte. Gravierendstes Ereignis: Vor 252 Millionen Jahren starben die meisten damals auf der Erde existierenden Lebensformen aus. Wissenschaftlern des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Deutschen Geoforschungszentrums am Helmholtz-Zentrum Potsdam und von internationalen Partnern ist es in einer 2020 veröffentlichten Studie erstmals gelungen, die geochemischen Abläufe, die zu diesem Massenaussterben geführt haben, schlüssig nachzuvollziehen.
Auslöser für das Massensterben waren damals gigantische Vulkanausbrüche, die CO2 und Methan freisetzen. Also Treibhausgase. Die Folge waren Erderwärmung und eine Ozeanversauerung, die zum Aussterben von kalkbildenden Organismen führten. Am Ende der Prozesse herrschte eine große Sauerstoffarmut in den Meeren und ganze Naturkreisläufe brachen zusammen.
Das Verschwinden kalkschaliger Organismen hat einen verstärkenden Effekt auf die Treibhausgase, die binden nämlich eigentlich CO2.
Dr. Mahyar Mohtadi aus Bremen gehört zu den Forschern, die persönlich Proben aus den Ozeanböden nehmen und die Bohrkerne untersuchen und somit Jahrmillionen zurückblicken können. Auch Lufteinschlüsse im nicht mehr ganz so ewigen Eis liefern wichtige Erkenntnisse über die Luftzusammensetzung früherer Epochen. Alles zusammen erlaubt Vergleiche mit den heutigen Prozessen. Und die Veränderungen gehen eben sichtbar schneller als jemals zuvor. Auch an den heutigen Wasserlebewesen sehen die Wissenschaftler, dass für uns die Luft immer dünner wird, in diesem Falle eben an der Schalendicke der Schalentiere.
Wir sind leider stärker als ein Vulkan
Die Vulkanaktivitäten auf der Erde haben im Vergleich zu den Anfangsjahren deutlich nachgelassen. Das bedeutet: CO2, das zwischenzeitlich immer mal wieder in die Atmosphäre gelangte und dann wieder durch langjährige chemische Prozesse gebunden wurde, würde heute im Wesentlichen da bleiben, wo es ist. Aber ein Teil davon wurde leider in begehrten Materialien gespeichert, die wir als fossile Energieträger schätzen.
Seit Beginn des Industriezeitalters bläst der Mensch deshalb dauerhaft viel mehr CO2 und Methan in die Luft als alle Vulkane in diesen Jahren zusammen. Das kann man anhand unserer Fördermengen ausrechnen und die Vulkane werden messtechnisch intensiv überwacht. Zudem holzen wir Wälder ab, ohne sie zu ersetzen. Jetzt im Regenwald für Tierhaltung, früher in Europa für den Schiffsbau.
Wir müssen über zwei Millionen Jahre zurückgehen, um Konzentrationen von CO2 zu finden, wie wir sie jetzt sehen. Das können nur die verschiedenen globalen Player wie China, die USA, Russland und die EU lösen.
Viele Prozesse stehen kurz vor den Bereichen, ab denen sie sich unaufhaltsam beschleunigen. Das sind die sogenannten Kipp-Punkte, wozu die viel zitierten Temperaturziele gehören.
Das Wasser steckt zu 90 Prozent sogar in dieser Rechnung, weshalb die Meeresforschung so wichtig ist fürs Klima. Denn es ist vor allen Dingen das Meerwasser, das Energie speichert - und das zwei Grad plus ziemlich übel nimmt. Zwar streiten sich die Gelehrten noch, ob wir bis zu einer Erhöhung der Durchschnittstemperaturen um anderthalb oder zwei Grad noch den Anker werfen können und wie genau sich die Meeresströmungen verändern oder wie stark die Meeresspiegel steigen werden.
Grund für den Dissens sind auch unterschiedliche Annahmen, was der Mensch künftig macht. Ob sich alle Länder an die Vereinbarungen halten und nicht nur auf die anderen zeigen. In der Summe geht es um solche Fragen: Wie viele Kohlekraftwerke gehen weltweit vom Netz? Wie schnell ersetzen wir das Rohöl der Schifffahrtsflotten? Nur ist es für die ersten Regionen fast schon zu spät.
Die Schäden, die ohne Umbau der Energiesysteme entstehen, sind wesentlich höher als die Kosten der Energiewende.
Indonesien plant bereits, die Hauptstadt zu verlegen. Denn mit den höheren Durchschnittstemperaturen verbunden waren schon immer deutlich höhere Meeresspiegel. Und auch das ist bereits messbar. Rund 80 Meter mehr als heute waren es zu Zeiten der Dinos, die nach dem erwähnten großen Zusammenbruch die Erde bevölkerten. Davon sind wir zwar weit entfernt, aber damals gab es halt keine Küstenstädte. Heute reicht schon ein Meter Zuwachs, um richtig Probleme zu bekommen.
Fast alle Großstädte der Welt sind am Wasser gebaut. Und selbst wenn wir bei den ganz konservativen Szenarien wären: Mit 30 bis 60 Zentimeter Meeresspiegelanstieg bis Ende des Jahrhunderts, hätte selbst Deutschland Probleme mit der Anpassung von Deichen.
Der Mensch hat zu nah am Wasser gebaut
Viele dicht besiedelte Regionen Asiens nebst ganzer Inselgruppen würden absehbar im Meer verschwinden, wenn wir so weitermachen wie bisher. Aber auch Küsten und Städte in den USA (Stichwort New York), Afrika oder in Europa sind betroffen. Das ist Konsens in der Wissenschaft, denn die Entwicklung ist mit Hilfe von Satellitenbildern auch bereits sichtbar. Einschließlich des Rückgangs der Eisfelder, die immer mehr Wasser freigeben.
Hinzu kommt, dass sich wegen der gestiegenen Meerestemperaturen bereits jetzt die großen weltumspannenden Strömungen verändern. So wie unser Nordatlantikstrom, der fälschlicherweise immer gern mit dem Golfstrom gleichgesetzt wird, aber quasi nur dessen Verlängerung ist. Diese Wasserbewegungen sorgen dafür, dass es bei uns gemäßigt ist und dass überall die Klimazonen dort bleiben, wo sie sind. Wo es aushaltbar ist, hat sich Leben angesiedelt. Wenn es bei diesen Zonen Verschiebungen gibt, werden ganze Regionen unbewohnbar. Der Regen in der Wüste, in der niemand lebt, nützt keinem etwas. Der muss weiter dort fallen, wo die Menschen, Tiere und Pflanzen zu Hause sind.
Sie haben vielleicht von der Dürre in Somalia gehört. Mehrere Jahre hintereinander - das sind Klimaphänomene, die wir beobachten und diese treten immer häufiger auf.
Auch wenn es global im Schnitt wärmer wird, so steigen die Temperaturen trotzdem nicht überall. Ein Beispiel: Wenn jemand in die Gesamtrechnung ein Minus von fünf Grad einbringt in die Gesamtrechnung und ein anderer ein Plus von sieben Grad, sind es im Durchschnitt diese zwei Grad plus. Nur sind die sieben Grad auf vielleicht bestehende 40 Grad ein ernsthaftes Problem für die betroffene Region. Da löst auch die positive Prognose, dass es in unserer gemäßigten Klimazone wohl gemäßigt bleiben wird, nur eine kurze Freude aus. Wir sind halt nicht alleine auf der Welt. Milliarden von Menschen werden zum Abwandern gezwungen, weil ihre Heimat zu heiß geworden ist, zu trocken oder komplett abgesoffen.
Fluchtgrund Klimawandel
Gegen das, was als Fluchtbewegungen auf die Welt zu käme, war alles bisherige ein "Wandertag". Denn es dürfte sich herumsprechen, wo die dann noch lebensfreundlichen Zonen liegen. Was der Klimawandel nicht schafft, werden dann die sozialen Spannungen erledigen.
Wir lassen nicht alles CO2 raus, was über 200 Millionen Jahre eingespeichert wurde. Aber die Flüsse, die wir als Menschen derzeit verursachen, sind deutlich stärker als das, was wir in der Erdgeschichte bis jetzt gesehen haben.
Noch hätten wir es in der Hand, mahnen die Wissenschaftler, die von Klima-Ignoranten mit den wildesten Zahlenspielen und naturwissenschaftlich leicht widerlegbaren Thesen behelligt werden. Nur verzetteln sich leider die Menschen, die es verinnerlicht haben, zwischen Habecks Heizungsgesetz und planlosen Klimaklebern. Beide nerven auch deshalb, weil die Kommunikationsstrategien völlig versagt haben. Viele können das Thema einfach nicht mehr hören.
In der Summe konnten weder die Deutschen überzeugt werden, noch haben die größten Emittenten wirklich begonnen, ihren Ausstoß zu verringern. Trotz diverser Klima-Abkommen unter Merkels Raute. 81 Prozent der CO2-Menge pusten die G20-Staaten in die Luft. Dort ganz vorn dabei: China, die Vereinigten Staaten und die EU. Das heißt: So viele Länder müssten gar nicht überzeugt werden, andere spüren es ohnehin schon und die Krokodile freuen sich.
Die Überlieferungen aus der geologischen Vergangenheit zeigen, dass bei diesen Bedingungen andere Organismen als Säugetiere Vorteile hatten. Eher Reptilien und Kaltblüter.
Der Erde wird es am Ende egal sein. Sie macht dann halt mit anderen Bewohnern weiter, das hat sie schon immer so gemacht.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 03. Juli 2023 | 16:40 Uhr
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