Demografie Warum der Geburtenrückgang eine Chance für Kitas sein kann
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27. Juli 2023, 12:48 Uhr
Die Frauen in Deutschland haben im vergangenen Jahr 5,5 Prozent weniger Kinder zur Welt gebracht als im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021. Das sind 739.000 Kinder. Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Für die Kitas könnte der Geburtenrückgang aber auch eine Chance sein.
- Ein Grund für den Rückgang der Geburten könnte sein, dass einige erst abwarten wollten, wie sich die soziale Lage nach der Pandemie entwickelt.
- Da die 1990er-Jahre geburtenschwache Jahre waren, gibt es gerade weniger Menschen im gebärfähigen Alter.
- Für die Kindertagesstätten kann das eine Chance auf bessere Betreuung sein.
2022 sind in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zwölf Prozent weniger Babys zur Welt gekommen als in den drei Jahren zuvor. Das erscheint wenig verwunderlich. Immerhin hatte der zweite Lockdown für einen regelrechten Babyboom gesorgt. Kinderwünsche seien möglicherweise vorgezogen worden, erklärt Natalie Nitsche vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung.
Für den Geburtenknick nach der Pandemie gibt es mehrere Erklärungsansätze. Diese seien allerdings mit Vorsicht zu genießen, so Nitsche. Was spekuliert werde, sei: "Dass die Menschen vermeiden wollten, schwanger zu werden unter einer neuen Impfung, die noch nicht so lang getestet war. Sie wollten vielleicht erstmal abwarten und schauen, wie sich die Gesundheit und die soziale Lage entwickelt", sagt Nitsche.
Überraschend sind die aktuellen Geburtenzahlen aber auch aus einem anderen Grund nicht. Olga Pötzsch vom Statistischen Bundesamt erklärt den Zusammenhang: "Wir haben momentan im Osten die Situation, dass die Zahl der Frauen gerade im gebärfähigen starken Alter, also zwischen Mitte 20 und Mitte 30, die 90er-Geburtsjahrgänge sind, die sehr schwach besetzt sind."
Zehn Prozent weniger Kinder bis 2025
Doch jetzt sind die Zahlen, wie sie sind und werden natürlich auch von Politik und Verwaltung aufmerksam beobachtet. Am aufmerksamsten vermutlich in den Ministerien, die am schnellsten mit den neuen Bürgerinnen und Bürgern zu tun haben: den Kultusministerien.
Dirk Reelfs vom sächsischen Kultusministerium bestätigt das: "Wir werden den Geburtenrückgang als erstes in den Kindertageseinrichtungen spüren. Dort gibt es Prognosen, die besagen, dass die Zahl der unter sechsjährigen Kinder bis 2025 um etwa zehn Prozent zurückgehen wird."
Heißt zehn Prozent weniger Kinder auch zehn Prozent weniger Betreuungspersonal? Reelfs sieht in dem Geburtenknick eine Chance, es genauso nicht zu machen. Demografische Rendite nennt er das: "Wenn wir die Qualität der frühkindlichen Bildung weiter stärken wollen, sollten wir an den Personaltableaus in den Kindertageseinrichtungen festhalten", findet Reelfs.
Geburtenknick positiv nutzen
Eine hochwillkommene Idee findet Sabine Grohmann. Sie arbeitet in Dresden im Amt für Kindertagesbetreuung. Schon seit knapp zehn Jahren kämen in der Landeshauptstadt stetig weniger Kinder zur Welt.
Die Stadtverwaltung reagiert bereits darauf. Elf Container-Kitas, die im Zuge des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder schnell entstehen mussten, sollen abgebaut werden. Grohmann betonte aber, Kinder, die in diesen Kitas seien, "können aber bis zum Schuleintritt am Standort bleiben". Das sei ein sehr moderates Modell. Um flexibel zu bleiben, soll eine leichte Überkapazität aber erhalten bleiben.
Und die Erzieherinnen und Erzieher? Da baut Grohmann auf die vom Kultusministerium angesprochene Chance: Den Geburtenknick positiv nutzen, den Betreuungsschlüssel verbessern. Das bedeutet allerdings auch höhere Kosten. Ob man das im Freistaat will, wird die nächste Regierung in Sachsen entscheiden müssen. 2024 ist Landtagswahl.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 27. Juli 2023 | 06:00 Uhr