Artenvielfalt Insekten lieben Brachflächen – in der Stadt
Hauptinhalt
07. April 2025, 17:32 Uhr
Brachflächen in der Stadt – für manche sind sie Schandflecken. Für Artenschützer dagegen wertvolle Biotope, wie eine neue Studie aus Halle am Beispiel von 18 Untersuchungsgebieten in Sachsen-Anhalt zeigt.
Während Monokulturen auf dem Land den Insekten das Leben schwer machen, gelten Städte für manche inzwischen sogar als Wohlfühlorte. Und es gibt Bereiche in den Städten, die bei Insekten besonders beliebt sind: Brachflächen. Dort leben genauso viele Insekten wie in Naturschutzgebieten. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Am Beispiel von 18 Untersuchungsgebieten in Sachsen-Anhalt konnten die Forschenden die erstaunliche Diversität nachweisen. Bei Wildbienen sind die ungenutzten Flächen sogar beliebter als die Schutzgebiete.
Wenig Wissen über Artenvielfalt
Die 18 Gebiete waren unterteilt in neun blütenreiche Flächen in Schutzgebieten und neun blütenreiche städtische Brachflächen. Für beide gibt es bisher wenig aussagekräftige Daten über die Artenvielfalt. Dafür aber jede Menge Vermutungen. "Es gibt viele Naturschutzgebiete und -flächen. Bisher weiß man aber relativ wenig darüber, wie effizient diese sind und wie sie sich womöglich weiter verbessern lassen. Gleichzeitig gibt es in der Forschung Hinweise darauf, dass Brachflächen ein großes Potenzial für den Artenschutz haben können", sagt der Bienenforscher Robert Paxton, Professor am Institut für Biologie der MLU und international gefragter Bienenexperte.
Die Brachflächen waren überwucherte Parkplätze, alte Industrieanlagen und andere Grünflächen. Die Flächen in den Schutzgebieten gehören zu den Natura 2000-Flächen, die fast ein Fünftel der Fläche der Europäischen Union ausmachen. Sie dienen dem grenzüberschreitenden Erhalt von Tier- und Pflanzenarten. „Die Standorte innerhalb beider Lebensraumtypen ähnelten sich darin, dass sie ausschließlich von einheimischer und natürlicher Vegetation aus Gräsern und/oder krautigen Pflanzen dominiert wurden“, heißt es in der Studie.
So gingen die Forscher vor
Wie misst man die Artenvielfalt auf Wiesen oder Brachflächen? Das Forscherteam ging dreistufig vor. Einige der Insekten wurden gefangen. Dafür wurden Pfannenfallen eingesetzt, gefüllt mit unparfümiertem Seifenwasser. Alle in der gleichen Höhe und Ausrichtung zu blütenreichen Stellen, und alle wurden zu den gleichen Zeiten geleert, die Insekten getrocknet, gezählt und gewogen. Zweitens: Zu festgelegten Zeiten statteten die Forschenden allen Flächen Besuche ab und zählten die Insekten bei sogenannten Transektbegehungen – entlang einer gerade Linie in einer vorgegebenen Zeit. Als drittes ermittelten sie die Bestäubungsleistung. Das geschah mit im Gewächshaus gezüchteten Pflanzen, die zuvor keinen Kontakt mit Insekten hatten. Später zählten sie die von den Pflanzen produzierten Samen.
Ergebnisse werfen neues Licht auf Naturschutzflächen
Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf beide Flächen. "Wir stellten zwischen Natura 2000 und städtischen Brachflächen keine signifikanten Unterschiede in der Gesamtbiomasse der Insekten sowie in der Biomasse der einzelnen Insektenordnungen fest", schreiben die Forschenden in der Studie. Fliegen und Käfer kommen auf städtischen Brachflächen genauso häufig vor wie in Schutzgebieten, Wildbienen, zu denen auch die Hummeln gehören, sogar noch häufiger. Auch die Bestäubung funktionierte in den Städten besser. Die Flächen jenseits der Städte hatten dafür öfter Besuch von Schmetterlingen. Dass diese sich in den Städten weniger wohl fühlen, hatte bereits eine Studie aus Frankreich herausgefunden.
"Stadtbrachen bieten vielen Bestäubern also mindestens genauso gute Bedingungen wie ausgewiesene Schutzgebiete", sagt der MLU-Biologe Dr. Panagiotis Theodorou, der bereits in einer früheren Studie gezeigt hatte, dass Stadthummeln größer als Landhummeln sind. Aber zurück zur aktuellen Untersuchung. Deren Ergebnisse, sagen die Forscher, lassen sich auf viele andere Regionen in Mitteleuropa übertragen. Und sie sind ein Hinweis darauf, dass Wildbienen in den Schutzplänen der Natura 2000-Flächen eine größere Rolle spielen sollten, so Robert Paxton. "Durch einfache Maßnahmen könnten diese Flächen noch deutlich attraktiver für Bienen und weitere Insekten werden."
Links/Studien
Die Studie "Schutzgebiete sind in Mitteldeutschland hinsichtlich der Unterstützung von Insektenbestäubern und der Bestäubung nicht besser als städtische Brachflächen" ist 2025 in Basic and Applied Ecology erschienen.
gp/pm
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 07. April 2025 | 11:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/481790e5-26c3-44d5-9e16-73b0ddfbc193 was not found on this server.