Organspende Überkreuz-Lebendspende als Chance für mehr Organe

03. Juni 2023, 20:49 Uhr

Am 3. Juni ist Tag der Organspende. In Deutschland ist der Bedarf an Organen hoch, die Spendenbereitschaft jedoch niedrig. Und die Entscheidung, ob nun pro oder contra, wird noch zu wenig dokumentiert. Die Überkreuz-Lebendspende könnte die Möglichkeiten für Menschen auf der Warteliste verbessern.

Nastassja von der Weiden
Bildrechte: MDR/Markus Geuther

Organspende wird oft mit Tod, Verlust, Krankenhaus assoziiert. Aber auch: mit Leben. Die Lebendspende, zum Beispiel einer Niere, kommt dieser Assoziation gleich doppelt nach.

Denn wenn das eigene Leben oder das eines Angehörigen durch eine Krankheit oder einen Unfall bedroht ist, suchen Betroffene und Familien nach Lösungen, die das Weiterleben irgendwie sichern können. Wenn nur noch ein Spenderorgan helfen kann, sind meistens alle anderen Möglichkeiten längst ausgeschöpft.

Organspende: Ja oder Nein? 2022 wurden in einer bundesweiten Repräsentativbefragung über 4.000 Menschen in Deutschland gefragt, was sie über das Thema Organ- und Gewebespende denken.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die positive Einstellung zum Thema Organ- und Gewebespende in Deutschland 2022 mit 84 Prozent weiterhin sehr hoch ist.

61 Prozent der Befragten haben ihre persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende getroffen. Deutlich weniger Menschen, nur 43 Prozent, haben ihre Entscheidung dann auch dokumentiert.

Quelle: Organspende-info.de

Wenig Spender, viel Bedarf

Eine Organspende zu bekommen, das ist nicht einfach, ganz und gar nicht. Es ist in manchen Fällen sogar wenig wahrscheinlich, da das Verhältnis zwischen Spendern und Wartenden ungleich ist. Dazu kommt, dass unter Umständen etliche medizinische Bedingungen passen müssen.

Etwa 8.500 Menschen stehen in Deutschland derzeit auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen warten auf eine Spenderniere. 2021 gab es demgegenüber bundesweit 933 Organspenderinnen und Organspender. Das entspricht rund 11 Spendern je eine Million Einwohner.

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 3.508 Organe transplantiert, jedes siebte Organ stammte dabei aus einer Lebendorganspende. Es wurden aber auch etwa 4.600 Personen neu auf die Warteliste aufgenommen. Und: Wer noch für kein Spenderorgan vorgesehen ist, kämpft nicht nur gegen das Krank-sein, sondern auch gegen die Zeit. 826 Personen auf der Warteliste sind 2021 gestorben.

Crossover-Organspende

Es gibt bereits ein Verfahren, die "Crossover"- oder auch Überkreuz-Lebendspende, die den Pool an Spendern erweitert, aber in Deutschland (noch) nicht zugelassen ist. Bisher ist es hierzulande nur möglich, engen Angehörigen oder Personen, zu denen man eine persönlich Nähe nachweisen kann, ein Organ zu spenden. Damit soll Organhandel verhindert werden.

Die "Crossover"-Lebendspende kann im Gegensatz dazu auch zwischen Paaren stattfinden, deren Partner sich aufgrund von Blutgruppen- und Gewebeunverträglichkeiten sowie wegen Antikörperbildung nicht gegenseitig ein Organ spenden können und daher auf eine Organspende außerhalb ihres persönlichen Umfelds angewiesen sind.

Ein Partner aus einem Paar spendet dann sein Organ dem Partner eines anderen Paares, der auf eine Lebend-Organspende angewiesen ist, und umgekehrt. In sehr seltenen Fällen hat das auch in Deutschland schon geklappt, wenn die Patienten zum Beispiel im gleichen Krankenhaus behandelt wurden und eine Kontaktaufnahme rechtzeitig ermöglicht wurde.

Leipziger Bündnis AOS wirbt für Widerspruchslösung

Die Initiative AOS (Aufklärung, Organ, Spende) in Leipzig hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen in der Region bei Fragen und Unsicherheiten zum Thema zu helfen. Jakob Handrick sagte MDR AKTUELL, AOS informiere bei Schulbesuchen oder etwa beim Leipziger Stadtfest über die Organspende. Es gehe dabei um neutrale Aufklärung, um den Menschen eine freie Entscheidung zu ermöglichen.

Als Möglichkeit zur Erhöhung der Spenderzahlen unterstützt AOS die Widerspruchslösung, also dass jeder potenziell Organspender ist, aber widersprechen kann. Doch auch die aktuell in Deutschland geltende Enscheidungslösung mir aktiver Bereitschaft zur Organspende, kann Handrick zufolge funktionieren. Dafür brauche es aber mehr Aufklärungsarbeit.

AOS strebt an, dass jeder einmal im Leben eine Entscheidung pro oder gegen die Organspende trifft und es im Organspendeausweis oder in der Patientenverfügung dokumentiert. Das entlaste die Angehörigen, die sonst entscheiden müssten. Auch Überkreuz-Lebendspenden zwischen Paaren begrüßt AOS als Möglichkeit, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Auch dabei bleibe den Beteiligten die freie Entscheidung. Außerdem wirbt AOS für den Aufbau eines umfangreichen Spenderregisters.

Erfahrungen aus Spanien und Österreich

In einigen Ländern wird die Crossover-Lebendspende bereits praktiziert: In den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Spanien und den USA ist das Verfahren seit Jahren etabliert. Spanien zählt seit Langem zu den Ländern mit den meisten Organspendern in ganz Europa.

In Deutschland gibt es bei Betroffenen unterdessen Hoffnung: "Wir wollen ermöglichen, dass man zukünftig auch über Kreuz Organlebendspenden machen kann", sagte der Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Pilsinger, Ende April dieses Jahres.

Ein einzelnes Zentrum mit möglichen Spender-Empfänger-Paaren sei dabei nicht ausreichend, sagte Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organstransplantation im Deutschen Ärzteblatt. Er spricht sich für eine bundesweite Liste aus. Und: Eine europaweite Ausweitung des Registers hält Rahmel ebenfalls für hilfreich.

Ob und wie die Überkreuz-Organspende in Deutschland gelebte Realität wird, also welche Bedingungen erfüllt werden müssen und wie eine bundesdeutsche Regelung aussehen könnte, ist noch nicht bekannt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 03. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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