recap Corona und Ukraine-Krieg: Wie Tiere unter der Krise leiden
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16. Dezember 2022, 16:25 Uhr
Schon seit Jahren sind viele Tierheime überlastet. Die Corona-Pandemie und die Inflation haben dazu beigetragen, der Krieg in der Ukraine und die gestiegenen Tierarztkosten die Situation verschärft. Heimtiere zu Weihnachten zu verschenken, ist trotzdem keine Lösung für das Problem – im Gegenteil.
Spätestens mit dem ersten Lockdown während der Pandemie stellte sich bei vielen Langeweile und Einsamkeit ein. Und was könnte da besser helfen als ein vierbeiniger Weggefährte? Homeoffice mit Hund, Quarantäne mit Katze– die Pandemie löste einen regelrechten Haustier-Boom aus.
2020 zogen etwa eine Million mehr Hauskatzen in ein neues Zuhause als im Jahr zuvor. Auf Dauer wurden die neuen Haustiere den oft unerfahrenen Tierhaltern dann allerdings doch lästig. Nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht gaben viele ihre Tiere wieder ab – zum Ärgernis von Tierheimen.
Diese Tiere sitzen jetzt in den deutschen Tierheimen, weil sie nicht mehr gewollt sind, weil ihre Halter überfordert waren.
Für eine weitere Belastung sorgen die gestiegenen Preise beim Tierarzt. Im November 2022 wurde die Gebührenordnung für Tierärzte aktualisiert – erstmals seit 1999. Nun müssen alle Tierhalter deutlich mehr für Behandlungen bezahlen. Die Kastration eines Katers kostet nun etwa 30 statt 19 Euro. Für eine Impfung werden elf statt fünf Euro fällig. Für Privatpersonen wird das Haustier damit zur größeren finanziellen Belastung. Die Tierheime treffen die höheren Gebühren noch empfindlicher, da sie eine Vielzahl von Tieren behandeln lassen müssen.
Inflation belastet Tierheime zusätzlich
Die allgemeine Inflation stellt die Tierheime gleich in mehreren Bereichen vor große Herausforderungen. Die steigenden Energiekosten etwa werden für Tierheime zum Problem – besonders für jene, die wärmebedürftige Reptilien und andere exotische Tiere beherbergen. Die Preise für Tierfutter sind in den vergangenen Monaten stark angestiegen. Und auch die Spendenbereitschaft hat in Zeiten der Inflation nachgelassen, was den chronisch unterfinanzierten Tierheimen zu schaffen macht.
Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur die Inflation befeuert, er hat darüber hinaus auch für einen zusätzlichen Strom an Tieren in die Tierheime gesorgt. Denn viele Ukrainerinnen und Ukrainer nahmen ihre Haustiere auf der Flucht nach Deutschland mit. Die Einreise nach Deutschland war dank einer Ausnahmeregelung auch ohne zusätzliche Genehmigung erlaubt. In vielen Notunterkünften jedoch war die Unterbringung von Tieren nicht gestattet, sodass viele Tiere ins Tierheim mussten.
Zurückgelassene Tiere sind in der Ukraine gefährdet
Für jene Tiere, die in der Ukraine bleiben mussten, ist die Lage jedoch noch dramatischer. Tiere seien ganz unmittelbar vom Krieg betroffen, sagt Tierrechtsaktivistin Victoria Müller, vor allem die, die vom Menschen abhängig sind.
Die Tiere verstehen auch nicht, was Krieg ist. Deswegen können sie natürlich auch nicht einfach ihr kleines Köfferchen packen, Stalltür aufmachen und irgendwohin gehen. Sie leiden massiv darunter.
Gleich nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden zahlreiche Tierschutzorganisationen aktiv. Auch Müller reiste Anfang März erstmals an die polnisch-ukrainische Grenze, um Sachspenden für Flüchtende mit Haustieren vorbeizubringen.
Sie wollte mehr tun und gründete mit Freunden einen eigenen Tierschutzverein namens “Dog Days are over”. In den vergangenen Monaten war sie im Dauereinsatz. Unter anderem habe sie schon 80.000 Kilo an Tierfutter und weitere Sachspenden in die Ukraine gebracht und dabei geholfen, Tiere aus den Kriegsgebieten zu evakuieren.
Tiere unterm Weihnachtsbaum sind keine Hilfe
Wie kann man als Privatperson Tierheime entlasten? Tiere zu verschenken sollte jedenfalls keine Option sein. Viele Heime haben die Erfahrung gemacht, dass unbedacht verschenkte Tiere oft schnell wieder zurückkehren. Das Tierheim Berlin hat deswegen sogar einen Vermittlungsstopp rund um die Feiertage verhängt.
TV-Hundetrainer Andreas Ohligschläger rät, dass man sich ein paar grundsätzliche Fragen stellen sollte, bevor man sich einen Vierbeiner zulegt – etwa ob man überhaupt die Kraft, die Energie und das nötige Einfühlungsvermögen habe, um einem Hund ein neues Zuhause zu geben. Auch Zeit ist ein wichtiger Faktor.
Ungefähr zwei bis drei Wochen Urlaub solltet ihr schon einplanen. Weil ihr müsst den Hund an sein neues Zuhause gewöhnen.
Auch die App eines Magdeburger Start-Ups soll gegen überfüllte Tierheime helfen. Tierfreunde können in der App Fragen zur eigenen Lebenssituation beantworten und die App schlägt einem dann ein passendes Tier aus einem Tierheim in der Nähe vor. Die Macher von “FindUs” versprechen, für jedes Tier das perfekte Zuhause zu finden.
Und wie kann die Politik Tierheime entlasten? Hester Pommerening vom Deutschen Tierschutzbund schätzt die Lage als “dramatisch” ein. Politik und Gesellschaft hätten sich lange darauf ausgeruht, dass der karitative Tierschutz – spendenfinanziert und durch Ehrenamtler unterstützt – auffange, was eigentlich in der öffentlichen Hand liege. Zum einen fordert sie, dass neue Gesetze erlassen werden – etwa eine Heimtierschutzverordnung, um unseriöse Vermittlungsportale im Netz abzuschalten.
Ein Verbot für den Online-Handel, also dass sich nicht jeder und jede einfach, wie sie oder er lustig ist, ein Tier anschaffen kann wie eine Ware, wie einen Pullover.
Außerdem müsse die Politik nun ein ganz akutes Rettungspaket zusammen stellen. Ohne ein solches, so befürchtet Pommerening, werde ein Viertel der Tierheime diesen Winter vermutlich nicht überstehen.
Warum sind Tierheime aktuell so am Limit? Das beantworten wir in der aktuellen Folge recap.
Dieses Thema im Programm: recap bei Youtube | 16. Dezember 2022 | 17:00 Uhr
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