Kinder werden zum Zerkleinern von Steinen beschäftigt Mädchen 6 und 7 Jahre, Junge 11 Jahre alt, Khasi Hills im Bundesstaat Meghalaya, Indien
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll seit dem 1. Januar 2023 zum Beispiel Kinderarbeit verhindern. Bildrechte: imago images/Friedrich Stark

Menschenrechte Neues Lieferkettengesetz stößt auf Sorge bei Unternehmen

02. Januar 2023, 05:00 Uhr

Seit diesem Jahr gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Deutsche Unternehmer müssen garantieren, dass sich auch ihre ausländischen Lieferanten an Menschenrechte halten. Eine Behörde im sächsischen Borna überwacht all dies. Doch die Wirtschaft hat mit dem Gesetz ihre Probleme.

  • Seit dem 02. Januar überprüft eine Behörde in Borna, ob deutsche Unternehmen bei ihren Lieferanten auf Menschenrechte achten.
  • Die Sorge ist vor allem bei kleinen Unternehmen groß. Sie befürchten, die Verantwortung könnte einfach an sie weitergereicht werden.
  • Im Ausland komme das neue Gesetz nicht gut an, erläutert Volker Treiner vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
  • Menschenrechtsorganisationen begrüßen das Gesetz.

Sanfte Klaviermusik erklang, draußen fiel Schnee, als Torsten Safarik im Dezember in Borna seine neue Außenstelle einweihte. Safarik ist Chef des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Seine Behörde soll in der sächsischen Kleinstadt ab heute überprüfen, ob deutsche Unternehmen auch bei ihren Lieferanten auf Menschenrechte und Umweltstandards achten. "Zum einen sind die Unternehmen verpflichtet, uns Berichte vorzulegen. Anhand der Berichte überprüfen wir dann, ob die Vorgaben des Gesetzes eingehalten werden. Aber es besteht auch die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer oder Betroffene Beschwerden einreichen. Und wenn Beschwerden bei uns eingereicht werden, dann führen wir anlassbezogen Kontrollen durch", erklärt Safarik.

Sorge bei kleinen Unternehmen

Die Vorgaben gelten zunächst nur für Firmen ab 3.000 Mitarbeitern. Trotzdem ist die Aufregung vor allem bei kleinen Unternehmen groß. Sie sind oft die Zulieferer der Großen. Und diese könnten die Verantwortung an sie weiterreichen.

Wolfgang Eisenberg leitet das Leuchtstoffwerk Breitungen und kauft weltweit Material ein. Der Unternehmer beschäftigt zwar nur 100 Leute, trotzdem befürchtet er mehr Aufwand: "Wenn man das als Firma richtig solide machen will, und das muss man ja, wenn man Gesetze einhalten will, heißt das ja: Ich stelle jemanden komplett separat dafür ab. Ich muss unsere internationalen Lieferanten befragen. Da muss ich bestimmte Formulare entwickeln. Ich muss mich überzeugen, dass die Dinge, die unsere Lieferanten nennen, auch stimmen. Ich kann mich nicht einfach auf eine Mail von denen verlassen".

Eisenberg: Bundespolitik ist unehrlich

Eisenberg, der auch Vizepräsident des Verbandes der Thüringer Wirtschaft ist, findet die Bundespolitik zudem unehrlich. Einerseits beschließe sie das Lieferkettengesetz, andererseits kaufe sie Erdgas in Katar, was ja nicht für Menschenrechte berühmt sei.

Der Unternehmer fragt sich, wie es im Ausland ankommt, wenn er künftig Standards abfragt. Nicht so gut, sagt Volker Treier. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages kritisierte das Lieferkettengesetz auf einer Podiumsdiskussion: "Mit indischen Autoritäten haben wir das Gesetz schon diskutiert. Die sagen auch: Wir wollen Menschenrechte in unserem Land durchsetzen, aber wir haben manchmal auch Dilemma-Situationen. Wir haben noch nicht den wirtschaftlichen Wohlstand, dass wir darauf verzichten können, dass in gewissen Familien Kinder oder Jugendliche mitarbeiten müssen zur Ernte und so weiter".

Menschenrechtler: Kritik ist überzogen

Menschenrechtler weisen diese Einwände zurück. Kindernothilfe, UNICEF oder Save the Children begrüßen das Gesetz. Auch die Kritik an der Bürokratie finden die Befürworter überzogen.

Behördenchef Safarik beschäftigt in Borna künftig 100 Mitarbeiter. Die Fragebögen für die zu prüfenden Unternehmen, sagt er, habe man gemeinsam mit Unternehmern entwickelt. "Im Endeffekt sind acht Pflichtfragen übrig geblieben, die jedes Unternehmen beantworten muss. Und in Abhängigkeit, wie diese Fragen beantwortet werden, kommen weitere Fragen hinzu. Maximal sind 45 Pflichtfragen möglich. Aber das ist das Maximum. Die meisten Unternehmen werden deutlich weniger Fragen beantworten müssen".

Safarik: Gesetz wurde schlank gehalten

Man habe das Gesetz schlank gehalten, argumentiert Safarik. Und auf die Standards würden die meisten Firmen bei ihren Lieferanten ohnehin längst achten. Da sei es nur fair, wenn sie jetzt für alle gelten – und sich nicht Einzelne durch besonders miese Lieferanten einen Preisvorteil verschaffen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 02. Januar 2023 | 06:00 Uhr

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