Bundesverfassungsgericht Leibliche Väter bekommen stärkere Position
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09. April 2024, 15:50 Uhr
Das Bundesverfassungsgericht hat die Position von Männern im Kampf um die rechtliche Vaterschaft für ihre leiblichen Kinder gestärkt. Die Beschwerde eine Mannes aus Sachsen-Anhalt hatte damit Erfolg. Das Familienrecht muss geändert werden. Ausdrücklich nannte das Gericht dabei die Möglichkeit, künftig drei rechtliche Elternteile zu ermöglichen.
- Verfassungsrichter stärken Rechte leiblicher Väter.
- Klage erhob ein Mann aus Sachsen-Anhalt.
- Justizministerium bereitet Änderungen vor.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Position von Männern im Kampf um die rechtliche Vaterschaft für ihre leiblichen Kinder gestärkt. Die Verfassungsbeschwerde eines Mannes aus Sachsen-Anhalt hatte am Dienstag in Karlsruhe teilweise Erfolg. "Das geltende Familienrecht trägt dem Elterngrundrecht leiblicher Väter nicht hinreichend Rechnung", sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth bei der Urteilsverkündung (Az. 1 BvR 2017/21).
Die Richter urteilten, dass zugunsten des leiblichen Vaters ein "hinreichend effektives Verfahren" zur Verfügung stehen müsse, "das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden". Der Gesetzgeber muss die Rechtslage dem Urteil zufolge bis spätestens 30. Juni 2025 ändern. Eingeleitete Verfahren seien bis dahin auf Antrag auszusetzen.
Vater aus Sachsen-Anhalt hatte geklagt
Im konkreten Fall hatte ein Mann aus Sachsen-Anhalt Verfassungsbeschwerde erhoben. Der Hallenser ist biologischer Vater eines dreijährigen Sohnes, darf das Kind aber nur alle zwei Wochen für wenige Stunden sehen. Die Mutter trennte sich unmittelbar nach der Geburt von ihm und ließ den neuen Lebenspartner als rechtlichen Vater eintragen.
Eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft scheiterte bislang daran, dass der neue Partner eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut hatte. Der Fall muss nun neu verhandelt werden.
Nach der Urteilsverkündung zeigte sich der Mann zurückhaltend. Das Urteil sei "auf jeden Fall ein Erfolg", sagte er. Für ihn persönlich gebe es aber noch keinen erfolgreichen Ausgang. Er müsse erst ein neues Gesetz abwarten, um irgendwann möglicherweise auch rechtlicher Vater werden zu können. Vorerst will er an seinem Alltag festhalten und das Kind weiter sehen. "Etwas anderes kann ich erst einmal sowieso nicht machen", sagte er.
Modernisierung geplant
Bemerkenswert ist, dass das Gericht mit Blick auf die Änderung des Familienrechts ausdrücklich die Möglichkeit nannte, künftig auch drei rechtliche Elternteile zuzulassen. Diese Lösung wird diskutiert, um die Bedürfnisse von Patchworkfamilien mit Bonus-Müttern und Bonus-Vätern zu berücksichtigen.
Die Bundesregierung bereitet eine Modernisierung des Abstammungs- und Kindschaftsrechts vor. Die Rechte leiblicher Väter sollten dabei ohnehin gestärkt werden. "Solange ein gerichtliches Verfahren läuft, in dem ein Mann seine Vaterschaft feststellen lassen will, soll grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für dieses Kind anerkennen können", heißt es dazu beim zuständigen Justizministerium. Außerdem soll eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Erzeuger nicht mehr kategorisch ausschließen.
Das Ministerium wollte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Die Gesetzentwürfe sollen noch im ersten Halbjahr 2024 folgen. Laut den vorliegenden Eckpunkten will die Bundesregierung an dem Grundsatz festhalten, dass es rechtlich nur zwei Elternteile gibt. Um den neuen Formen familiären Zusammenlebens Rechnung zu tragen, sollen Eltern aber zusätzlich sorgerechtliche Befugnisse auf weitere Personen übertragen können.
Justizminster Marco Buschmann bezeichnete das Urteil als Rückenwind für seine Vorhaben. "Eine Reform des Abstammungsrechts ist nicht nur politisch richtig. Sie ist verfassungsrechtlich zwingend", schrieb der FDP-Politiker bei X.
Beteiligte sehen mehr als zwei rechtliche Elternteile skeptisch
Der Kläger aus Halle sagte nach dem Urteil, er sei grundsätzlich dazu bereit, die Verantwortlichkeiten auf drei Personen aufzuteilen und damit den neuen Partner der Mutter einzubeziehen. Seine Rechtsanwältin Franziska Köpke erwartet allerdings in der Praxis erhebliche Probleme. "Schon wenn zwei Elternteile um die Elternschaft und Verantwortlichkeiten ringen, wird es schwierig. Das dürfte mit drei oder mehr Beteiligten nicht leichter werden. Und im Mittelpunkt muss immer das Kindeswohl stehen."
In diese Richtung argumentierte auch der Anwalt der Kindsmutter, Dirk Siegfried. "Ich bin grundsätzlich für eine rechtliche Stärkung von Mehr-Eltern-Familien. Aber doch nicht in Fällen, in denen es zwischen den Beteiligten zu keiner Einigung kommt."
Nur wer rechtlicher Vater ist, hat umfassende Mitbestimmungsrechte und -pflichten: etwa im Sorgerecht, beim Unterhalt oder bei der Entscheidung über medizinische Behandlung oder Schul-Wahl.
dpa/MDR (ala)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 09. April 2024 | 19:30 Uhr