Ein Strafgefangener blickt aus dem vergitterten Fenster seiner Gefängniszelle
Wie umgehen mit Wiederholungstätern? Darüber wird diskutiert. (Symbolbild) Bildrechte: picture-alliance/dpa/Marcus Führer

Intensivtäter Kriminologe hält Haftstrafen für kontraproduktiv

19. November 2024, 05:00 Uhr

Wenn Menschen immer wieder straffällig werden, spricht man von sogenannten "Intensivtätern". Ein Hörer von MDR AKTUELL möchte wissen, warum solche "Intensivtäter" nicht schneller in Haft kommen, wenn sie wieder straffällig werden. In unserer Serie "Hörer machen Programm" gehen wir der Frage nach.

Immer wieder gibt es die Forderung, strenger gegen sogenannte "Intensivtäter" vorzugehen. Einer der Befürworter ist der CSU-Politiker Klaus Holetschek. Er fordert, die Haftgründe im Strafprozessrecht so zu verschärfen, dass Wiederholungstäter einfacher inhaftiert werden können.

Experten sehen andere Maßnahmen als härtere Strafen

Der Kriminologie-Professor Marcel Schöne von der Hochschule der sächsischen Polizei sieht diese Forderung kritisch. "Wenn jemand mehrfach Straftaten begeht und wir registrieren ihn als Intensivstraftäter, dann ist es zu einfach zu sagen, wir müssen dort mit härteren Strafen vorgehen." Stattdessen müsse man sich fragen, warum sich Wiederholungstäter durch bisherige Maßnahmen nicht von der Begehung von Straftaten abschrecken ließen, sagt Schöne. "Und das wird sehr häufig eben nicht getan, weil wir in diesem System auf Repression setzen", kritisiert er.

Der Vorsitzende des Thüringer Richterbunds, Holger Pröbstel, bezeichnet den Freiheitsentzug, als eines der schärfsten Schwerter, die die Rechtssprechung kennt, weil damit in ein Grundrecht eingegriffen wird. Er ist nicht der Meinung, dass das Strafrecht verschärft werden müsste. Zielführender sei eine effektive, schnelle Strafverfolgung. Pröbstel sagt, in seinen Augen sei die schnelle Sanktionierung wichtig. Die Strafe müsse auf dem Fuß erfolgen. "Wenn ich ein bis zwei Jahre später nach der Tat jemanden abverurteile, dann stellt der ja keinen Bezug mehr zu der Tat her. Das wird dann schwierig."

Inhaftierung setzt einiges voraus

Wer Tatverdächtig ist, kann grundsätzlich sehr schnell in Haft kommen, dafür müssen aber einige Gründe vorliegen, sagt der Vorsitzende des Richterbunds in Sachsen-Anhalt, Christian Löffler. Ob die erfüllt sind, müsse immer im Einzelfall geprüft werden. "Haft ist eine einschneidende Maßnahme. Es muss daher zunächst ein dringender Tatverdacht vorliegen, weiterhin müssen die sogenannten Haftgründe vorliegen." Diese könnten beispielsweise Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr sein.

Beim Maßregelvollzug, also der Unterbringung von psychisch oder suchtkranken Straftätern, die als schuldunfähig gelten, verhält es sich ähnlich. Das Gericht muss ebenfalls feststellen, dass eine Gefahr für andere beziehungsweise eine Wiederholungsgefahr besteht. Diesen Freiheitsentzug anzuordnen ist nicht so einfach, erklärt Holger Pröbstel. "Da brauchen sie in der Regel auch psychiatrische Gutachten in der Hauptverhandlung für – das macht man nicht mit der linken Hand."

Noch höher sind die Hürden bei der Sicherungsverwahrung, die nach einer abgesessenen Haftstrafe beginnt und so lange andauert, wie eine Gefahr von der jeweiligen Person ausgeht.

Kriminologe hält Haftstrafen für kontraproduktiv

Den Nutzen von Haftstrafen bewertet Kriminologe Marcel Schöne von der Hochschule der sächsischen Polizei kritisch. Er spricht von kriminellen Subkulturen in den Gefängnissen, die den Häftlingen mehr schaden als helfen. "Dieser Strafvollzug wirkt eher kontraproduktiv und das lässt sich sehr gut ablesen an den Rückfallquoten, die wir dort haben. Allein im Jugendstrafrecht haben wir Rückfallquoten von über 50 Prozent."

Ein weiteres Argument gegen härtere Strafen sieht Schöne in den Kosten. 260 Millionen Euro würden die Strafanstalten in Deutschland pro Monat bereits jetzt kosten. Mit jedem weiteren Häftling kämen monatlich etwa 3.500 Euro dazu.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. November 2024 | 06:19 Uhr

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