Auszubildender Tischler wird an Bohrmaschine unterrichtet.
Ein Auszubildender in einer Tischlerei – viele dieser Stellen im verarbeitenden Gewerbe und in anderen Bereichen werden erst einmal in Mitteldeutschland gestrichen. Bildrechte: imago images/Shotshop

Wirtschaft Warum die Zahl der Lehrstellen in Mitteldeutschland sinkt

19. November 2024, 05:00 Uhr

In Mitteldeutschland ist die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor. Für den Dresdner Wirtschaftswissenschaftlers Joachim Ragnitz kommt die Entwicklung aufgrund der Wirtschaftslage nicht überraschend. Er sagte dem MDR, viele Betriebe hätten ohnehin Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden. Der Rückgang an Ausbildungsplätzen könne aber auf lange Sicht zum Problem werden, weil Fachkräfte fehlten.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Bei Olav Praetsch kann man lernen, wie man Schokolade macht. Der 59-Jährige leitet im sächsischen Wermsdorf eine Manufaktur für süße Sachen. Praetsch kann zeigen, wie man Irish-Coffee-Trüffel herstellt oder Schokolade aus Kamelmilch. Doch nun will er sich aus der Berufsausbildung zurückziehen – aus Frust. Praetsch sagt, man habe in den "ganzen Bewerberläufen aus den vergangenen Jahren und in den anschließenden Bewerbungsgesprächen doch gemerkt", dass es vielen Jugendlichen an Basisfähigkeiten wie Rechnen fehle. Auch bei "den Einstellungen beziehungsweise in den Erziehungsarbeiten" gebe es "erhebliche Defizite". "Und wir hatten da schlichtweg keine Lust mehr, uns mit eigentlich selbstverständlichen Dingen rumzuärgern."

Unternehmen reagieren auf schwächelnde Wirtschaft

Tatsächlich ist Praetsch nicht der Einzige, der seine Lehrstellen zusammenstreicht. Der Bundesagentur für Arbeit wurden in Sachsen dieses Jahr acht Prozent weniger Lehrstellen gemeldet als im Jahr zuvor. In Sachsen-Anhalt beträgt der Rückgang sieben, in Thüringen sechs Prozent. Agentursprecher Frank Vollgold sagt, in Sachsen würde das Ausbildungsangebot nur noch in einem Sektor wachsen. "Also wir haben nur im Dienstleistungsbereich ein kleines Plus bei den gemeldeten Ausbildungsstellen." In allen anderen Branchen, also dem verarbeitenden Gewerbe, dem Logistikbereich, im Bereich Handel und Kfz, auch im Bau und im Gastgewerbe, gebe es überall einen dreistelligen Rückgang bei den Ausbildungsstellen, sagt Vollgold.

Für Joachim Ragnitz kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Der Wirtschaftswissenschaftler am Dresdner ifo-Institut erzählt, viele Betriebe hätten ohnehin Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden. In der Wirtschaftskrise kürzten sie nun das Angebot. Auf lange Sicht könne das aber zum Problem werden. "Ich kann es verstehen aus wirtschaftlichen Gründen, aber wenn das Unternehmen eine längerfristige Fortführungsperspektive hat, ich meine, da muss man Arbeitskräfte haben und am Markt wird es immer schwieriger sein halt Arbeitskräfte zu finden." Ragnitz sagt, es sei eine riskante Strategie der Unternehmen, jetzt ihre Ausbildungsplätze zurückzufahren.

DGB offen für Abgabe für Betriebe ohne Azubis

Weil es ohne Fachkräfte in Zukunft nicht gehen wird, taucht eine alte Idee wieder auf: die Ausbildungsabgabe. Bezahlen müssten diese alle Unternehmen, die nicht ausbilden, sagt Markus Schlimbach, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB. Von den Einnahmen würden dann Ausbildungsbetriebe unterstützt. "Also das ist für uns immer noch eine gute Idee, weil die Ausbildungsabgabe die Möglichkeit schafft, dass auch Unternehmen sich an der Ausbildung beteiligen können, die das jetzt vielleicht aus finanziellen Schwierigkeiten heraus, aus organisatorischen Schwierigkeiten nicht hinbekommen.", sagt Schlimmbach.

Tatsächlich bildet in Deutschland nur eine Minderheit der Betriebe selbst aus. Trotzdem stößt die Ausbildungsabgabe auch bei jenen auf Skepsis, die von ihr profitieren könnten. Burghard Grupe ist Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. "Also jede verpflichtende Zwangsumlage ist immer schwierig und der Teufel steckt im Detail, weil es gibt auch Betriebe, die können und dürfen gar nicht ausbilden oder es gibt auch Betriebe, da gibt es gar keine Ausbildungsberufe."

Gleichwohl appelliert auch Grupe an die Unternehmen: Bildet aus! Chocolatier Praetsch hat als Konditormeister insgesamt 18 Lehrlinge gehabt. Eine letzte Auszubildende hat er jetzt noch eingestellt, obwohl er eigentlich schon nicht mehr wollte. Damit, findet Praetsch, habe er seinen Anteil geleistet.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 19. November 2024 | 06:09 Uhr

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