Sommerserie Wie steht es um Digitalität in den mitteldeutschen Musikmuseen?
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24. September 2024, 11:43 Uhr
In der so kulturträchtigen und an Musikgeschichte(n) reichen Landschaft zwischen Werra und Neiße, zwischen Vogtland und Havelland gibt es Musikermuseen mit internationaler Strahlkraft, zehntausende Menschen kommen jedes Jahr zu Bach nach Leipzig oder zu Händel nach Halle. Aber auch die kleineren Orte sind einen Besuch wert: MDR KLASSIK stellt Ihnen mit einer Serie die Musikmuseen Mitteldeutschlands vor, vor allem mit Blick auf die Digitalität.
Diese Museen stellen wir Ihnen in unserer Sonderreihe vor, aus Sachsen-Anhalt:
Das Wilhelm-Friedemann-Bach-Haus in Halle, Saale: (zum Ausklappen)
Am Rande der Innenstadt von Halle, in der Großen Klausstraße, steht ein gut erhaltenes, dreigeschossiges Renaissance-Gebäude. Ursprünglich wurde es als Badehaus errichtet. Gut 200 Jahre später, vermutlich 1763, bezog der erstgeborene Sohn Johann Sebastian Bachs, Wilhelm Friedemann, eine Wohnung in diesem Haus.
Heute trägt es seinen Namen. In der ersten Etage betreibt die Stiftung Händel-Haus die Dauerausstellung "Musikstadt Halle". Darin wird die Geschichte Wilhelm Friedemann Bachs erzählt, der zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Stadt gehörte. Aber auch andere Komponisten-Größen, wie Samuel Scheidt, Georg Friedrich Händel, Johann Friedrich Reichardt, Carl Loewe und Robert Franz, stehen im Fokus der Ausstellung.
Das Kurt Weill Zentrum Dessau: (zum Ausklappen)
Mit seinem Song über den Gauner Mackie Messer ist der Komponist Kurt Weill weltberühmt geworden. Wer sich in das aufwühlende Leben und in die mitreißende Musik des Komponisten der "Dreigroschenoper" vertiefen möchte, ist zum Besuch der Dauerausstellung im Kurt-Weill-Zentrum Dessau eingeladen.
Sinnigerweise hat sie ihren Platz gefunden in einem der Meisterhäuser, die für die Bauhaus-Professoren errichtet und von ihnen bewohnt worden sind. Ein perfektes Ambiente für eine Ausstellung zu Weill, der zeitgleich seine Berühmtheit erlangte – und mit den gleichen völkisch-konservativen Widerständen zu kämpfen hatte wie viele der Bauhäusler. Herzstück der Ausstellung ist der "Digitale Wissenstisch". Dort sind zum Beispiel Bezüge abrufbar zu Künstlerinnen und Künstlern, mit denen Weill kooperierte, weit über Lotte Lenya und Bertolt Brecht hinaus.
Über einen Audioguide können sich die Gäste auf die Kompositionen Kurt Weills einlassen, auch auf solche, die er im Exil in den Vereinigten Staaten schuf und mit denen er am Broadway fast noch berühmter wurde als mit seinen Songs, die er für Bertolt Brecht schrieb.
Das Händelhaus Halle (Artikel):
Das Heinrich-Schütz-Haus in Weißenfels: (Artikel)
... aus Sachsen:
Das Robert-Schumann-Haus in Zwickau: (zum Ausklappen)
Einst war in dem schmucken Haus am Hauptmarkt der Verlag von Robert Schumanns Vater August untergebracht. Er gilt als Erfinder des Konzepts Taschenbuch und ist mithin kein ganz unbedeutender Mann in der europäischen Verlagsgeschichte. Seit 1920 ist das Haus Museum – die Idee dazu kam zehn Jahre zuvor anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Robert Schumann.
Da war der Komponist schon mehr als ein halbes Jahrhundert tot, sein tragisches Ende in einer Heilanstalt mit nur 46 Jahren erschütterte damals die Musikwelt. Im Zwickauer Museum sind etliche Originale aus dem kurzen Leben erhalten: Handschriften früher musikalischer und lyrischer Versuche, aber auch Liebesbriefe an Clara Wieck. Die begnadete Pianistin lernte Schumann 1828 kennen – das war das Jahr ihres ersten Auftritts im Leipziger Gewandhaus.
Ihre gemeinsamen Jahre dokumentiert das Museum auch anhand von Instrumenten aus dem Familienbesitz. Museumsleiter Thomas Synofzik ist selbst Pianist und spielt bei seinen Führungen so selten zu hörende Instrumente wie den Pedalflügel oder die Physharmonika – ein Vorläufer des Harmoniums. Clara konnte damit noch als Kind auf ihren Konzertreisen üben – und ihr Vater, der Instrumentenhändler vertrieb es.
In acht Ausstellungsräumen dokumentiert das Museum Lebensstation und gibt einen großartigen Überblick über Leben und Schaffen Robert Schumanns und seiner Frau Clara – zugleich ein Ausflug tief hinein in das 19. Jahrhundert.
Das Mendelssohn-Haus in Leipzig (Artikel)
Das Schumann-Haus in Leipzig: (zum Ausklappen)
Sie konnte nicht ohne ihn, er nicht ohne sie sein: Clara und Robert Schumann befruchteten sich gegenseitig. Beide komponierten und Clara war zudem bereits seit ihrer Kindheit eine berühmte und weit gereiste Pianistin. Gleich nach ihrer Hochzeit 1840 bezogen sie ihre erste gemeinsame Wohnung in der Leipziger Inselstraße 18. Vier Jahre verbrachten sie hier und davon erzählt die Ausstellung "Experiment einer Künstlerehe - die Leipziger Zeit der Schumanns".
Im Mittelpunkt steht das Paar Schumann. Die Besucherinnen und Besucher können im privaten Ehetagebuch lesen, ein sehr privates Zeugnis des jungen Zusammenseins.
Gleichzeitig schöpft die Ausstellung die medialen Möglichkeiten der Gegenwart aus: so zum Beispiel mit mehreren Klanginstallationen des Künstlers Erwin Stache. Das Highlight der Schumann-Räume ist der Klangraum. Hier können Besucherinnen und Besucher selbst kreativ werden, miteinander agieren, improvisieren und unter anderm eigene Hör-Krimis erfinden.
Die Grieg-Begegnungsstätte in Leipzig: (zum Ausklappen)
Er liebte sein Land, vor allem die raue Natur, das Meer, die Fjorde und die Volksmusik: der norwegische Komponist Edvard Grieg. In seinen musikalischen Werken ist vieles davon eingeflossen, er hat das Norwegische in der Musik in die Welt hinaus getragen. Doch was verbindet den Norweger mit der Stadt Leipzig? Als 15-Jähriger kommt er hierher, um zu studieren. Noch während seines Studiums entdeckt ihn der Musik-Verleger Max Abraham und druckt Griegs op. 1 und 2. Eine wegweisende Begegnung: Zwischen Grieg und Abraham entsteht neben der beruflichen Zusammenarbeit eine tiefe und lebenslange Freundschaft.
Und so ist der Komponist immer wieder Gast in den Räumen des Peters-Verlages in der Talstraße 10. Heute ist hier die Grieg-Begegnungsstätte zu Hause, die ihre Türen für Besucherinnen und Besucher öffnet: für Konzerte, Lesungen und Vorträge oder einfach nur, um die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts in sich aufzunehmen. Der Musiksalon, der Speise- bzw. der Herrensalon in der sogenannten Bel-Étage strahlen sie noch heute aus, auch wenn die Räume weitestgehend restauriert wurden. Die historische dunkle Holzvertäfelung und die Deckenkonstruktion stammen aus dem Jahr 1905 und haben die Kriege überdauert. Zudem wird gerade eine Ausstellung über Grieg und seine Zeit vorbereitet, die dann in der Talstraße 10 zu sehen sein wird.
Das Bach-Museum in Leipzig: (Artikel)
Das Carl-Maria-von-Weber-Museum in Dresden: (zum Ausklappen)
Der Bus fährt stadtauswärts über das "Blaue Wunder" – der Brücke über die Elbe – in Richtung Schloss Pillnitz. Für den sächsischen König Friedrich August I. ist das Schloss im frühen 19. Jahrhundert Sommerresidenz. Für Carl Maria von Weber, damals Hofkapellmeister in Dresden, wird Pillnitz zum sommerlichen Arbeitsort. Um es nicht zu weit zum Dienst zu haben, mietet er sich ganz in der Nähe, in Hosterwitz, ein kleines Haus. Die Sommerresidenz Webers gehört damals einer Winzerfamlie.
Das Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert – übrigens eines der ältesten erhaltenen Gebäude in Dresden – lag damals frei und einsam inmitten der Weinberge. Weber verbrachte hier seine glücklichste Zeit. Davon erzählt das das heutige Carl-Maria-von-Weber-Museum.
Im Obergeschoss befindet sich neben dem Wohnraum das Arbeitszimmer Webers: mit einem kleinem Schreibtisch, darauf Feder und Papier, mit Couch, Tafelkavier und dem originalen Ofen, den Weber noch persönlich beheizt hat. Das Erdgeschoss lädt mit seinem Konzertraum – einem früheren Stall – zu Konzerten ein.
Wagner-Stätten Graupa (Lohengrin-Haus und Jagdschloss): (zum Ausklappen)
Im Sommer 1846 liegt eine anstrengende Saison als Dresdner Hofkapellmeister hinter Richard Wagner. Er bittet den König um Urlaub, der ihm gewährt wird. Es zieht ihn hinaus in die Natur. Nicht weit von Dresden findet er im kleinen Ort Graupa das, was er sucht: ein Bauernhaus am Fuße der Sächsischen Schweiz. 1907 als Museum eingerichtet, steht es nach mehreren Sanierungen wieder für Besucherinnen und Besucher offen.
Das Lohengrinhaus, wie es heute heißt, ist die älteste authentische Wagner-Stätte weltweit. Zu sehen sind die beiden Räume, die Wagner einst angemietet hat, mit den Möbeln aus dieser Zeit.
Einige Schritte davon entfernt befindet sich das Jagdschloss. Einst im Besitz verschiedener Herrschaftsfamilien ist es seit 2013 Museum. Der 200. Geburtstag Wagners war Anlass, um die multimediale Ausstellung zu eröffnen. Sie widmet sich ausführlich dem Leben und Schaffen des Komponisten: mit sehr viel Musik, Text und Interaktionsmöglichkeiten.
Das Mauersberger-Museum Großrückerswalde
... aus Thüringen:
Das Heinrich-Schütz-Haus in Bad Köstritz: (zum Ausklappen)
Ein prächtiges Haus in Ecklage – schon von außen strahlt das Museum Erhabenheit aus. Der alte Gasthof "Zum goldenen Kranich" ist der Geburtsort von Heinrich Schütz, der hier – allerdings im später abgebrannten Vorgängerbau – 1585 geboren wurde und die ersten fünf Jahre seines Lebens verbrachte.
Diese kurze Zeitspanne dürfte der Grund sein, dass die auch museale Verehrung des Komponisten eher in Weißenfels anschlug als in Bad Köstritz – erst 1985 wurde hier das Museum eingerichtet, wie Direktorin Friederike Böcher erzählt. Weil vor Ort keine Originale erhalten sind, wurde das Museum zunächst mit Leihgaben aus Leipzig bestückt, inzwischen aber sind viele Instrumente als authentische Nachbauten vorhanden und spielbar.
Museumsgäste erfahren viel über Schütz, seine Zeit und die Nachwirkung des Meisters – u. a. an zwei flexibel gestaltbaren Multimediastationen. "Digital ist wunderbar", sagt Museumsdirektorin Friederike Böcher, "aber für mich persönlich ist es wichtig, dass eine Ausstellung auch ohne Digitales funktioniert. Angenommen, man hat nur die Kerze, um durch das Haus zu gehen, dann sollte die Ausstellung auch funktionieren. Eine schöne Ausstellung, auch mit dreidimensionalen Exponaten, das ist doch was für die Seele."
Das Max-Reger-Archiv in Meiningen (Artikel)
Das Bachhaus Eisenach: (zum Ausklappen)
Wer vom Bahnhof Eisenach durch die historischen Gassen mit ihren Fachwerk- und Gründerzeithäusern kommend in den Frauenplan einbiegt, der oder die wird vielleicht überrascht sein. Denn der sehr modern wirkende Bau dort fällt ins Auge. Ein kompakter grauer Kubus, dessen Fassade aus schräg nach oben strebenden Steinplatten gefügt ist. "Gefugt" müsste man vielleicht besser sagen, denn das ist der Eingang zu dem Museumsneubau, der seit 2007 dem Meister der Fuge gewidmet ist.
Das Fachwerkhaus nebenan – verbunden mit dem Neubau – wurde im 19. Jahrhundert als Geburtshaus von Johann Sebastian Bach identifiziert – und auch wenn das falsch war, so ist doch auch der Altbau Teil der etwa 600 Quadratmeter umfassenden Ausstellung. Sie erzählt vom Leben des Musikers, der seine ersten zehn Lebensjahre in Eisenach verbrachte und sich selbst zeitlebens als "Isenacus" bezeichnete, als Eisenacher also. Und dort auch zur Schule ging.
In der Dualität aus Alt und Neu kann das Museum tiefe Einblicke geben in die thüringisch-protestantische Musiktradition, die den jungen Bach prägte und die Eisenach in der Barockzeit ausmachten. Dazu dienen historische, bespielbar restaurierte Instrumente ebenso wie digitale Angebote auf Medienstationen. So können auch zum Teil nur bedingt oder aus restauratorischen Gründen nicht spielbar gehaltene Instrumente wie ein seltenes Clavicin Royal hörbar gemacht werden. In der Verbindung von Tradition und Moderne gelingt es dem Haus immer wieder, Besucherinnen und Besucher aus aller Welt in den Bann zu ziehen.
Das Reuter-Wagner-Museum in der Reuter-Villa in Eisenach
Das Liszt-Haus in Weimar
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 24. Juli 2024 | 07:10 Uhr